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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

03/2016 Heimatverbunden

Stil.Form

Schatzkiste am Rotsee

«Himitsu Bako» haben die Architekten das Bauprojekt am Rotsee genannt. Das ist der japanische Begriff für ein kleines Schatz­kistchen aus Holz, das sich durch trickreiche Verschiebungen über einen geheimen Mechanismus öffnen lässt. Der Zugang zum neuen Ruderzentrum ist vergleichsweise einfach zu finden, ein vielschichtiges Bauwerk ist der langgestreckte Korpus gleichwohl.

Text Dorothee Bauland | Fotos Hecht Holzbau AG

Der Rotsee bei Luzern eignet sich perfekt ­für Ruderregatten. Mit seiner Länge von zweieinhalb Ki­lometern bildet er eine natürliche Regatta­strecke, gerade richtig für die internationale Wettkampfdistanz von 2000 Metern. Seit 1933 werden auf dem windgeschützten See Regat­ten durchgeführt. Jährlich finden dort Weltcuprennen statt und bereits vier Mal wurde hier auch um den Weltmeistertitel gerudert. Die bisherige Infrastruktur am Rotsee stammte aber noch aus den frühen 1960er-Jahren. Sie war mittlerweile so veraltet, dass der Rotsee bei der Vergabe von Weltmeisterschaften seit 2011 nicht mehr berücksichtigt wurde. Mit dem neuen Rudersportzentrum steht den Sportlern und der Lucerne Regatta Association nun endlich wieder eine Infrastruktur zur Verfügung, die auch grossen internationalen Anlässen gerecht wird.

Nach nur kurzer Bauzeit bezugsfertig

Um den Wandel zu einer modernen Infrastruktur zu ermöglichen, gründete die Lucerne Regatta Association mit einem Budget von 16 Mil­lionen Franken den Verein Naturarena Rotsee. Der vielschichtige Projektentwurf zur Gesamt­erneuerung der Anlage erhielt von den Architekten Andreas Fuhrimann und Gabrielle Häch­ler aus Zürich den Namen Himitsu Bako - in Anlehnung an ein geheimnisvolles japanisches Schatzkistchen aus Holz, das sich nur über trickreiche Verschiebungen öffnen lässt. Ent­sprechend sollte das neue Ruderzentrum von Holzfassaden geprägt sein, die mit grossforma­tigen Schiebeelementen ein Abbild der unterschiedlichen Nutzungszustände sind. Komplex ist auch die Infrastruktur am Rotsee. Im Rahmen des Gesamtprojektes wurden auch die Wege und Plätze entlang der Uferzonen aufgewertet und die ruderspezifischen An­lagen erneuert. Bereits 2013 konnte der neue Zielturm in Betrieb genommen werden. Nach der letzten Ruderregatta im Sommer 2015 musste es dann schnell gehen: Vom Abbruch der alten Anlage bis zum Bezug der neuen blieb den Beteiligten nur ein knappes Jahr Zeit. Das Ruderzentrum sollte rechtzeitig zum Start des Weltcups im Mai 2016 bezugsfertig sein, damit die rund 900 Athletinnen und Athleten aus etwa 50 Nationen endlich wieder Bedingungen vorfinden, die einem Weltcup würdig sind. Dank vorfabrizierter Holzelemen­te, die zeitgleich mit dem Abbruch in Produktion gingen, konnte der knappe Zeitplan eingehalten werden.

Minimierte Betonkörper im Erdgeschoss

Die topografische Situation der Rotseewiese ist landschaftsräumlich einzigartig. Das Delta ist im Laufe der Zeit durch den ursprünglichen Bachlauf entstanden und bildet eine Unterbrechung im Hügelzug. Hier steht nun der langgestreckte, zweigeschossige Baukörper, mit zwei leicht versetzten Betonblöcken im Erdgeschoss und einem durchgehenden Holzbau im Obergeschoss. Die stark horizontale Ausbildung des Gebäudes mit ihrer Parallelität zum Ufer schafft eine Beziehung zum Ort. Das Gebäude kommt ohne Untergeschoss aus. Die beiden Betonkörper im Erdgeschoss, in denen sich vorwiegend unbeheizte Lagerräume befinden, wurden in ihrer Ausdehnung so gut wie möglich minimiert. Damit konnte der nötige Freiraum für das Handling mit den Booten geschaffen werden: Auf der westlichen Schmalseite ist ein grosszügiger Ladeplatz entstanden, auf der südöstlichen Seite der Wendeplatz. Zwischen den beiden Beton­blöcken führt eine von oben belichtete Frei­treppe zum Hauptzugang. Der helle Empfangs­raum mit seiner grossen Oberlichtöffnung bildet den Verteiler zu den Nutzräumen des Ruderzentrums.

