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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

03/2016 Heimatverbunden

Wohn.kultur

Zwilling im Zivildienst

Ist das Ironie des Schicksals? Wo einst Soldaten für den militärischen Notfall ausgebildet wurden, da lernen heute Zivildienstleistende, wie sie zwischenmenschliche Beziehung aufbauen und pflegen. Auf dem Campus Schwarzsee liegt das neue nationale Ausbildungszentrum ZIVI in Schwarzsee (FR). Ein Areal der Widersprüche mit zwei Konstanten in Holzbauweise.

Text Sandra Depner | QuellenSchaerholzbau AG, 0815 Architekten, Kommunikation Verteidigung der Schweizer Armee | Fotos Hansueli Schärer

Von 1932 ab befand sich am Schwarzsee vor den Freiburger Voralpen eine Truppenunterkunft der Schweizer Armee. Im Laufe der Zeit wurden Unterkunft und Umgebung den Bedürf­nissen des Militärs angepasst. In den 1960er Jahren galt das Areal beispielhaft für eine Anlage, die auch von der Zivilbevölkerung als Ferienlager genutzt werden konnte - ein Zeichen gelungenen Nebeneinanders von Militär, Tourismus und Alpwirtschaft. Zum Ende hin bot die Anlage am Schwarzsee Platz für vier Kompanien. Unweit der Unterkunft übten sich die Soldaten auf den bundeseigenen Schiess­plätzen an der Waffe und trainierten für den militärischen Notfall.

Das ist Geschichte. Seit Jahresanfang stehen "Kommunikation und Betreuung", "Umwelt- und Naturschutz" oder "Pflegehilfe 1 und 2" auf der Agenda. Am Campus Schwarzsee treffen jährlich bis zu 10 000 Zivildienstleistende ein, die diese Kurse im neuen nationalen Ausbildungszentrum ZIVI besuchen. Hier erhalten sie das Rüstzeug für die verschiedenen Einsatzgebiete wie etwa Kinder- und Jugendarbeit, Altenpflege oder Naturschutz. Empfangen werden sie von zwei Dreigeschossern, den Zwillingen vom Campus Schwarzsee. Die sich gegenüberliegenden Gebäude in Holzbauweise dienen als temporäre Unterkünfte der Zivil­dienstleisten­den während ihrer Ausbildung. "Es ist etwas entstanden, an dem wir Freude haben, und das hoffentlich noch lange stehenbleiben wird", sagt Architekt Oliver Schmid über den im Frühjahr 2016 fertiggestellten Campus.

Wie ein Sechser im Lotto

Glückliche Zufälle ebneten den Weg für die Umnutzung des Areals. Die Schweizer Armee kündigte den Nutzungs­vertrag für die Unterkunft Schwarzsee inklusive Schiessplatz auf 2015. Nicht nur das. Auch eine belgische Orga­nisation, die jahrelang am Schwarzsee Ferienlager organisiert hatte, sprang vom Vertrag ab. Drohender Leer­stand in idyllischer Lage. Der Zufall spielte der Bauherrschaft, dem Hochbauamt Staat Freiburg, in die Hände. Ein Freiburger Staatsrat sprach sogar von einem "Sechser im Lotto". Denn zur gleichen Zeit suchte das Bundesamt für Bauten und Logistik neue Räumlichkeiten für die Ausbildung von Zivildienstleistenden. Die Idee für den Campus Schwarzsee war geboren: ein Areal, das das Ausbildungszentrum mit einem Sport- und Freizeitzentrum für Vereine, Schulklassen und Gruppen vereint. Mit dem Projekt konnte sich Freiburg gegenüber den Standorten Bern und Luzern behaupten.

