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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

04/2017 Vorbilder

Lebens.raum

Natürliche Hülle aus Holz

Birmensdorf liegt in einem Talkessel westlich des Zürcher Uetliberges. Eine kleine Agglomerationsgemeinde mit rund 6200 Einwohnern. Hier wird Grundlagenforschung für eine nachhaltigere Umweltpolitik betrieben: am Hauptsitz der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft. Platzmangel und eine schlechte Energiebilanz forderten eine Gesamterneuerung des Hauptgebäudes, des Hörsaal- und Labortrakts. Bei der Dachaufstockung und der neuen Gebäudehülle kam Holz zum Einsatz.

Text Simone Leicht | Fotos Wiegand Hubert für Dietrich Schwarz Architekten AG

Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) setzt sich für die Nutzung und Gestaltung sowie den Schutz von naturnahen und urbanen Lebensräumen ein. Sie erarbeitet Lösungen, um Landschaften und Wälder verantwortungsvoll zu nutzen. Auch geht es ihr um die Frage nach dem Umgang mit Naturgefahren, wie sie insbesondere in Gebirgsländern auftreten. Die WSL in Birmensdorf (ZH) nimmt in diesen Forschungsgebieten einen internationalen Spitzenplatz ein und liefert Grundlagen für eine nachhaltige Umweltpolitik in der Schweiz. Rund 500 Mitarbeitende leisten damit auch wichtige Beiträge für den Holzbausektor. Das Firmengelände der WSL setzt sich aus einem ausgedehnten Freigelände, das Versuchen und Forschungsprojekten dient, sowie aus Bauten verschiedener Epochen zusammen: Neben Betonvorfertigung aus den 1960er Jahren, Schrägdach-Holzarchitektur aus den 1980ern und Stahl- und Glasgebäuden der 1990er Jahre findet sich dort auch ein modernes Pflanzenschutzlabor von 2014, das in Holzbauweise und im Minergie-Eco-Standard realisiert wurde.

 

Das Ziel: Geringerer Energiebedarf

Mit der Inbetriebnahme des nationalen Pflanzenschutzlabors und des dazugehörigen Gewächshauses entstand für die Eidgenössische Forschungsanstalt WSL in Birmensdorf ein hoher zusätzlicher Energiebedarf. Die WSL hatte sich zum Ziel gesetzt, den zusätzlichen Wärmebedarf bei der Modernisierung des 1956 erstellten Hauptsitzes zu kompensieren und mehr Platz für die Mitarbeitenden zu schaffen. Mit dieser Zielsetzung wurde ein Projektwettbewerb ausgeschrieben. Die vom Sanierungsvorhaben betroffenen Bauten stammen aus der Pionierzeit in Birmensdorf: die Liegenschaften HV (Hauptgebäude Verwaltung) und HL (Hauptgebäude Labor), die nördlich und leicht unterhalb der angrenzenden Hauptstrasse quer zum Hang stehen und miteinander verbunden sind. Seit ihrer Entstehung vor fast 60 Jahren wurden bei diesen wenig gedämmten Betonbauten keine tiefen Eingriffe vorgenommen.

Die Bauherrschaft erhoffte sich aus dem Architekturwettbewerb, der eine verbindliche Preisgarantie verlangte, vor allem ein pragmatisches Konzept. Als Sieger des Wettbewerbs ging der Entwurf des Zürcher Büros Dietrich Schwarz Architekten AG hervor. Geschäftsführer Dietrich Schwarz ist nicht nur Professor für Nachhaltiges Bauen an der Universität Liechtenstein, sondern auch Vorstandsmitglied des Vereins Minergie Schweiz. Sein Team setzte deshalb auf eine umfassend nachhaltige Lösung in Form einer vorgehängten Holzelementfassade, einer optimierten Gebäudetechnik und einer flächig integrierten Photovoltaikanlage. Dabei ergab sich, dass sich die Standards Minergie-P-ECO und Minergie-A-ECO mit der vorgeschlagenen Lösung ohne viel zusätzlichen Aufwand erreichen liessen.

