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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

02/2017 Willkommen

FOKUS.THEMA

Willkommen im Baumhaus

«Albero» heisst das neue Restaurant am Golfpark Holzhäusern. Das ist kein Zufall, denn das italienische Wort «albero» bedeutet Baum. 14 Tannenstämme ragen vom Erdgeschoss bis in die oberste Terrassenebene. Sie verbinden und tragen die Konstruktion – und sie sind das Ergebnis der engen Zusammenarbeit zwischen Architekt und Fachplanern.

Text Sandra Depner | Fotos Strüby Holzbau AG, Fahrni Partner Architekten GmbH, Marco Sieber

Golf ist elitär, eine exklusive Freizeitaktivität, den oberen Zehntausend vorbehalten. Oder? Die Migros-Genossenschaft sieht das ganz anders: Golf ist Breitensport. Das beweist sie mit acht öffentlich zugänglichen Anlagen, verteilt in der ganzen Schweiz. Das Ziel ist, das elitäre Image zu wandeln: Hier ist Golf ein Sport für Familien und Naturbegeisterte jeden Alters. Ob elitär oder nicht, eines ist sicher: Sportlich sollten Golfbegeisterte jedenfalls sein. Denn bei einer gemütlichen Golfrunde können schnell bis zu zehn Kilometer zusammenkommen.

21 Millionen abgeschlagene Bälle, 400 000 Runden Golf. Das ist die jährliche Bilanz der Migros-Golfparks in der Schweiz. Die älteste Anlage ist der Golfpark Holzhäusern in der Zentralschweiz: 1995 erstellt, umfasst er eine 18-Loch-, eine 9-Loch- sowie eine 6-Loch-Anlage. Dass dieser Golfpark sehr beliebt ist, zeigt seine Statistik: Auf der rund 960 000 Quadratmeter grossen Areal in Holzhäusern werden jährlich mehr als 100 000 Runden Golf gespielt. Über 20 Jahre Golfbetrieb sind an der Anlage und der Infrastruktur jedoch nicht spurlos vorbeizogen.

 

Ein Haus, drei Restaurants

Die Betreiberin, die Genossenschaft Migros Luzern, hat den Golfpark Holzhäusern nun für die Zukunft fit gemacht: mit einem modernen Restaurantgebäude und Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur. Angefangen wurde mit der Renovation des Restaurantgebäudes. Das im Mai 2016 neu eröffnete «Albero Restaurants und Events» begrüsst Golfer, Besucher, Firmen, Ausflügler oder ganze Feiergesellschaften. Zunächst wurde das bereits bestehende Restaurant auf das Tragwerk in Massivbauweise zurückgebaut. Der Bau wurde daraufhin mit einem Holzbau erweitert und aufgestockt. Neu hinzugekommen ist ebenfalls eine dreistöckige Holzterrasse, die angewinkelt zum Holzbau den Blick auf die Greens der Golfanlage und auf den Zugersee freigibt. Acht Monate dauerte die Bauzeit.

Das Gastronomiegebäude «Albero» ist ein dreistöckiger Hybridbau. Im Bestandsbau sind der Liftschacht und der Erschliessungsbereich ausgebildet. Im Erdgeschoss befinden sich das Selbstbedienungsrestaurant mit 150 Sitzplätzen sowie die Küche. Ein Stockwerk höher lädt das «Albero Stübli» zu gemütlichen und privaten Treffen mit bis zu 40 Personen ein. Daran angeschlossen ist eine nordwärts gerichtete, unbedeckte Terrasse. Ganz oben bittet die «Albero Gaststube» bis zu 150 Personen zu Tisch. Saisonspezialitäten und regionale Küche werden hier auch auf der grossen Terrasse serviert. Für die Fassade kam druckimprägniertes Fichten- und Tannenholz zum Einsatz, was dem Gebäude ein einheitliches Erscheinungsbild verleiht. Der Terrassenanbau besteht aus Tannenholz mit 14 tragenden Weisstannen. Dass das Restaurant nach der Renovation vor allem Holz zeigt – ob an der Fassade, bei der Terrasse oder im Innenausbau – das liegt auch am Standort: Der Umbau ist in Analogie zum benachbarten landwirtschaftlichen Weiler Katharinenhof entstanden und orientiert sich sowohl in der Farb- als auch in der Materialwahl daran.

