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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

03/2015 Alles ausser gewöhnlich

BAU.WERK

Vergoldetes Depot für historische Postautos

Prix Lignum 2015: Innovativer, hochwertiger und zukunftsweisender Einsatz von Holz. In der Rubrik Bauwerk präsentieren wir die Gewinner von Gold, Silber und Bronze.

In der ländlichen Umgebung wirkt es auf den ersten Blick eher wie ein Stall – und doch ist das neue Depot des Museums für Kommunikation in Schwarzenburg ein be merkenswertes Gebäude. Es erfüllt nicht nur ökologische Kriterien und strenge konservatorische Vorgaben, sondern erhielt nun auch den Prix Lignum in Gold.

Es ist ein eher ungewöhnlicher Ort für ein Museumsdepot, das Kulturgüter langfristig sicher vor äusseren Einflüssen schützen soll. Auf einer weiten Ebene zwischen Schwarzenburg und Mamishaus, wo Landwirtschaft, grosse Eichenbäume und das teils garstige Wetter die Umgebung prägen, sendete von 1939 bis 1998 der Kurzwellensender Schwarzenburg für den Auslandrundfunk Schweizer Radio International. Seit dessen Betriebseinstellung unterhält das Museum für Kommunikation in diesen Räumlichkeiten sein zentrales Lager mit 10'000 Objekten aus den Bereichen Telekommunikation, Post und Verkehr. Dazu gehören unter anderem Postkutschen, Postautos, aber auch Fernsehreportagewagen oder Telegrafen- und Telefonapparate. 

2010 entschied sich die Museumsstiftung für eine klimatische Sanierung der Gebäude. Gleichzeitig sollten die Lagerkapazität und die Lagertechnik optimiert sowie die gesamten Exponate an einem Ort zentralisiert werden. Die Sanierungsarbeiten wurden etappen­weise ausgeführt, so dass die Sammlung an Ort und Stelle bleiben konnte. So galt es in einem ersten Schritt, die Aussenhalle für die Fahrzeuge mit einem Neubau zu ersetzen. Danach erfolgte die Sanierung der Depot­räume im ehemaligen Kurzwellensender. 

Stall für Fahrzeuge

Die neu gebaute Halle wurde als blechverkleidete Holzarchitektur konzipiert, die sich in die ländliche Umgebung einfügt und auf den ersten Blick an einen grossen Stall erinnert. Die tragende Holzkonstruktion liegt aussen. Die Fachwerkträger sind mittig auf V-Stützen abgestellt und überspannen eine Gebäudelänge von 52 Metern. Die Wände bestehen aus Rahmenbauelementen, die Decke ist eine Brettstapeldecke aus Weisstannenholz. Diese hilft mit, das Klima im Innern auszugleichen. Neben dem Tor und den Fluchtwegtüren gibt es ausser den Deckenöffnungen für die Ent­rauchung keine Öffnungen im Bauwerk. Ein Lüftungsgerät sorgt für den aus konservatorischen Gründen nötigen, minimalen Luftaus-tausch. Dies geschieht aber nur, wenn die Luft draussen weniger feucht ist als im Innern der Halle. Messgeräte überwachen die entsprechenden Werte und steuern das System. Die Elementwände sind gedämmt; im Süden und Westen zusätzlich mit Zellulose, um je nach Jahreszeit eine bessere Kühlung be­ziehungsweise Erwärmung zu erhalten. Die Mas­se des Betonbodens wird im Randbereich mit einem TABS (thermoaktiven Bauteilsystem) aktiviert, was ebenfalls zur Klima- beziehungsweise Feuchteregulierung beiträgt. Der Entscheid für eine Holzkonstruktion wurde dadurch begünstigt, dass der Neubau wegen der alten Halle in Etappen gebaut werden musste. «Am gleichen Standort stand das alte, nur halb so grosse Depot – eine Alu-Panel-Konstruktion –, in der ein Teil der Fahrzeuge untergebracht waren», so der verantwortliche Architekt Patrick Thurston aus Bern. «Nachdem die erste Hälfte des Neu­baus erstellt war, wurden die Fahrzeuge umgelagert, die alte Halle wurde abgebrochen und anschliessend die zweite Hälfte gebaut. Diese Bauweise unter Betrieb wäre mit einer anderen Konstruktion kaum umsetzbar gewesen.»

