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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

01/2017 Natur pur

Stil.Form

Der Riese von St. Moritz

Edy ist 19 Meter gross und besteht von Ski bis Helm aus Fichte. Er war die Symbolfigur der Ski-WM.

Zu den FIS Alpine Ski-Weltmeisterschaften 2017 stahl Edy der Wintersport-Elite die Show. Der überdimensionale Skifahrer stand als begehbare Bühne im Zentrum von St. Moritz - und im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Edy hatte den kompletten Überblick, als am 6. Februar der Startschuss zu den Wettkämpfen in St. Moritz 2017 fiel. Die Skiskulptur begleitete sämtliche Zeremonien und Medaillenvergaben im Kulm Park und wurde auch als Eventschauplatz bespielt. Projektionen, Tanz- und Klettershows sowie Fernsehmoderationen fanden während der Weltmeisterschaften im und auf dem Skifahrer statt. Hinter der Holzskulptur steckt eine überregionale Arbeitsgemeinschaft, in der vom Handwerk des klassischen Holzbaus bis hin zur parametrischen 3-D-Planung das ganze Spektrum an Know-how vertreten ist. Die Idee für den hölzernen Skifahrer stammt von der Zürcher Agentur Aroma.

Skulptur zu Ehren einer Legende

Vom Ski bis zum Helm misst Edy stolze 19 Meter. Vorbild und Namenspatron der Skulptur ist der Schweizer Skirennfahrer Edy Reinalter, der bisher als einziger Schweizer die Olympiamedialle im Slalom holte – 1948 bei den Olympischen Winterspielen in seinem Heimatort St. Moritz. Edy in Holz posiert in schnittiger Kurvenlage. Damit er dabei nicht umkippt, stützt ihn ein zwölf Meter hoher Holzturm, der sich hinter seinem Rücken versteckt. Der Turm ist nicht nur Stütze, sondern zugleich auch Treppenhaus und Zugang für die verschiedenen Plattformen im Inneren. Die Hülle ist aus über 600 per CNC-Technik zugeschnittenen Holzdreiecken zusammengesetzt. Die digitale Planung führte das Zürcher Büro Design-to-Production durch, so dass aus dem detaillierten digitalen Modell direkt die Fertigungsdaten für den computergesteuerten Zuschnitt erzeugt werden konnten. Für die fast eintausend individuellen Verbindungen an den Kanten wurden parametrische Details entwickelt, die sich präzise vorfertigen und damit sehr einfach montieren liessen. Durch eine ausgeklügelte Nummerierung und umfassende Informationen auf den ausgefrästen Platten konnte der Skifahrer in nur drei Wochen aufgestellt werden.

Die Fertigung und die Montage stellten die Holzbauer vor diverse Herausforderungen. Gemäss Andri Freund, Inhaber und Leiter der A. Freund Holzbau GmbH Samedan, wurden dafür auch die sonst üblichen Betriebsferien ab Weihnachten verschoben. Die Ausmasse von Edy und das erstmalig unter diesen Bedingungen und Vorgaben angewandte Fertigungsverfahren erforderten einen Grosseinsatz. Die Montage im Kulm Park St.Moritz war auch eine logistische Meisterleistung. Die Ski sind 15 Meter lang, fast zwei Meter breit und wiegen zusammen mehr als sechs Tonnen. Die Skistöcke bestehen aus zwei Fichtenstämmen von je 14 Metern Länge und einem Durchmesser von 20 Zentimetern. Hinzu kommt noch der Rest des Körpers, der aus 637 dreieckigen, fünf Zentimeter dicken Mehrschichtholzplatten besteht – beinahe alle in unterschiedlichen Grössen und Formen. Die Einzelteile von Edy wurden in Samedan bei A. Freund Holzbau GmbH vorgefertigt und gelangten via Spezialtransport nach St. Moritz.

 

Ein Detail für 1000 Verbindungen

Die Bauteile sind an den Kanten in unterschiedlichen Winkeln statisch wirksam und optisch sauber verbunden. Um im engen Zeitplan des Projekts die Planung, Produktion und Montage von 993 individuellen Verbindungen zu ermöglichen, wurde ein parametrisches Detail entwickelt: Das Detail ermöglicht alle Winkel zwischen 68 und 320 Grad mit nur zehn unterschiedlichen Typen von Verbindungshölzern, die von innen angeschraubt und verleimt sind. Bei der Vorproduktion übernahm ein präziser CNC-Schnitt entlang der Plattenkante die Feinjustierung der Winkel.

Die dreieckigen Holzelemente wurden in der Werkstatt der A. Freund Holzbau GmbH zu 22 Körperteilen vormontiert und erst auf der Baustelle zusammengesetzt. Bei der Segmentierung mussten sowohl statische Anforderungen als auch das maximale Transportvolumen und der Montageablauf berücksichtigt werden. Zur Qualitätssicherung und um die Montage zu vereinfachen, wurden direkt beim Zuschnitt Laufzettel mit allen nötigen Informationen auf die Bauteile geklebt: Für jedes Dreiecks-Paneel wurden Bauteilnummer, Körperteil, Nachbarpaneele, Masse, Winkel sowie Verbindungstypen angegeben. Intensive Vorbereitungen wie diese machten den Skifahrer zu einem einfachen Montagebausatz.

