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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

02/2017 Willkommen

Wohn.kultur

Haus am See

Schlicht, minimalistisch, aber alles andere als einfach: Das ist das Ferienhaus am Untersee. Der lang gezogene Kubus öffnet sich über eine breite Fensterfront zum See. Für ein ungestörtes Panorama gingen Architekt und Holzbauer bei der Konstruktion ans Limit.

Text Sandra Depner | Fotos Dransfeld Architekten AG

Das sind beste Bedingungen für ein Ferienhaus: Es liegt direkt am See, das Ufer ist dünn besiedelt und touristisch wenig genutzt. Mit dem Standort – ein Seegrundstück auf der Schweizer Seite des Untesees, ein Teil des Bodensees – war die private Bauherrschaft auch mehr als zufrieden. Mit dem in die Jahre gekommenen, alten Ferienhäuschen weniger. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts entstand zwischen den alten Dörfern um Steckborn und Berlingen eine Reihe einfacher Ferienhäuschen. «Das war ein solches Häuschen, eher eine Hütte, in fast baufälligem Zustand», sagt der Architekt Erkan Gönc, Dransfeld Architekten AG. Dieses sollte er mit einem Neubau ersetzen. Seit Mai 2016 verbringt die Bauherrschaft die Freizeit nun in dem Ferienhäuschen an privilegierter Lage zwischen Hang und See. Es präsentiert sich als puristischer Bau, ausgebildet als schwebender Quader. Gefertigt ist das Haus in vorfabrizierter Holzelementbauweise; die Aufrichte dauerte nur einen Tag.

Die Wünsche der privaten Bauherrschaft an das neue Ferienhaus waren klar: Der neue Baukörper sollte Schlichtheit, Transparenz und zugleich eine gewisse Eleganz ausdrücken sowie einen freien Sichtbezug zum See bieten. Es sollte ein modernes, grosszügiges Wochenend- und Ferienhaus mit zeitgemässer Infrastruktur entstehen, das die besondere Lage am See aufnimmt. «Die Antwort ist ein innen wie aussen aufs Wesentliche reduzierter, länglicher, sehr klar gegliederter und über dem Hanggrundstück gleichsam schwebender Quader. Dank seiner schlichten Holzfassade, eine Rhomboidschalung aus Douglasie, nimmt er sich im durchgrünten Seeufer zurück», sagt Erkan Gönc.

Reduktion prägt den Ausdruck: klare Körper, einfache Räume, ruhige Flächen und schlichte Details, eine einheitliche gestalterische Sprache bei den Einbauten. Reduktion lautet auch das Stichwort beim konstruktiven Konzept, das auf einem Holzelementbau basiert. In dem klar strukturierten Quader bildet das Wohnzimmer den Hauptraum. Die angrenzende Terrasse schafft einen fliessenden Übergang zum See – insbesondere durch die grosszügige Glasfassade, die durch verschiebbare Elemente die Grenzen zwischen innen und aussen aufhebt. Das neue Ferienhaus kombiniert einen hohen Gebrauchsnutzen mit gehobenen gestalterischen Ansprüchen.

 