Architekt Patrick Thurston sieht zwei Aspekte, die bei der Planung der neuen Halle massgebend waren: «Zum einen mussten wir ein Bauwerk von der Grösse eines Eishockey­feldes bestmöglich in die Landschaft inte­grieren. Zum andern wollten wir eine Fahrzeughalle schaffen, in der das Raumklima durch passive Massnahmen wie Lenkung der Beschattung, optimierte Energiebezugsfläche und ausgleichende Materialien unterstützt wird», so der Architekt. Denn nebst den hohen konservatorischen Anforderungen an das künftige Raumklima stellte auch das zur Verfügung stehende Budget die Planer vor grosse Herausforderungen. Wo andere Depots voll und ganz auf technische Klimatisierung setzen, mussten Alternativen her, da dies finanziell und auch aus Sicht des hohen Energieverbrauches nicht in Frage kam. «Das Ge­bäude­volumen haben wir daher kompakt gehalten, um den klimatisch zu kontrollierenden Raum zu begrenzen. Das grosse Wetter- und Schattendach, die Wandlamellen im Süden und Westen, die im Winter eine passive Nutzung der Energie erlauben, im Sommer hingegen Schatten spenden, sorgen für die geforderten klimatische Bedingungen im Innern der Halle», erklärt Patrick Thurston die simplen, aber effektvollen Massnahmen. «Mit der neuen Fahrzeughalle ist uns ein umweltfreundliches Langzeitlager gelungen, das nach ökologischen Kriterien einen geschützten Raum bietet, der mit minimaler Einwirkung von Fremdenergie betrieben werden kann.»

Diskurs über Qualität

Das Architekturbüro Patrick Thruston durfte mit dem diesjährigen Prix Lignum zum zweiten Mal hintereinander die Auszeichnung in Gold entgegennehmen. Nach dem Bären­Wald­haus im Tierpark Dählhölzli in Bern 2012 gibt es nun also die höchste Auszeichnung für das Museumsdepot. Thurston ehrt diese erneute Wahl, trotzdem bereitet sie ihm auch ein wenig Unbehagen. «Ich bin da wohl etwas naiv. Auch wenn ich voll und ganz hinter den jeweiligen Projekten stehe, so hätte ich bei beiden Malen nie im Traum daran gedacht, dass wir gewinnen würden», zeigt er sich überrascht. «Wichtiger als Preise zu erhalten, ist mir jedoch, dass durch solche Wettbewerbe eine Diskussion und ein Austausch darüber stattfinden, was Qualität in der Architektur ist. Wie kommt man zu gültigen, einfachen Lösungen, die angemessen eine Aufgabe lösen? Wenn darüber ein Dialog geführt wird, ist das sehr wertvoll.» Patrick Thurston erachtet es als vorbildlich, dass sich eine Stiftung wie das Museum für Kommunikation auf den Prozess einlässt, sich im Rahmen eines Studienwettbewerbes auf die Suche nach der bestmöglichen Lösung zu machen. «Als Archi­tekt trage ich eine Verantwortung, mich am Diskurs zu beteiligen, damit Baukultur in der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen wird. Dies bedingt halt auch, dass ich mich ein Stück weit exponiere und mich der Bewertung an solchen Wettbewerben stelle.»

Sich dabei auf den Lorbeeren auszuruhen, käme für den engagierten Berner nicht in Frage. Er selbst versteht sich als Generalist, der sein Handwerk als Architekt immer wieder neu zu ergründen sucht. «Mir gefallen Aufgaben, in die ich mich neu hineindenken muss. Ich hatte vor dem Auftrag für das Museumsdepot keine Ahnung von solchen Lagern, das war völliges Neuland für mich. Das Eintauchen in immer neue Themen und Aufgaben, das Nachfragen, das intensive Auseinandersetzen mit den verschiedenen Bedürfnissen, nochmals nachfragen – das ist zwar anstrengend, aber ungemein spannend und bereichernd.»

Das Projekt – die Fakten

Auszeichnung: Prix Lignum in Gold

Objekt: Depot Museum für Kommunikation, Schwarzenburg (BE)

Fertigstellung: 2013

Bauherrschaft: Museum für Kommunikation, Bern

Architektur/Planung: Architekturbüro Patrick Thurston, Bern

Holzbauingenieur: Indermühle Bauingenieure GmbH, Thun

Holzbau: Remund Holzbau AG, Schwarzenburg

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