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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

02/2016 Innere Werte

Stand.punkt

BIM - Das grosse Umdenken

Die Digitalisierung hat die Baubranche erreicht. Mit Building Information Modeling (BIM) kommt es zu grundlegenden Veränderungen – auch im Holzbau. Weil es den Binnenmarkt stimuliert und Tausende von Arbeitsplätzen schafft und weil es der Schweiz längerfristig eine hochmoderne, effiziente und nachhaltige Energieversorgung garantiert. Die Frankenstärke ist kein Grund, die Energiestrategie 2050 zu stoppen, sondern sie liefert eine (kosten)günstige Ausgangslage für ein verstärktes Vorwärtstreiben.

Die Digitalisierung der Prozesse beschäftigt nicht einzig die Bauwirtschaft, alle und alles und sämtliche Branchen sind davon betroffen. Der Bauwirtschaft wird nachgesagt, dass sie diesen Wandel rasch vollziehen wird - im Vergleich zu anderen Branchen. Anzeichen hierfür gibt es genug; innerhalb der letzten zwölf Monate hat auch in der Schweizer Bauwirtschaft ein grosses Umdenken stattgefunden. Seit der Tagung "BIM - Einführung in der Schweiz" an der ETH Zürich vor ziemlich exakt einem Jahr hat auch in der Schweiz das digitale Bauen an Geschwindigkeit zugelegt.
Über 600 Fachleute hatten im vergangenen Juni an dieser Tagung teilgenommen, die durch den SIA und buildingSMART Schweiz organisiert wurde und heute Teil von "Bauen digital Schweiz" ist. Länder, in denen das digitale Bauen weit fortgeschritten ist, sowie Gruppierungen aus Wirtschaft und Politik begleiten den Transfer. Was in Grossbritannien, den Niederlanden oder in Skandinavien bereits per Gesetz gefordert wird, treibt auch die Europäische Union durch eine BIM-Taskforce voran. Über Gesetze, Verordnungen, Normen und schillernde Einzelprojekte wird versucht, den Grad an Fortschritt in der Digitalisierung zu vermitteln. Das Strategieteam von "Bauen digital Schweiz" hat nun zusammen mit seinen Partnern entlang von sechs Thesen zu Prozess, Mensch, Baumaterialien, Hilfsmittel, Recht und Innovation über 60 Projekte identifiziert. Entlang dieser sechs Thesen sollen die Projekte nun finalisiert und durch die Partner von "Bauen digital Schweiz" umgesetzt werden.

THESEN ZUM DIGITALEN BAUEN IN DER SCHWEIZ

THESE 1 - PROZESS: "DIE DIGITALISIERUNG VERNETZT DEN WERTSCHÖPFUNGSPROZESS"

Der Prozess wird sich verändern: angefangen bei den Bedürfnissen der Bauherren über die Planung und verfügbaren Bauprodukte sowie Technologien bis hin zu Ausführung, Inbetriebnahme und Betrieb. Ziele: Optimieren der Wertschöpfungsprozesse und der Bearbeitungsschnittstellen in Bezug auf Effizienz, Qualität, Zeit und Kosten. Projekte: BIM-Wertschöpfungsprozess, Stufenplan, Workbook, Digitale Baustelle, Pilotprojekte.

THESE 2 - MENSCH: "DIE DIGITALISIERUNG VERÄNDERT DIE ZUSAMMENARBEITSKULTUR"

Um das vernetzte Arbeiten als Prozess in der Baubranche erfolgreich zu implementieren, müssen von Anfang an alle Beteiligten gleichberechtigt mitgestalten können und einbezogen werden. Ziele: Anpassen der Organisationen und Strukturen an die vernetzten Arbeitsprozesse sowie der einhergehenden sozialen und kulturellen Entwicklungen. Projekte: Digitale Transformation im Unternehmen, Ausbildungsinitiative und -massnahmen, Zertifizierung.