Das Konzept: flexibel und selbstständig

Das architektonische Konzept stammt von Fahrni Partner Architekten aus Luzern. Demnach soll der Baukörper äusserlich als möglichst geschlossenes Volumen in Erscheinung treten – ein starker Kontrast zu der offen gestalteten Terrasse. Um diesen Effekt zu verstärken, wurde an der Fassadenschalung des Baukörpers eine weitere Schicht vertikaler Holzlamellen angebracht, die vor allem im Bereich der nicht öffentlichen Räume vor den Fenstern angeordnet sind. Je nach Blickwinkel erscheint die Fassade an diesen Orten halb offen oder geschlossen. Aufgabe der Architekten war es auch, die Betriebsabläufe zu optimieren und die Nutzungsmöglichkeiten zu erweitern. «Der Aussenraum war zuvor auf vier unterschiedliche Niveaus verteilt. Dies ist weder für den Selbstbe-
dienungsbereich optimal noch für das À-la-carte-Restaurant», sagt Architekt Sacha Fahrni von der Fahrni Architekten GmbH aus Luzern. Er und Projektleiter Daniel Hug erarbeiteten den architektonischen Entwurf zum Umbau.

Ein früherer Umbau im Jahr 2004 fügte dem Bestandsbau von 1995 ein weiteres Geschoss hinzu – dieses sei jedoch für die hier vorgesehene Bankettnutzung wenig geeignet gewesen, sowohl aus architektonischen wie auch aus gastronomischen Gründen. «Der Umbau wurde damals ohne zusammenhängende Vision ausgeführt. Wir mussten ein architektonisch attraktives Konzept erarbeiten, das sehr flexibel auf unterschiedlichste Szenarien von Nutzungen reagiert», erläutert Sacha Fahrni. Der Raum im Obergeschoss bietet dank Trennwand Platz für Bankette der Golfer, darüber hinaus auch für Seminare und Schulungen oder für Hochzeiten. Im ebenerdigen Selbstbedienungsrestaurant fangen eigens dafür entwickelte, raumtrennende Möbel flexible Raumbedürfnisse ab. Für einen Golfpark sind Überlegungen wie diese überlebenswichtig, weiss der Architekt. In der Regel müssten die Restaurants quersubventioniert werden, da an Tagen mit schlechtem Wetter die Gäste ausbleiben. «Im Golfpark Holzhäusern hat man eine andere Situation. Das Migros-Restaurant ist insbesondere zur Mittagszeit das ganze Jahr hindurch gut besucht», ergänzt Sacha Fahrni.

Baumstämme tragen die Terrasse

Wer im «Albero» von Terrasse zur Terrasse wandert, der entdeckt, dass die unterschiedlichen Decks ein architektonisches Element verbindet: hölzerne Säulen aus Tannenstämmen. Sie bilden das primäre Tragwerk der Terrasse. Sacha Fahrni erinnert sich zurück an die Entwurfsphase: «Ich hatte die Idee von den massiven Baumstämmen. Ich stellte mir aber die Frage: Kann man das überhaupt machen?» Man kann. Vor allem dann, wenn Architekt, Ingenieur und Holzbauer eng zusammenarbeiten. Bei den massiven Baumstämmen handelt es sich nämlich nicht etwa um ein kleines, ästhetisches Detail, sondern um ein architektonisches Element, das Trag-
struktur, Konstruktion und Aufbau massgeblich beeinflusst. Das wissen Ingenieur Andreas Zweifel (Pirmin Jung Ingenieure) und Holzbauer Peter Inderbitzin (Strüby Holzbau AG) nur zu gut. Die 14 Tannenstämme, bis zu 14 Meter hoch, tragen die dreistöckige Terrasse, sie durchdringen ausgehend vom Erdgeschoss die darüberliegenden Etagen. Als verantwortlicher Fachplaner für Holzbau und Brandschutz begleitete Andreas Zweifel das Projekt in allen Phasen vom Projektstart bis zur Endabnahme. «Die Tannen, mit einem mittleren Durchmesser von 40 Zentimetern, bilden mit den Brettschichtholzunterzügen und Decken aus liegendem Brettschichtholz das primäre Tragwerk der Terrassenkonstruktion», erläutert der Ingenieur die Details. Eine besondere Herausforderung lag auch in den Schnittstellen zwischen Holztragwerk, Massivbau und bestehendem Gebäude. Das Bauwerk musste mit seinen verschiedenen Nutzungen den hohen architektonischen Ansprüchen und Anforderungen bezüglich Brandschutznorm gerecht werden.