Welche Bedeutung der neue Campus für die Region sowie die Vollzugsstelle für den Zivildienst hat, zeigte sich spätestens im Som­mer 2016: Immerhin eröffnete Bundespräsident Johann Schneider-Ammann den Campus Schwarzsee. Gefeiert wurde nicht nur das neue Ausbildungszentrum, sondern auch das 20-Jahr-Jubiläum des Zivildienstes und die Revision des Zivildienstgesetzes. Von Letzterem, so der Bundespräsident, erhoffe er sich eine verbesserte Ausbildung. Für die entsprechende Lern- und Arbeitsatmosphäre sorgen die beiden neuen, dreigeschossigen Zwillingsbauten (Gebäude C und D im Situationsplan). Und es ist nicht nur die Lage am südlichen Ende des Schwarzsees, umgeben von Grün, Bergen und Natur, die den Campus zu einem angenehmen Aufenthaltsort macht. Es ist auch die moderne Unterkunft mit mehr als 150 Zimmern, die ganz aus Holz besteht - von der Fassade über das Treppenhaus bis zu den eigens geschreinerten Möbelstücken. Die durch­ge­hen­­de Holzausstattung verleiht den Zimmern einen wohnlichen Charakter. Jedes hat vier Schlafplätze, Wandschrank, Tisch, Stuhl und Lavabo. Die Sanitärbereiche liegen ausserhalb der Zimmer. Die Korridore sind so angelegt, dass allerorts der Blick über die gros­sen Fenster in die Landschaft wandern kann.

Die Zwillinge in Holzbauweise sind die Neubauten auf dem weitläufigen Areal. Von der einstigen Truppenunterkunft erhalten geblieben sind drei Gebäude, die - modernisiert - den Campus vervollständigen. Da wären zum Beispiel die Schlafsäle der alten Militäranlage, die heute 20 moderne Kursräume be­herbergen (Gebäude B). Das Gemeinschafts­restaurant (Gebäude A) bekam einen neuen Schliff, so auch die Sporthalle (Gebäude E). Die neuen Holzbauten stehen im rechten Winkel zu den alten Gebäuden. So entsteht in deren Mitte ein grosser Hof. Ein breites Freizeitangebot rundet das Konzept des Campus Schwarzsee ab: Fitnessraum, Klet­terwände, Beachvolleyball-Felder, Fin­nen­­bahn und Rasen- sowie Aussensportplätze. Weiteren Ausgleich zu den Kursen bietet die Umgebung mit Minigolf, Tennis, Velotouren oder Skilaufen sowie Schlitteln im Winter.

Im Eilmarsch zum Doppelbau

Für den Umbau der Truppenunterkunft Schwarz­see und eine neue Nutzung des Areals hatte der Kanton Freiburg einen Gesamtleistungswettbewerb ausgeschrieben. Der Zuspruch ging an das Luzerner Unternehmen Schaerholzbau AG aus Altbüron, das auf individuell massgeschneiderte Holzbauten spezialisiert ist. Als Totalunternehmerin hat die Schaerholzbau AG den Campus von Anfang bis Ende begleitet und geplant - gemeinsam mit den in Biel und Freiburg tätigen 0815 Architekten. Die Aufgabe bestand darin, so etwas wie ein Low-Budget-Hotel zu schaffen, mit 156 Zimmern und 624 Betten. Es sollte moderne Ansprüche erfüllen und schnell realisiert werden. Der Zeitplan war knapp bemessen: Baueingabe war Ende 2014, schon ein Jahr später sollten die ersten Zivildienstleistenden einzie­hen. Die Bewilligung für das Projekt kam Mitte Februar 2015, Baubeginn der Zwillingsbauten war im März. Im Dezember wurde das erste Gebäude übergeben - gerade noch rechtzeitig vor dem Bezug Anfang Januar. Drei Monate später folgte der zweite Holzbau. Oliver Schmid vom verantwortlichen Architekturbüro 0815 Architekten erinnert sich an die Zeit: "Die Bauphase war intensiv. Aber: Es war weniger eine Baustelle, auf der wir gearbeitet haben, es war eher ein Vier-Sterne-Hotel. Wir hatten eine Abwartin, die sich ausgezeichnet um uns gekümmert hat. Sie hat Schlafplätze organisiert, Mahlzeiten ausgegeben und uns mit allem Nötigen versorgt."

