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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

01/2017 Natur pur

Wohn.kultur

Die Talentschmiede für den Biathlon

Ein langer Atem und Leidenschaft zahlen sich aus – im Sport wie auch im Bauwesen. Jüngstes Beispiel dafür ist das Nordic House. Es ist Wettkampfgebäude, Trainings- sowie Eventlocation in einem und vervollständigt als letztes Mosaikstück die Biathlon Arena Lenzerheide.

Text Sandra Depner, PD | Fotos Ralph Feiner

An diesem frostigen Morgen laufen sich die Biathleten aus der Schweiz und dem Ausland warm. Sie drehen in Ruhe ihre Runden auf der spärlich beschneiten Langlaufspur. Es ist ein sonniger, aber eisiger Tag Anfang Dezember. Nur eine schmale Schneespur deutet auf den Sportbetrieb in der Biathlon Arena Lenzerheide hin. Schuld an den mageren Schneeverhältnissen ist eine ungewöhnlich warme Föhnphase, die schweizweit für warme Luft sorgt und auch diese Region nicht verschont. Ein sehr schlechtes Timing, so kurz vor dem Start der Saison, die jetzt nur noch von Schneekanonen gerettet werden kann. Während für die Sportler der Startschuss zum Alpencup erst in zwei Stunden ertönt, wird unweit der Wettkampfanlage schon gefeiert: die Eröffnung des Nordic House, eines multifunktionalen Neubaus in Holzbauweise.

Schweizer Kompetenzzentrum für den Biathlon

Seit 2013 ist die Biathlon Arena Lenzerheide als erste und einzige wettkampftaugliche Anlage der Schweiz in Betrieb. Ihre sechs beschneiten Langlaufstrecken sind in das 56 Kilometer lange Langlaufnetz der Region integriert. Die Anlage hat eine vollautomatische Schiessanlage mit weltcupkonformen Standplätzen. Mit dem Nordic House als Trainings-, Lager- und Wettkampfgebäude für Biathleten und andere Sportler wurde eine Vision zur Realität, die vor mehr als zehn Jahren auf dem Papier begann. Möglich gemacht hat das ein engagiertes Team aus Architekten, Ingenieuren, Holzbauern und Handwerkern - vor allem aber die Begeisterung für den Biathlon und die Region Lenzerheide, die die Bauherrschaft zum Bau antrieb. "Das Nordic House ist für mich ein Leidenschaftsprojekt", sagt Investor Michael Hartweg. Seine Motivation ist, den Biathlon in der Schweiz aus der Nische der Randsportarten zu holen und Begeisterung für diese Wintersportart zu wecken. Die Biathlon Arena Lenzerheide will als Kompetenzzentrum die Schweizer Nachwuchstalente fördern und aufs Siegertreppchen bringen. Nicht nur das: Die Anlage im Bündnerland ist nun auch offiziell Schauplatz internationaler Wettkämpfe. Im Februar 2017 erteilte die Internationale Biathlon-Union (IBU) die A-Lizenz für die Arena als Austragungsort für den Biathlonweltcup und die Weltmeisterschaften.

Entlang der Kantonsstrasse zwischen Lenzerheide und Lantsch/Lenz blitzt zwischen den Bäumen immer wieder ein Streifen der Langlaufstrecke auf. Von der Strasse abgewandt, bildet das Nordic House das Zentrum der Biathlon Arena Lenzerheide. Der Entwurf für das vierstöckige Gebäude stammt vom Churer Architekten Pablo Horváth. Federführend war die Uffer AG aus Savognin (GR) als Generalunternehmer für den Holzbau mit Massivkern. Der Neubau liegt nahe beim Schiessstand am Rande einer Waldlichtung. Er vermittelt als wichtiger Anlaufpunkt zwischen der Sportanlage und dem Publikum. Das langgezogene Volumen ist in Kopf- und Längsteil gegliedert. Es öffnet sich damit dem Besucher und der Anlage zugleich. Der kronenartige Dachabschluss akzentuiert den Kopfbau und gibt die Aussicht frei auf die Wintersportanlage. Die Längsfassade mit den Bandfenstern richtet sich nach Süden - zu Betrieb und Publikum hin. Die Nordseite ist zum nahen Nadelwald gewandt. Im plastisch hervortretenden Kopfbau liegen die grossen, öffentlichen Räume wie Bistro, Seminarraum und Athletikraum. Im kleinteilig strukturierten Längsteil hingegen befinden sich die Unterkünfte für etwa 60 Personen, Nasszellen, Garderoben und Büros. Die vertikale Erschliessung erfolgt durch den aussteifenden Betonkern im Kopfbau und die markante externe Kaskadentreppe.

Fassade mit Kontrasteffekt

Verschiedene Aussenräume ergänzen das Angebot des Betriebsgebäudes. Ebenerdig lädt ein gedeckter Aussensitzplatz sein. Die grosse, offene Terrasse im ersten Obergeschoss öffnet sich Richtung Zielgelände der Biathlonanlage. An höchster Stelle - auf der teils überdachten Aussichtsplattform im dritten Obergeschoss - erwartet den Besucher ein freies Panorama auf den Wettkampfbereich und die umliegenden Berge. Das Ziel des Architekturbüros Pablo Horváth war es, dem Baukörper Dynamik zu verleihen: durch architektonische Elemente wie die Länge des Volumens, die Bandfenster, die dramaturgisch inszenierte Kaskadentreppe sowie die horizontale Gliederung über das umlaufende, weisse Gesimse aus Metall. Zwischen dem strukturgebenden Gesimse schafft die dunkle Fassade aus Weisstanne einen warmen Kontrast zu den weissen Strukturlinien und der verschneiten Winterlandschaft. Die statische und bauphysikalische Planung des Holzbaus erfolgte bei Pirmin Jung Ingenieure. Das Untergeschoss in Massivbauweise mit Technikräumen, Lager und Schiesskeller bildet das Fundament des Nordic House. Es ist in Massivbauweise aus Stahlbeton und Mauerwerk erstellt und leitet die horizontalen und vertikalen Lasten von Wind, Schnee und Erdbeben in den Baugrund ab. Auch das Treppenhaus ist in Massivbauweise erstellt.