 

Tannenstämme in Handarbeit

Die Tannen für die Terrasse stammen aus dem nahe gelegenen Wald. Abbund und Montage erfolgten von der Strüby Holzbau AG. Peter Inderbitzin begleitete die Arbeiten als Projektleiter: «Bei uns im Werk wurden die Baumstämme zunächst geschält und grob zugeschnitten. In Längsrichtung frästen wir für ein kontrolliertes Reissen Entlastungsschnitte ein. So wurden die Stämme für bestimmte Zeit zum Trocknen gelagert.» Kurz bevor die Stämme für die Montage benötigt wurden, erfolgte dann der Handabbund. Ein faszinierender Moment für den damit beauftragten Zimmermann Thomas Lüönd: «In diesem Fall war es nicht möglich, den Abbund auf einer Maschine zu machen, da die Baumstämme natürlicherweise keine maschinenkonformen Abmessungen hatten. Die Baumstämme sind komplett von Hand abgebunden. Das braucht viel Erfahrung.» Im Handabbund, so erzählt der Holzfachmann weiter, wurden die Verbindungen zu den Zangen und zum Fussanschluss erstellt.

Mit der Planungsphase startete Peter Inderbitzin im August 2015 – für den Holzbau, die Lüftungszentrale, die Wände, die Fassade und die Terrasse. Im Dezember 2015 begann das Einmessen. Dann starteten die Vorarbeiten: Schwellen setzen, Eisenteile montieren, Lüftungszentrale und Bauskelett aufrichten. Im Anschluss wurden die Baumstämme montiert und der Boden mit Zangen und Querbalken entsprechend konstruiert. «Der Ablauf der Montage musste gut durchdacht sein und die Reihenfolge der Zangen und Bodenplatten stets eingehalten werden. Das war ein nicht alltägliches Projekt, interessant und sehr intensiv. Jeder Anschluss ist anders und individuell angepasst.»

Holzhäusern setzt auf Holzbau

Die Arbeiten beim Golfpark Holzhäusern sind noch nicht vollständig abgeschlossen. Vor Kurzem wurden die Aufrichtarbeiten beim zweigeschossigen Neubau der Golf-Academy beendet. Im Sommer 2017 soll diese, ebenfalls ein Holzbau aus dem Hause Fahrni Partner Architekten, eröffnen. Auch die Driving Range und das Übungsgelände sollen attraktiver gestaltet werden. Alle golfrelevanten Angebote – die Administration, die Golf-Academy, die Garderoben und die Abschlagplätze – werden künftig in einer Golfarena zusammengefasst. Mit der Umgestaltung des Übungsgeländes soll der Park GEO-zertifiziert werden – ein Zertifikat dafür, dass der Unterhalt des Golfparks auch in Zukunft nachhaltig erfolgt. Mit attraktiven Parks wie jenem in Holzhäusern kann die Migros-Genossenschaft ihrem Ziel immer näherkommen, Golf als Volkssport zu etablieren.

«Wir waren fasziniert von der Aussicht»

Architekt Sacha Fahrni hatte die Idee von einer Terrasse, die von Baumstämmen getragen wird. Zusammen mit Ingenieur und Holzbauer konnte er sie umsetzen. Der Architekt spricht 
im Interview über die Vision, die Hürden und die Bedeutung der Baumstämme.