Regionalität ist für die Forschungsanstalt ein wichtiger Faktor. Die Entscheidung für den Baustoff Holz, um die Aufstockung und die neue Gebäudehülle zu realisieren, lag daher auf der Hand. Zwei weitere Vorteile sprachen ebenfalls für die Holzbauweise: Das Projekt konnte schnell realisiert und die Hülle sofort geschlossen werden. So waren die Bauteile der Witterung kaum ausgesetzt. Das administrative Hauptgebäude und der Labortrakt wurden komplett saniert und umgeben mit einer neuen Gebäudehülle im Holzsystembau aus dem Werk der Renggli AG aus Schötz. Die neuen Fensterrahmen wurden von der Innenseite her montiert und die neuen Fenster bereits im Renggli-Werk in den Holzsystembauelementen integriert.

Aufgestülpt: Das Holzkleid umhüllt zwei Gebäude

Fingerspitzengefühl und millimetergenaue Arbeit mussten die Renggli-Monteure und der Kranführer beweisen: Die neue Gebäudehülle wurde wie ein neues Kleid über die zwei Gebäude gestülpt. Eine Herausforderung, weil zum einen das Dach des einen Gebäudes zum grössten Teil erhalten blieb und die Elemente vom Kranführer unter einem bestehenden Balkon nach hinten geschoben werden mussten. Zum anderen, weil bei der Toleranz der bestehenden Fensteröffnungen zu den neu in die Fassade integrierten Fenstern absolute Präzisionsarbeit geleistet werden musste. Die bestehenden Fenster und Fensterbänke wurden nach dem Vorsetzen der neuen Hülle demontiert und die inneren Leibungen von der Schreinerei mit vorgefertigten Leibungselementen verkleidet. Diese beinhalten die Brüstungskanäle für die Technik. Die Dämmstärke beträgt rund 25 Zentimeter, die Fenster sind mit dreifachen IV-Verglasungen und einem Uw-Wert von etwa 0,9 W/m2K versehen. Der architektonische Entwurf berücksichtigt mit den Möglichkeiten des kon-struktiven Holzschutzes auch die gewünschte Langlebigkeit der Fassade: auskragende Satteldächer und funktionale Ab-schlüsse an den Fenstern dienen dem Schutz der vertikalen Schalung. Gleichzeitig gliedern sie die Fassade in optische Einheiten. Die Architekten strukturierten auch die Raumaufteilung des Dachgeschosses neu. Heute kann die WSL das Raumdispositiv mit einfachen Massnahmen flexibel nutzen. Die Arbeitsplätze wurden im Rahmen der Gebäudemodernisierung ebenfalls optimiert.

Natürlich geheizt: Holzschnitzel aus nächster Nähe

Entsprechend der Ausrichtung der WSL wurde auch bei der Heizanlage auf Nachhaltigkeit geachtet. Das Holz für die Heizung wird in maximal sechs Kilometern Entfernung geschlagen. Die Verbrennung der Holzschnitzel erzeugt 75 Prozent der benötigten Wärme, weitere 20 Prozent stammen aus der Wärmerückgewinnung - grösstenteils als Abwärme von Kältekompressoren. Für die restlichen fünf Prozent steht ein Heizölkessel bereit. Dass die Wärme im Haus bleibt, verdankt die WSL der neuen Wärmedämmung nach Minergie-P-Standard. 24 Zentimeter Glaswolle liegen jetzt auf der ursprünglichen Fassade auf. Durch die optimierte Gebäudehülle ist nur eine geringe Ausstattung mit Gebäudetechnik erforderlich. Die Wärme- und Lüftungsanlagen sind mit Wärmerückgewinnung ausgestattet, die Abwärme der Kälteanlage wird zur Erwärmung des Warmwassers genutzt. Auch für die Sanitärräume wird die Abwärme des Abwassers genutzt.

