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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

01/2018 Sportlich

BAU.WERK

Anstoss auf Crap Gries

Crap Gries, ein markanter dicker Stein, gab dem Fussballplatz in Schluein (GR) seinen Namen. Unumstösslich wie der Stein im Namen ist auch der Erfolgswille der Sportler aus der Surselva. Ihr jüngster Coup ist die Raiffeisen Arena Crap Gries – ein imposanter Tribünenbau aus Holz.

Text Dorothee Bauland | Fotos Ralph Feiner

 

Es war keine einfache Zeit, damals im Jahr 1942, als einige junge Burschen aus Schluein die Idee hatten, einen Fussballclub zu gründen. Doch sie konnten ihre Gemeindeoberen überzeugen und durften eine kleine Lichtung in den Auenwäldern der Val da Schluein für ein Fussballfeld roden und ebnen. Ein markanter, dicker Stein, rätoromanisch Crap Gries, gab dem Platz dort seinen Namen. Der alte Standort wurde 1969 durch eine Rüfe zerstört – doch der Name blieb. Zunächst für das nahe gelegene neue Fussballfeld in den Rheinauen von Schluein, das 1975 eingeweiht wurde. Jetzt auch für das neue Tribünenbauwerk, direkt am Vorderrhein. Die Raiffeisen Arena Crap Gries trägt den dicken Stein heute ebenso selbstbewusst im Namen wie einst das historische Fussballfeld.

 

Tribüne für 500 Zuschauer

Stets ist der Name Crap Gries auch ein Symbol für den unumstösslichen Glauben des Fussballclubs an seinen Erfolg. 2002 entstand aus dem Zusammenschluss des US Schluein und des FC Ilanz die Uniun Sportiva Schluein Ilanz (USSI) – und damit der grösste Sportverein der Surselva mit rund 200 Mitgliedern. Im Jahr 2013 stieg die erste Mannschaft der USSI erstmals in die zweite Liga auf, das ist die höchste Regionalliga. Ein weiterer Meilenstein in der Vereinsgeschichte war dann 2015 der Bau des neuen Clubhauses mit seiner markanten Holztribüne. Das aussergewöhnliche Bauwerk der Arena Crap Gries wurde 2017 für den renommierten Architekturpreis «Constructive Alps» nominiert und mit einem Anerkennungspreis ausgezeichnet. Es lockte auch schon zweimal den deutschen Bundesligisten Hamburger Sportverein (HSV) zum Trainingslager nach Schluein. Zudem war die neue Holztribüne schon Kulisse für ein «Länderspiel»: Das Team Austria spielte dort gegen die USSI. Ein sportliches Ereignis, das sogar vom Fernsehsender ORF1 übertragen wurde. 500 Zuschauer konnten den Spielern von der überdachten Tribüne zujubeln. Das sind fast so viele wie das Dorf Schluein Einwohner hat.

 

Architekt und Torschütze

Obwohl in der kleinen Ortschaft am Vorderrhein nur rund 590 Menschen leben, ist das Stadion so gross wie jenes in Chur. Zu gross sei es aber nicht, findet Architekt Jan Berni, der bei der USSI als Torschütze auf dem Platz steht und das Stadion zusammen mit Architekt Georg Krähenbühl projektierte: «Bei einem Kinderturnier sind schnell einmal 450 bis 500 Zuschauer dabei.» Und auch wenn die Mannschaft der zweiten Liga spielt, kämen zahlreiche Sportfans aus der ganzen Region. Als Fussballspieler der US Schluein Ilanz weiss Architekt Jan Berni, was die Aktiven brauchen und die Zuschauer wünschen. Für den Spielfeldrand der Arena Crap Gries entwarf er darum einen grosszügigen Tribünenbau. Im Erdgeschoss des massiven Bauwerks befinden sich vier Umkleidekabinen, zwei Mannschaftsduschen, die Schiedsrichterkabine, die sanitären Anlagen sowie das Magazin und eine Garage. Das 43 Meter lange und 13 Meter breite Bauwerk ist auf der Längsseite des Fussballplatzes, entlang der Strasse positioniert und parallel zum Rhein ausgerichtet. Durch die mittige Setzung am Fussballplatz und das lang gestreckte Gebäudevolumen wird das Spielfeld von der Strasse abgeschirmt. So kann sich die ganze Aufmerksamkeit der Zuschauer auf den Sport und das Gemeinschaftserlebnis richten. «Diese Idee wird durch die differenzierte Materialisierung der Fassaden zusätzlich verstärkt», erläutert Architekt Georg Krähenbühl: «Eine archaisch wirkende Hülle gegen die Strasse, den Fluss und das nahe Kieswerk und eine filigran wirkende Holzkonstruktion zum Fussballplatz hin.»

 

