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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

02/2016 Innere Werte

Wohn.kultur

Kleines Frankreich am Bodensee

Bei diesem Einfamilienhaus am Bodensee ist Frankreichs Westküste Teil des Konzepts. Genauso hatte es sich die Bauherrenfamilie gewünscht. Entstanden ist ein individueller Ersatzneubau mit hoher Wohnqualität – mit und trotz knappen Budgets. Text SD, Tom Munz Architekt | Fotos Tom Munz Architekt

Die kleine Gemeinde Egnach liegt mit drei Kilometern Seeanstoss direkt am Bodensee. Die Grossmosterei existiert seit kurzem nicht mehr. Aber nach wie vor steht die offene Landschaft der Region für eine grosse Obst- und Beerenkultur am Bodensee. Hier im Oberthurgau hat sich eine junge Familie den Traum eines individuellen Eigenheims erfüllt. Obwohl das Budget knapp war, konnte das Architekturbüro Tom Munz Architekt in dem progressiven Ersatzneubauden individuellen Bau- und Gestaltungswünschender Bauherrschaft folgen. Indem Einfamilienhaus verschmelzen heute Familienalltag und die Ferienerinnerungen an die Küste Westfrankreichs miteinander.
Die Bauherrschaft erwarb ein Einfamilienhaus mit Grundstück von der Verwandtschaft. Der Bauort liegt in einem Quartier aus den 1960er Jahren. Aufgrund des knappen Budgets kam ein kompletter Umbau nicht in Frage. Das St. Galler Architekturbüro musste eine andere Lösung finden. Es waren unkonventionelle räumliche und materielle Alternativen gefragt. So haben Bauherrschaft und Tom Munz Architektin einem offenen und ehrlichen Dialog zuerst die Wünsche mit den technischen und finanziellen Möglichkeiten abgeglichen. Aus dieser intensiven Planungsphase folgte, dass nur ein Ersatzneubau die Bedürfnisse der Bauherrschaft am besten erfüllen konnte: kein Totalabbruch, sondern ein budgetfreundlicher, integrierender Ansatz, der alternative Materialien kombiniert und weiterhin den individuellen Gestaltungswünschender Familie folgt.

ROH UND UNVERFÄLSCHT

In den Ferien reist die Familie regelmässig an die Küste Westfrankreichs. Die anmutende Schlichtheit französischer Chalets, das raue Klima und die ausladende Weite der Region sind die Erinnerungen an diese Tage am Meer, die in dem Ersatzneubau aufgegriffen werden. Die Architekten interpretieren die Ferienerinnerungen im ortsbaulichen Kontext und bauen die strengen Auflagen aus dem 30 Jahre alten Überbauungsplan schlüssig in das Konzept ein. Der Bau das Wesen und die Stimmung der Küste auf und kombiniert diese mit der regionalen Baukultur am Bodensee. Die Innenwände sind mit Sperrholzplatten aus französischer Seekiefer verkleidet. Das Kiefernholzstammt aus einem nachhaltig geforsteten Wald in Westfrankreich, nur wenige Kilometer vom jährlichen Urlaubsort der Bauherrenfamilie entfernt.
Bei dem Teilabbruch blieb das Fundament mit Untergeschoss bestehen und wurde um einen zweigeschossigen Holzelementbau mit Satteldacherweitert. Die zweistöckige, strukturierende Lattenfassade in europäischer Lärche enthält wenige, aber grosse Fenstereinschnitte. Die klare Figur des Baukörpers arbeitet spielerisch mit dem Innenraum. Die Split-Level-Bauweise schafft dabei überraschende Wohnwelten. Ursprünglich wurde das Split-Level entwickelt, um Gebäude Anhang zu realisieren. Der Bau im Versatz ermöglicht eine stärkere räumliche Beziehung der Geschossebenen zueinander.

EINE QUERACHSE FÜR PRIVATSPHÄRE

Beim Ersatzneubau in Egnach ist das Gebäude nun mittig gesplittet und die Etagenniveaus sind entlang einer Querachse versetzt. Eine wichtige Voraussetzung beim Bau war nämlich die klare Trennung von privaten und halböffentlichen Räumen. In der Querachse liegen die Zugänge zum privaten Rückzugsbereich mit Schlafzimmern und Büro, die über zwei Niveaus realisiert sind. Im Obergeschossbefindet sich eine Galerie. Die Längsachse hingegen führt den Gast über eine Treppe in das Zentrum des Wohnhauses: in den sechs Meter hohen Lebensraum. Hier sind Wohnen und Essen zusammengefasst, was eine Sicht mit weiten und grosszügigen Blickbeziehungen ermöglicht. Die Küche knüpft unmittelbar an den Lebensraum an. Auch sie ist in Seekiefernholz gefertigt. Es handelt sich um eine Massanfertigung mit wassergebeizten Oberflächen, einem handwerklich anspruchsvollen Verfahren. Sämtliche Türen und Einbauten sind Designentwürfe des Architekten und speziell für das Haus gefertigt.
Der Ersatzneubau zeigt eine klare und funktionale Architektur in hochwertiger Qualität. Die Materialität ist ehrlich. Es ist gerade diese natürliche Rohheit, welche den starken atmosphärischen Ausdruck und das behagliche Raumempfinden schafft. Das konstruktive Prinzip wurde in enger Zusammenarbeit mitlokalen Handwerkern erarbeitet. Sie wurden von Beginn an in den Planungsprozess einbezogen und konnten ihr Fachwissen und ihre Kenntnisse über die örtlichen Gegebenheiten einbringen. Trotz kleinen Budgets musste die Bauherrschaft nicht auf ein stimmiges Ganzes verzichten. tommunz.com

Das Projekt - die Fakten

Objekt: Ersatzneubau in Egnach (TG) am Bodensee
Bauherrschaft: privat
Bauzeit: März bis September 2015
Nettowohnfläche: 180 m 2
Bauvolumen nach SIA 416: 940 m 3
Architekt: Tom Munz Architekt, St. Gallen
Holzbauingenieur: Achilles Fecker Holzbau, Arbon (TG)
Bauingenieur: Furrer & Partner AG, Wil (SG)
Gesamtkosten: 600 000 CHF
Gebäudekosten: 450 000 CHF

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