Panorama ohne Hindernisse

Die Montage der vorgefertigten Elemente konnte innert eines Tages abgeschlossen und die Bauzeit dank optimaler Koordination vom Spatenstich bis zum Bezug auf sechs Monate begrenzt werden. Für den Holzbau beauftrage der Architekt die Zimmerei Raschle Holzbau AG aus Kreuzlingen (TG). Dort war Roman Vollenweider, Zimmermann und Polier, als Projektleiter für die Arbeiten verantwortlich. Bei dem Ferienhaus am Untersee handelt es sich grundsätzlich um eine einfache Konstruktion. Wären da nicht die Herausforderungen im Detail. Die Anzahl der tragenden Wände ist auf ein Minimum reduziert, um das Panorama am Ufer einzufangen. Das führt zu Spannweiten der Decken von bis zu 15 Metern und erschwerte die Aussteifung des Gebäudes. Bei der Ausführung und der Prüfstatik wurde Roman Vollenweider vom Holzbauingenieur Stefan Heinzer (AG für Holzbauplanung) unterstützt: «Das war nötig, da die Decke 15 Meter gespannt wurde und für das Auflager sehr wenig Wände zur Verfügung standen. So mussten die Deckenelemente überhöht konstruiert werden, damit allfälligen Verformungen Rechnung getragen werden konnte.» Die Längsaussteifung wird über die Dachscheibe auf die Wände übertragen. Das Kompaktdach ist extensiv begrünt. Die Randrippen des Dachelements sind durchlaufend und die Mittelrippen laufen quer dazu. Sie sind im Bereich der Innenwände eingezapft und dienen dort als Auflager der Dachkonstruktion. Die Elemente sind 2,5 auf 15 Meter gross. Laut Roman Vollenweider sind diese Masse am Limit des Möglichen. «Über der Fensterfront wurde ein Verstärkungsträger aus Brettschichtholz mit den Dimensionen 100 auf 400 Millimeter mit den Rippen verleimt. Die Dachelemente sind untereinander verschraubt und bilden eine Dachscheibe», erklärt der Zimmermann. «Diese ist zusammen mit den u-förmigen Innenwänden und den Aussenwänden für den horizontalen Lastabtrag verantwortlich.»

 

Holz, wohin man schaut

Um dem Baukörper eine schwebende Wirkung zu verleihen, wurde die Bodenkonstruktion auf zehn Punktfundamente gestellt, und vier gleiche Bodenelemente wurden zu einer statischen Scheibe verschraubt. Aussen eine Rhomboidschalung aus Douglasie vorvergraut, innen ein Parkettboden aus Räuchereiche, Wand und Decke aus astreinen Schulerplatten – also Holz, wohin man schaut. Da es sich um ein kleines Ferienhaus handelt, mussten keine besonderen Schallschutzvorgaben entwickelt werden. Auch im Brandschutz waren aufgrund der Eingeschossigkeit und der einfachen Fluchtmöglichkeiten keine besonderen Ansprüche zu beachten, so dass der Verwendung von Holz in Konstruktion und Oberflächen kaum Grenzen gesetzt waren.

Die Bauherrschaft wünschte sich bei dem neuen Ferienhaus einen Holzbau. Die Gründe waren wirtschaftlicher, terminlicher, aber auch ökologischer Natur. Bei der Dransfeld Architekten AG war die Bauherrschaft da an der richtigen Adresse, wie Architekt und Mitglied der Geschäftsführung Erkan Gönc erzählt: «Wir bauen meist mit Holz und sind von diesem Baustoff begeistert. Holzbau kann aus unserer Sicht fast alles leisten.» Was das in der Praxis bedeutet, zeigen aktuell geplante Holzbauprojekte des Ermatinger Architekturbüros: eine Plus-Energie-Schule, ein 40 Meter hoher Aussichtsturm oder eine solare Wellnessanlage. «Schon unser erstes Projekt, das Berghaus auf der Hundwiler Höhe, wurde 1994 konsequent als Holzbau geplant», fügt Erkan Gönc hinzu.

 

Leichtigkeit dank Kooperation

Das Ferienhaus wirkt ausgesprochen einfach. Im Detail stellte der nahezu schwebend scheinende Holzkorpus die Planer jedoch vor Herausforderungen. Die Lösungen wurden von Architekt und Holzbauer gemeinsam gesucht und gefunden. «Nur dank partnerschaftlicher Arbeit konnten die gesetzten Ziele in Bezug auf architektonische Gestaltung, konstruktive Klarheit, Wirtschaftlichkeit und kurze Bauzeit erreicht werden», sagt Erkan Gönc im Nachhinein. Auch Zimmermann Roman Vollenweider schätzt die gute Zusammenarbeit: «In einem interdisziplinären Prozess haben wir den Entwurf verfeinert und umgesetzt. Als Holzbauer waren wir von Anfang an dabei. Das ist gut. So wurden uns die Konstruktionsdetails nicht vorgegeben. Wir haben sie erarbeitet und mit dem Architekten abgestimmt.» Die gute Kooperation spiegelt sich auch in dem schnellen Ablauf wieder: Die Produktion der Elemente begann Mitte November 2015, Anfang Dezember wurde das Ferienhaus an nur einem Tag aufgerichtet. Ende April 2016 konnten die Arbeiten und das Projekt abgeschlossen werden. Architekt Erkan Gönc würde es schätzen, wenn es häufiger Gelegenheiten wie diese gäbe, im gegenseitigen Austausch nach den besten Lösungen zu suchen.
dransfeld.ch, raschle-holzbau.ch


Entweder – oder?