THESE 3 - BAUMATERIALIEN: "DIE DIGITALISIERUNG IMPLEMENTIERT DIE BAUINDUSTRIE"

Die digitalen Daten können mehrfach eingesetzt werden: in unterschiedlichen Prozessen, durch mehrere Beteiligte und an verschiedenen Orten. Noch mag wenig vom Wandel spürbar sein, doch bald werden alle Anbieter von Bauprodukten betroffen sein; die fortschreitende Digitalisierung betrifft nahezu jedes Unternehmen. Die digitale Transformation verändert die Art und Weise der Informationsbeschaffung und greift in die fundierten Planungs- und Entscheidungsprozesse ein. Ziel: Einbindung der digitalen Daten realer Bauprodukte phasengerecht von der Planung, der Ausführung bis in den Betrieb. Projekte: Level of Development (LOD), Swiss- BIMLibrary.ch, Volumenkörper, Konfiguratoren, Raummodule.

THESE 4 - HILFSMITTEL: "DIE DIGITALISIERUNG REVOLUTIONIERT DIE ARBEITSHILFSMITTEL"

Die Geschwindigkeit wird zum Motor der Veränderung. Der Markt bestimmt den Grad der Implementierung neuer Lösungen. Die Nutzer treiben mit der Anwendung die Innovation voran. Anwendungen schaffen neue Lösungen. Die Kompetenz, mit neuen Methoden und Technologien umzugehen, wird zum entscheidenden Faktor. Ziel: Aufbau der Kompetenz, die neuen Methoden und Technologien in vernetzten und firmenübergreifenden Datenräumen effizient einzusetzen. Projekte: BIM Wiki, BIM-Projekt/-Systemumgebung, COBie Schweiz, FM Daten im Modell.

THESE 5 - RECHT: "DIE DIGITALISIERUNG ORDNET RECHTE UND PFLICHTEN NEU"

Es ist zurzeit schwierig abzuschätzen, wie schnell und wie fundamental die Digitalisierung die etablierten Aufgaben und Verantwortungen beziehungsweise die Rechte und Pflichten der Beteiligten verändern wird und damit neue Regelungen für die Erarbeitung, Bereitstellung, Nutzung und Gewährleistung der Bauwerksdaten verlangt. Ziel: Definition der Leistungen und Verantwortungen für die virtuellen Gebäudemodelle in Bezug auf die Erarbeitung, Bereitstellung, Nutzung und Gewährleistung der Bauwerksdaten. Projekte: Vertrag, Checklisten, Mustervereinbarungen, Leistungskatalog, Qualitätsmanagement.

THESE 6 - INNOVATION: "DIE DIGITALISIERUNG GENERIERT NEUE GESCHÄFTSMODELLE"

Wie auch die Erfahrungen aus anderen Branchen zeigen, dürfte das Interesse an den Daten aus der Nutzung und dem Betrieb steigen, da anhand dieser Daten die etablierten Prozesse und Geschäftsmodelle weiter optimiert und neue geschaffen werden können. Das After-Sale-Business wird an Bedeutung gewinnen. Es drängen neue Beteiligte in die etablierten Märkte, es entstehen neue Geschäftsfelder und Geschäftsmodelle und die alten werden sich wandeln müssen, wenn sie denn nicht obsolet werden wollen. Ziel: Den Puls der Veränderungen, die Trends frühzeitig erkennen, Prozesse proaktiv anpassen und die Grundlagen für neue Dienstleistungen und Geschäftsmodelle schaffen. Projekte: BIM im Bestand, Retro BIM, Early Adopters Network, Discovery Tour, digitale Baueingabe.

Der Autor

Paul Curschellas ist Architekt FH/SIA und CIO der buildup AG, einem Spin-off der ETH, Mitbegründer von «Bauen digital Schweiz» und Mitglied der Strategiegruppe. buildup.ch, buildingSMART.ch, bauen-digital.ch

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