Herr Fahrni, die Fassade des neuen Restaurants ist sehr markant, ebenso die tragenden Baumstämme der neuen Terrasse. Ohnehin kommt sehr viel Holz zum Einsatz – innen wie aussen, sichtbar für Gäste und Besucher. Welche Idee liegt dem zugrunde?
Die Geschichte des Ortes war ein wichtiger Bezugspunkt bei der Ideenfindung. Die bestehende Bebauung des Golfparks Holzhäusern geht zurück auf eine landwirtschaftliche Nutzung. Das Gebiet wurde in den Neunzigerjahren umgezont zu einer übrigen Zone mit speziellen Vorschriften. Damit konnte der erste Golfpark der Migros realisiert und in Betrieb genommen werden. Bei einem Wegfall der besonderen Golfnutzung würde das Gebiet wieder der Landwirtschaftszone zugeteilt. Vor diesem Hintergrund war für uns Architekten klar, dass für die golfrelevanten Nutzungen eine Architektursprache gefunden werden musste, welche sich zu einem gewissen Grad an die landwirtschaftliche Bebauung anlehnt. Und zugleich war der Wunsch da, etwas zu schaffen, was mit der Golfnutzung assoziiert werden konnte.


Landwirtschaft, Golf und dann kam da noch neu die Vision des Baumhauses hinzu. Wie haben Sie all diese Inspirationen architektonisch unter einen Hut bekommen?
Mit dem Baumhaus assoziiere ich die freizeitliche Nutzung und das einmalige Naturerlebnis beim Golfspielen. Mit der landwirtschaftlichen Vorgeschichte und dem Golfsport hat das Gebäudekonzept zwei unterschiedliche Ausgangspunkte. Die konkrete Ausgestaltung bringt die beiden Ansätze wieder zusammen, beziehungsweise thematisiert diese unterschiedlich. Während der geschlossene Baukörper regelmässig gerastert in Erscheinung tritt, hat die Terrasse einen freieren Rhythmus. Ursprünglich sollten die Baumstämme sogar schräg zur Terrasse stehen. Dies hätte den Unterschied zum geschlossenen Baukörper noch mehr verstärkt. In der weiteren Detaillierung des Holzbaus gab es Gründe, von dieser Idee abzuweichen.

Abgedreht – so lautet das Stichwort zum dreistöckigen Terrassenanbau. Was hat Sie bei der Konstruktion massgeblich beeinflusst?
Der Mehrwert der überdachten Terrasse besteht in gastronomischer Hinsicht darin, dem Golfer, der den ganzen Tag lang der prallen Sonne ausgesetzt ist, einen beschatteten Ort anzubieten. Ein weiterer Vorteil ist der Schutz vor Witterung, was vor allem für Events und im À-la-Carte-Bereich unerlässlich ist. Fasziniert hat uns zunächst die tolle Aussicht von der bestehenden kleinen Terrasse im Obergeschoss zum Zugersee. Leider wurde diese Aussicht verstellt durch eine geschlossene Brüstung und durch eine unvorteilhafte Ausrichtung der Terrasse hin zur Autobahn. Wir wollten mit unserem Eingriff die Terrasse hin zu den Golfgreens und zum Zugersee orientieren. Diesem Wunsch stand die Forderung der Denkmalpflege gegenüber nach einem möglichst grossen Abstand zum denkmalgeschützten Nachbargebäude. Daraus hat sich ein zur bestehenden Restauration abgedrehtes Terrassenvolumen entwickelt.

Welche Rolle spielen dabei die Baumstämme?
Die Baumstämme verleihen der Terrassen eine luftige Atmosphäre. Der Besucher sollte sich fühlen wie in einem Baumhaus. Die Erholungspause der Golfer auf der Terrasse sollte zu einem besonderen Erlebnis werden. Die Idee haben wir weitergesponnen und sind das Risiko eingegangen, die gesamte Tragkon-
struktion mit den Baumstämmen zu lösen. Die an der Fassade vorgehängten Lisenen, welche für die Montage der feinen Webnetze für das Geländer und für die Montage des Sonnenschutzes benötigt wurden, erscheinen gegenüber den massiven Baumstämmen wie die Äste eines Baumes. Die Detailplanung der Knotenpunkte der Baumstämme war denn auch eine besondere Herausforderung sowohl für den Bauingenieur als auch für die Montage auf der Baustelle.

pirminjung.ch, fahrniarchitekten.ch, strueby.ch

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