Schwebendes Obergeschoss aus Schweizer Holz

Der Holzbau im Obergeschoss liegt durch seine Auskragungen scheinbar schwebend auf den beiden leicht gegeneinander versetzten Betonkörpern. Das Obergeschoss ist um den Empfangsraum organisiert. Nebenräume wie Garderoben, Duschen und WC-Anlagen sind süd­seitig angeordnet, das Restaurant und die Büroräume befinden sich an der Nordseite des Gebäudes - mit Blick auf den See. Durch die geschickte Gliederung und Anordnung der einzelnen Raumgruppen ist eine flexible Nutzung der Anlage möglich. So kann das Restaurant beispielsweise autark bewirtschaftet werden, oder es können bei kleinerem Bedarf nur Teile der Garderoben und Duschen geöffnet werden.

Betrieben wird die gesamte Anlage von der Stiftung Ruderzentrum Luzern-Rotsee. Um kostendeckend zu agieren, wird das Gebäude ganzjährig genutzt. So dienen die Räume im Obergeschoss ausserhalb der Regattawochen auch als Schulzimmer für eine zweisprachige Tagesschule. Ein Teil der Fläche wird vom Schweizerischen Ruderverband SRV als Trainingsraum genutzt und drei lokale Ruderclubs haben je eine Bootshalle gemietet.

Grosse Auskragungen mit Hohlkastenelementen

Mit der Vorfabrikation der Holzelemente begann die Hecht Holzbau AG im Oktober 2015 in ihrer Werkhalle in Sursee. Dabei mussten insbesondere die grossen Auskragungen und Spannweiten mit den Hohlkastenelementen exakt berechnet und mit hoher Präzision angefertigt werden. Die Boden- und Deckenelemente wurden mit einer pneumatischen Leimpresse hergestellt. So konnten die statischen Vorgaben erfüllt und die nötige Qualität konnte gewährleistet werden.

Um die tragenden Wand­elemente mit 22,15 Metern Länge und 4,7 Metern Breite an ihren Bestimmungsort zu befördern, war ein Schwer­transport nötig. Früh am Morgen und mit Polizeibegleitung trafen die Holzbauteile Mitte November am Rotsee ein. Die Aufrichte erfolgte dann in nur drei Wochen. Sowohl das Konstruktionsholz wie auch die Dreischichtplatten sind aus Schweizer Holz. Die ebenfalls im Gebäude verbauten OSB-Platten waren jedoch nicht aus heimischem Holz erhältlich und die Fassade wurde mit ­Accoya-Holz gestaltet: ein acetyliertes Holz, das mit Essig­säureanhydrid behandelt wurde. Diese Vor­behandlung erschwert die Besiedlung durch holzzerstörende Pilze oder Insekten und verlängert so die ge­brauchs­taugliche Einsatzdauer im Aussenbereich. Die Wahl fiel nicht zuletzt auch deshalb auf das vorbehandelte Kiefernholz, weil das roh belassene Holz des 2013 errichteten Zielturms in der Bevölkerung auf wenig Begeisterung gestossen ist.

Die zunächst für die Fassade geplanten Schiebeelemente aus Holz­paneelen wurden letztlich durch vorspringende Holzkästen ersetzt, in denen ein Lüftungsflügel mit Fliegengitter untergebracht ist. Direkt nach der Aufrichte begann der Innenausbau. Die rohen Wandverkleidungen aus Holzzementfaserplatten und versiegelten OSB-Grob­span­platten erinnern mit ihrer groben Spanstruktur an das nahe Schilf und spielen - wie auch die sanften Grüntöne der Böden - mit den Impressionen der umgebenden Natur.

Das Projekt – die Fakten

Projekt: Ruderzentrum Rotsee
Bauherrschaft: Naturarena Rotsee, Luzern
Bauzeit Holzbau: November 2015 – April 2016 (inkl. Innenausbau)
Gesamtleitung: Schärli Architekten AG, Luzern
Architektur: Andreas Fuhrimann Gabrielle Hächler Architekten, Zürich
Holzbauingenieur: Pirmin Jung Ingenieure für Holzbau AG, Rain (LU)
Holzbau: Hecht Holzbau AG, Sursee (LU)

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