Massive Fichtenholzträger

Das Stadion mit seiner imposanten Holzkonstruktion aus einheimischem Holz fällt schon von Weitem auf. Das massive, nicht verleimte Fichtenholz für das Dach und die Tribünenkonstruktion stammt aus Graubünden. Es musste frühzeitig geschlagen werden, damit es bis zum Baubeginn austrocknen konnte. Mit den Holzbauarbeiten wurde die Coray Holzbau AG aus Ilanz beauftragt. Das Unternehmen mit seinen rund 20 Mitarbeitenden verfügt über eine eigene Abbundanlage und war rund einen Monat mit der Vorfertigung der Holzbauteile beschäftigt. Die Aufrichte nahm dann drei Monate in Anspruch – nicht zuletzt weil diese teilweise in Fronarbeit erfolgte. Weitere vier Monate dauerten die Ausbauarbeiten durch die freiwilligen Helfer. Von Anfang an stand fest, dass für den Bau nicht nur nachhaltige Materialien aus der Region verwendet werden sollen, sondern dass auch auf das fachliche Wissen der Vereinsmitglieder, deren Familien und der lokalen Unternehmungen gesetzt wird. Das Material für das Betonfundament wie auch für den Kalkputz wurde vom angrenzenden Kieswerk bezogen. Ein geschlossenes Einsteinmauerwerk (U-Wert 0,23 W/m2K) bildet das Rückgrat des Bauwerks, an das sich die Tribünenkonstruktion anlehnt. Die elf Stützen sind mit einem Abstand von je 3,37 Metern positioniert, die Abstände der äusseren Stützen sind mit 4,07 Metern etwas grösser. Bis unter das Dach beträgt ihre Länge 7,15 Meter, der Fussabdruck misst 52 auf 48 Zentimeter. Der Querschnitt der Binder ist mit 36 auf 24 Zentimetern gleichbleibend, die Länge variiert jedoch; der längste Binder misst 12,73 Meter.

Die Innenwände sind teils mit Backsteinmauerwerk, teils in Holzständerbauweise realisiert. In den Garderoben fallen die eigens für das Projekt gefertigten skulpturalen Brunnen und Lavabos aus Kieseln und Beton auf. Die Böden und Wände in den Mannschaftsduschen sind mit dem regionalen Valserstein verkleidet. Eine Bodenheizung sorgt für angenehme Wärme; die Energieversorgung erfolgt durch eine Luft-Wasser-Wärmepumpe. Ziel war es, mit möglichst wenig Haustechnik auszukommen: Da das Gebäude nur vom Frühling bis in den späten Herbst durch den Fussballverein genutzt wird, müssen lediglich die Randzeiten mit Hilfe der Haustechnik überbrückt werden. Im Winter wird das Gebäude nur temperiert. Im Obergeschoss, in dem das Vereinslokal zum Verweilen einlädt, ist der Energieaufwand dank gut isolierender Materialien und optimaler Verschattung der grossen Fensterflächen minimal. Speziell am Vereinslokal ist die aussergewöhnliche Akustikdecke aus Tannen-Stirnholz, die mit Schafwolle als Akustikabsorber ausgestattet ist. Die Decke wurde in vielen Arbeitsstunden durch die Clubmitglieder installiert. Aussen ist das Dach mit Blech eingedeckt.

 

6000 Stunden Frondienst

Dass Vereinsmitglieder ihren Fussballplatz in Fronarbeit ausbauen und pflegen, ist durchaus üblich. Bei diesem Projekt war das Ausmass der Freiwilligenarbeit aber enorm: 6000 Stunden ehrenamtlichen Arbeitsdienst haben die Architekten Jan Berni und Georg Krähenbühl eingeplant, angefangen von der Konzeption der Zimmermannsarbeiten mit Nagel- statt Leimbindern bis hin zum Innenausbau. Die Materialien wurden bewusst so gewählt, dass möglichst viele Arbeiten durch die Vereinsmitglieder selbst ausgeführt werden konnten. Die vielen Stunden, in denen die Clubmitglieder beim Bau Hand anlegten, seien unzählbar und wertvoll, so Jan Berni. Selbstredend packte er bei der Fronarbeit auch selbst mit an. So ist die Arena Crap Gries in vielerlei Hinsicht nachhaltig: einerseits durch die Verwendung von regionalen Materialien und die architektonische Qualität des Gebäudes, andererseits durch die Vergabe der Arbeiten an lokale Unternehmungen und nicht zuletzt auch durch die Identifikation einer ganzen Region mit diesem Gemeinschaftswerk. «Die Eigenleistungen der Vereinsmitglieder, die finanzielle Unterstützung aus den umliegenden Gemeinden und die vielen privaten Sponsoren spiegeln diesen Gemeinschaftssinn eindrücklich wider», so die Architekten. Entstanden ist ein geschlossenes Ganzes, robust, ästhetisch anspruchsvoll und so brauchbar, dass auch grosse Mannschaften wie der HSV hier für ihre Trainingswochen zu Gast sind.

 

Sitzplätze verkauft

Gekostet hat das neue Bijou den Verein rund 1,35 Millionen Franken. Bei der Finanzierung wurde der Club durch die Gemeinden Schluein, Sagogn, Falera und Ilanz/Glion unterstützt. Ausserdem haben der Kanton Graubünden, Stiftungen und Sponsoren wie beispielsweise die Raiffeisen Surselva etwas beigesteuert. Auch die lokalen Baufirmen, die Material und Arbeit günstiger offerierten, machten den Bau möglich. Und zu guter Letzt verkaufte die US Schluein Ilanz auch noch recht erfolgreich die Sitzplätze auf der Tribüne. corayholzbau.ch, kraehenbuehlarch.ch, walterbieler.ch

Das Projekt – die Fakten

Objekt: Raiffeisen Arena Crap Gries, Schluein (GR)
Bauherrschaft: US Schluein Ilanz
Fertigstellung: 2015
Architektur: Jan Berni, Ilanz (GR); Georg Krähenbühl, Davos (GR)
Statik: Walter Bieler, Bonaduz (GR)
Baukosten: CHF 1,35 Mio.
Gebäudevolumen: 4020 m3
Bruttogeschossfläche: 950 m2
Holzbau: Coray Holzbau AG, Ilanz
Konstruktionsholz: 110 m3 Fichte/Tanne
Akustikdecke: 10 m3 Stirnholz

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