Selbstversorger: Solarstrom für Bau, Auto und die Allgemeinheit

Die Satteldächer der Gebäude wurden mit einer Photovoltaikanlage mit einer Fläche von 685 Quadratmetern ausgestattet, die über eine Leistung von insgesamt 115 Kilowatt-Peak verfügt und 97?600 Kilowattstunden pro Jahr erzeugt. Damit produzieren die sanierten WSL-Gebäude einen Teil des benötigten Stroms selbst und erfüllen damit die Anforderungen des Baustandards Minergie-A. Der Solarstrom wird in das allgemeine Stromnetz gespeist, kann aber auch zur Versorgung der Ladestation von Elektrofahrzeugen genutzt werden. Da die Dacheindeckung ohnehin weitgehend zu sanieren war, wurden die Photovoltaikflächen auf den beiden Gebäuden als Dachhaut eingesetzt und substituieren klassische Dachziegel. Die moderne Anlage integriert sich harmonisch in das äussere Erscheinungsbild."Das Beispiel der WSL zeigt: Dank technischer Sparmassnahmen und innovativer Stromgewinnung lassen sich Betriebe in der Grösse eines KMU von fossiler Energie-nutzung auf erneuerbare Energien umstellen - das Ganze erst noch umweltverträglich, nachhaltig und kostengünstig", sagt Architekt Dietrich Schwarz. "Mit dieser energetischen Sanierung sind die Erwartungen des Bundes mehr als erfüllt. Die WSL ist damit gut vorbereitet für die Umsetzung der Energiestrategie 2050. Unser Ansatz ist wegweisend und lässt sich auf weitere KMU-Lösungen adaptieren." Für den Verein Minergie, der das Projekt begleitete, stellen die im vergangenen Jahr abgeschlossenen Arbeiten demnach auch ein Leuchtturmprojekt für Sanierungen dar. Denn es ist das erste modernisierte Verwaltungsgebäude im Raum Zürich, das die Anforderungen einer Doppelzertifizierung nach den beiden Baustandards Minergie-P-ECO und Minergie-A-ECO erfüllt. renggli.swiss, wsl.ch

Dietrich Schwarz Architekten, Zürich

Dietrich Schwarz Architekten ist ein Dienstleistungsunternehmen für die Fachbereiche Architektur, Städtebau, Energieeffizienz, Gebäudesanierung und -realisierung. In der täglichen Auseinandersetzung mit architektonischen Aufgaben setzen sich die Architekten dafür ein, dass die Prinzipien der Nachhaltigkeit hinsichtlich ökologischer, ökonomischer und sozialer Gesichtspunkte konsequent angewendet werden. Dietrich Schwarz, Architekt ETH/SIA, gründete das Architekturbüro im Jahr 1992 in Chur, es firmiert seit 2005 als eigenständige Aktiengesellschaft mit dem Namen Dietrich Schwarz Architekten AG in Zürich. schwarz-architekten.com


Das Projekt – die Fakten

Bauherrschaft: Eidgenössische Forschungsanstalt Wald, Schnee und Landschaft (WSL), Birmensdorf (ZH)
Architektur: Dietrich Schwarz Architekten AG, Zürich
Baustandard: Minergie-P-Eco, Minergie-A-Eco
Baujahr: 2015?/?2016
Konstruktion: Massivbau, Holzsystembau
Nutzung: Büroräume?/?Labore
Baukosten: CHF 10,3 Millionen
Holzbau: Renggli AG, Schötz (LU)
Brandschutzingenieur: Josef Kolb AG, Romanshorn (TG)
Bauphysik/Nachhaltigkeit: Intep, Integrale Planung GmbH, Zürich
Fensterverkleidungen innen: Hochuli Schreinerei GmbH, Reitnau (AG)

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