Um den schnellen Baufortschritt zu ermög­lichen, hat Schaerholzbau mit modularen, vor­fabrizierten Einheiten gearbeitet. In jeweils nur drei Wochen konnten die Gebäude schliess­lich auf dem Campusareal aufgerichtet werden. Die Zwillingsbauten basieren auf einem einheitlichen Grundraster von 3,25 Metern. Die Zimmer wirken wie aus einem Guss. Schmid kannte die Wünsche der Bauherrschaft genau: Es ging um Zimmer, die robust sein sollten. Schreiner­möbel statt Schwedenware, anspre­­chend, aber spartanisch ausgestattet. Er wirkt zufrieden, wenn er sich heute das Ergebnis anschaut. Und nicht nur er: "Das Tolle an den fertigen Häusern ist, dass vom Maurer über den Installateur bis hin zu den Zimmerleuten, Schaerholzbau und wir Architekten alle sagen: 'Da haben wir etwas Schönes gemacht!'?"

680 Bäume oder 1000 Tonnen CO2

Der umweltfreundliche Baustoff Holz ist am Campus innen wie aussen allgegenwärtig. Allein die Hälfte davon stammt aus Schweizer Wäldern, was für eine nachhaltige und umweltbewusste Wertschöpfung spricht. Die Fassade besteht aus einer Weisstannenscha­lung, mit Holz direkt aus der Region Schwarzsee. Für die Zimmer wurde Fichtenholz, für das Treppenhaus Eiche verwendet. Schaerholzbau schreinerte die Stühle und Tische für die Zimmer aus den Resten der zugeschnittenen Holzelemente. Für die Zwillingsbauten am Campus wurden insgesamt 1300 Kubikmeter Holz verbraucht. Das entspricht rund 680 Bäumen. Dank der umfassenden Holzbauweise sind laut Schaerholzbau im Campus 1000 Tonnen CO2 gebunden. Dank den neuen Brandschutzvorschriften von 2015 war es möglich, das komplette Gebäude auf drei Geschossen inklusive Fluchtwege und Trep­penhäuser mit Holz zu realisieren. "Grundlage dafür ist unter anderem, dass über das ganze Gebäude hinweg eine Sprinkleranlage eingebaut ist", erläutert Roman Jungo, Kreis-Feuerinspektor Sense­bezirk Kanton Freiburg, die Brandschutzmassnahmen. "Mit der konse­quen­ten Umsetzung des Löschanlagenkonzeptes konnte der Feuerwiderstand der Tragwerke einfach erfüllt werden, was das aufwändige Konstruieren nichtbrennbarer Bauteile bei diesen zwei Gebäuden erübrigte."

Ziel war es, dass schon der Bau wie auch später die Nutzung so wenig Energie wie möglich verbrauchen. So wurde zum Beispiel eine Wärmepumpe eingebaut, mit der die aus den Zimmern gesaugte Luft das Wasser für die Duschen erwärmt. Auch das Verhältnis von Volumen zur Oberfläche ist so gestaltet, dass Begegnungszonen in den Korridoren entstehen, ohne dass dadurch die Energiebilanz gestört wird.

Das Projekt – die Fakten

Das Objekt: Neubau von zwei Gebäuden in Holzelementbauweise
Standort: Campus Schwarzsee, Schwarzsee (FR)
Bauherr: Staat Freiburg Hochbauamt HBA
Auftraggeber: Schaerholzbau AG Altbüron als Totalunternehmer für den Kanton ­Freiburg?/?Staat Freiburg Hochbauamt
Holzbau: Schaerholzbau AG als Totalunternehmer mit Werkgruppe, Altbüron (LU)
Architektur: 0815 Architekten, Freiburg
Brutto-Grundfläche: 2 x 3200 m?2
Geschosse: 3
Bauzeit: März 2015 bis März 2016
Volumen SIA 416: 27?464 m?3
Gesamtkosten: 17 Millionen CHF (Preis pro Zimmer 25?000 CHF)
Holzverbrauch: 1300 m?3
Herkunft Holz: 50 Prozent Schweiz, 50 Prozent Europa

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