Die A. Freund Holzbau GmbH aus Samedan baute und montierte das Holzmonument in St. Moritz – unter der Leitung von Holzbauingenieur Andri Freund. Die Beteiligung am Projekt Edy fusst auf blindem Vertrauen zu seinem Fachkollegen Hermann Blumer. Denn Blumer fragte Andri Freund, ob er bei dem Projekt dabei sein wolle. Dieser sagte sofort zu, ohne genau zu wissen, worum es bei dem Auftrag genau handelte. Welche Herausforderungen zu meistern waren, davon erzählt Andri Freund im Interview.

 
Sie führten die Holzbauarbeiten aus und montierten Edy. Herr Freund, worin lag die grösste Herausforderung?

Andri Freund: Die Skulptur ist in ihrer Grösse und Machart einzigartig. Wir konnten auf keinerlei Erfahrungswerte zurückgreifen. Als wir den Auftrag annahmen, wussten wir nicht, ob und wie wir das schaffen. Insbesondere die Terminplanung war eng: Wir erhielten den Auftrag erst Ende Oktober 2016. Edy sollte Ende Januar 2017 stehen. Wir wussten lange nicht, wann die einzelnen Holzdreiecke geliefert werden, wie lange die Vorfertigung dauern würde, ob unser Platz und die Arbeitskraft reichen, ob die Kalkulation passt. Diese Fragen haben mich anfangs sehr beschäftigt.

Das bedeutet, dass Sie mit vielen Ungewissheiten zu kämpfen hatten. Welche Faktoren haben zum Gelingen beigetragen?

Die 637 Dreiecksflächen, aus denen die Skulptur besteht, waren sehr präzise zugeschnitten und beschriftet. Das hat uns zeitlich in der Vorfertigung in die Karten gespielt, da wir sehr zügig arbeiten konnten. Das dazugehörige Laufblatt informierte exakt, an welcher Kante welches Dreieck anzubringen war. Somit musste keine Zeit damit verschwendet werden, die Elemente zusammenzusuchen. Bei der Montage vor Ort, im Kulm Park St. Moritz, fanden wir nahezu ideale Bedingungen vor: genügend Platz für den Aufbau und fast jeden Tag Sonnenschein. Mithilfe eines Krans und von Lasertechnologie wurden die Teile dann im korrekten Winkel montiert.

Die Logistik stellt in einem Bauprojekt einen wesentlichen Zeit- und Kostenfaktor dar. Welche Probleme mussten Sie hier lösen?
Das Thema hat uns gleich zu Beginn der Vorproduktion beschäftigt: Wie gross können wir die einzelnen Körperteile machen? Welches Limit gilt beim Sondertransport? Wie befestigen wir die einzelnen Teile? Wir konnten nicht – wie sonst üblich – die Elemente einfach auf die Pritsche legen. Schlussendlich standen für die Vorproduktion die Maximalmasse von einer Breite von dreieinhalb Metern und einer Höhe von vier Metern fest. 13 Sondertransporte und 20 Kleintransporte hat es gebraucht, um die Skulptur zu ihrem Standort zu bringen.

Was soll mit Edy nach seinem grossen WM-Auftritt passieren?

Wenn ich das wüsste, wäre ich auch ein Stück glücklicher. Wir müssen ihn wahrscheinlich nicht sofort demontieren und er darf noch eine kurze Zeit im Kulm Park St. Moritz stehen bleiben. Um einen späteren Wiederaufbau zu ermöglichen, wäre eine vorsichtige Demontage wichtig, die etwa zwei Wochen dauert. Ich wünsche mir, dass Edy ein neues Zuhause bekommt und nicht einfach so verschwindet. Er ist für die Ski-WM schon so etwas wie ein Wahrzeichen geworden. Ich könnte mir vorstellen, dass er hier in unserer Skiregion, im Oberengadin, einen neuen Standort findet. Einfach wird es sicher nicht. Edy braucht viel Platz: Er misst vom tiefsten bis zu seinem höchsten Punkt 19 Meter, alleine seine Ski haben eine Länge von 15 Metern.

stmoritz2017.ch
, creation-holz.chfreund-holzbau.ch, designtoproduction.com


Edy in Zahlen

Schuhgrösse des Skifahrers: 540
Anzahl der Dreiecksflächen: 637
Anzahl der Verbindungskanten: 993
Aussenfläche der Hülle: 463 m2
Netto-Holzvolumen: 24,2 m3
Gewicht: 35 Tonnen
Gesamtlänge der Sägeschnitte: 4875 km


Das Projekt – die Fakten

Das Projekt: 19 Meter hohe Skulptur Edy
Standort: St. Moritz
Baujahr: 2017
Bauherr: Aroma Productions AG, Zürich
Beratung: Création Holz, Hermann Blumer, Herisau (AR)
Holzbau: A. Freund Holzbau GmbH, Samedan (GR)
Statik: Sblumer ZT, Graz (AT)
Details: IHT Rafz Ingenieurholzbau + Holzbautechnik GmbH, Rafz (ZH)
Zuschnitt: Bearbeitungs- und Zuschnittzentrum AG, Leibstadt (AG)
Digitale Planung: Design-to-Production, Zürich

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