Über das massive Untergeschoss stülpt sich ein vierstöckiger Holzbau aus vorgefertigten Elementen. Damit setzt das Nordic House konstruktiv auf Holzbauweise. Die Details des Holzrahmenbaus erklärt Holzbauingenieur Lukas Wolf von Pirmin Jung Ingenieure: "Die Aussenwände bestehen aus 30 Zentimeter dicken, ausgedämmten und beplankten Rahmenbauelementen. Ebenso sind die meisten Innenwände als Rahmenbauelemente konzipiert. Die Innenwände mit aussteifender Funktion wurden mit grossformatigen Brettsperrholzplatten gefertigt. Die Decken bestehen aus vorfabrizierten, mit Splitt gefüllten Hohlkastenelementen." Im Vorfeld war unter anderem der geforderte Bauabschluss Ende 2016 entscheidend dafür, dass das Nordic House in vorfabrizierter Holzbauweise erstellt wurde. Der Bau startete im Frühjahr 2016 mit den Erdarbeiten. Im August war die Gebäudehülle dicht und der Ausbau konnte beginnen. Im November wurde das Nordic House nach nur sieben Monaten Bauzeit an die Bauherrschaft übergeben.

Ein Gebäude, viele Funktionen

Die Realisierung des neuen Wettkampfgebäudes der Biathlonanlage hat die Uffer AG und ihre Subunternehmer während der Bausaison 2016 stark geprägt. Laut Geschäftsführer Enrico Uffer lag die grösste Herausforderung in dem Anspruch, das Nordic House für eine multifunktionale Nutzung auszulegen. Denn das Gebäudekonzept sollte im Normalbetrieb funktionieren, aber auch im Ausnahmezustand bei internationalen Grossanlässen. Die Multifunktionalität sollte jedoch im Einklang mit der gewünschten Bauqualität sowie den Terminen und Kosten umgesetzt werden. Das architektonische Konzept des Nordic House sieht vor, dass das Gebäude vielseitig genutzt werden kann. Mit dem Treppenhaus im Inneren und der externen Kaskadentreppe können die Betreiber des Nordic House die Wege der Besucher entflechten und somit zeitgleich unterschiedliche Veranstaltungen auf den vier Geschossen durchführen. Auch die einzelnen Räume sind sehr flexibel und können einfach umgestaltet werden. Im Haupttrakt stehen drei Räume zur Verfügung, die je nach Bedarf angepasst werden. Der grösste davon ist der Athletikraum im zweiten Obergeschoss mit 120 Quadratmetern. Die beiden anderen Räume - ein Seminarraum im ersten Obergeschoss und das darunterliegende Bistro - messen jeweils 80 Quadratmeter. Da die Bauherrschaft für das Nordic House eine A-Lizenz von der Internationalen Biathlon-Union (IBU) anstrebte, mussten diverse weitere Kriterien erfüllt werden, um künftig Weltmeisterschaften und Weltcups austragen zu können. Laut Bauherr Michael Hartweg haben die Architekten, Ingenieure und Handwerker diese hervorragend umgesetzt: "Bei Bedarf können nun beispielsweise die Schlafräume im Nordic House dank Klappbetten mit wenigen Handgriffen in Medien- und Funktionärsräumlichkeiten umgewandelt werden. Das ist konform mit den Anforderungen der IBU."

Neben dem Nordic House entstanden im Sommer 2016 auch weitere Infrastrukturbauten wie beispielsweise die Unterführungen und WC-Anlagen. Damit wurden laut Bauherrschaft alle Anforderungen für den Erhalt der A-Lizenz der IBU erfüllt. Daneben öffnet sich das Nordic House als Eventlocation das ganze Jahr über auch für andere Veranstaltungen. Eingebettet in die Bündner Bergwelt, eignet es sich für Firmenanlässe, Team-Building-Events und exklusive Abende. Im sportlichen Bereich können Biathlon- oder Langlauf- Schnupperkurse mit professionellen Trainern gebucht werden. biathlonarena.ch, pablohorvath.ch, uffer.ch, pirminjung.ch



Das Projekt – die Fakten

Das Projekt: Nordic House, Biathlon Arena Lenzerheide,
Lantsch/Lenz (GR)
Bauherrschaft: Biathlon Arena Lenzerheide AG, Lantsch/Lenz
Architekt: Pablo Horváth, Architekt SIA/SWB Chur
Holzbauingenieur: Pirmin Jung Ingenieure AG, Sargans (SG)
Generalunternehmer, Holzbauarbeiten: Uffer AG, Savognin (GR)
Verwendetes Holz: Fassadenverkleidung aus druckimprägnierter Weisstanne 45 m3, 3-Schicht-Platten 120 m3, Brettsperrholz 80 m3, Brettschichtholz 70 m3; Duo / KVH 180 m3, 15-mm-Gipsfaserplatten 60 m3, 15-mm-OSB-Platten 15 m3
Chronologie: Projektwettbewerb 2013, Baueingabe 2015, Realisierung 2016

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