Peter Wyler muss sich entscheiden:

Küche oder Stube?

Küche. Eine Küche mit dem Esstisch ist das Zentrum der Familie. Stuben werden reduziert gebaut, weil sie nicht mehr der Mittelpunkt des Hauses sind.
 
Fassade mit oder ohne Holz?

Mit Holz. Ich glaube, eine Holzfassade gibt dem Gebäude den gewissen Charme und charakterisiert das Bauwerk als Holzbau.
 
Flachdach oder Satteldach?

Satteldach. Die Dachform hat bei uns Tradition und ist sicher die bessere Lösung.
 
Alpines Chalet oder nüchterner Bauhausstil?

Eindeutig das Chalet – aber mit modernen und grossen Fenstern. Ein Chalet mit Verzierung hat am richtigen Ort seine Berechtigung und ist etwas Wunderschönes.


Peter Wyler – Sein Engagement für die Branche

Peter Wyler ist eidg. dipl. Holzbau-Meister und Holzbau-Techniker. Sein Engagement für die Branche begann 2006 als Vorstandsmitglied der Sektion Berner Oberland von Holzbau Schweiz und 2007 als Prüfungsexperte. 2011 wurde er in die Zentralleitung Holzbau Schweiz gewählt und war für das Thema Bildung zuständig. Nach acht Jahren im Amt verabschiedet er sich diesen Sommer aus der Zentralleitung. Ein besonderes Erfolgserlebnis in seiner Amtszeit wird er in Erinnerung behalten: «Die Umsetzung der vierjährigen Lehre. Das war ein Riesenschritt für unsere Branche.»


Die Konstruktion im Detail

Bodenaufbau von unten nach oben:

Beton-Punktfundamente

Riemenboden Tanne

Windpapier

Balkenträger aus BSH ausgekämmt mit Zellulose

3-Schichtplatte 

Parkettboden Räuchereiche 

 

Wandaufbau von aussen nach innen:
Rhomboidschalung Douglasie vorvergraut

Hinterlüftung 

Windpapier

Egger Formline DHF

Rahmenholz ausgedämmt mit Zellulose

Schulerplatten Stabsicht AB astrein

 

 

Dachaufbau von innen nach aussen:

Schulerplatten Stabsicht AB astrein

Rahmenholz ausgedämmt mit Zellulose

3-Schichtplatte 

Gefälledämmung

Bitumenabdichtung

extensive Begrünung


Das Projekt – die Fakten

Objekt: Ferienhaus am Untersee, Ersatzneubau in Steckborn (TG)
Baujahr: 2016
Bauherrschaft: privat
Architektur: Dransfeld Architekten AG, Ermatingen (TG)
Zimmerei: Raschle Holzbau AG, Kreuzlingen (TG)
Schreinerei: Brüngger AG, Bichelsee (TG)
Verwendetes Holz: Brettschichtholz 7,5 m3, Duo-Holz Fichte C24 11 m3,
Dreischichtplatten 350 m2, Schulerplatte 185 m, Rhomboidschalung Douglasie 120 m2
Geschossfläche SIA 416: 90 m2
Gebäudevolumen SIA 416: 292 m3
Kosten: CHF 440?000.–


Dransfeld Architekten AG

1994 gründete Peter Dransfeld das Architekturbüro in Ermatingen. Dransfeld  Architekten verstehen sich trotz gewisser Schwerpunkte im Holzbau, in energie- effizientem Bauen und Denkmalpflege als Generalisten. «Zu einer Bausumme von rund 80 Millionen Franken, die wir bisher betreuen durften, zählen mehrere preisgekrönte Solarhäuser, drei Schulbauprojekte, zwei grössere Bahnhöfe und zwei Museen», sagt Erkan Gönc, Architekt und Mitglied der Geschäftsleitung.

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