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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

03/2020 Ungewohnt

WELT.WEIT

Das 1/3-Haus

Bauland? Check. Geld? Es ist kompliziert. Wo für andere der Traum vom Einfamilienhaus an diesem Punkt platzt, nimmt er für eine Familie im norwegischen Sunndal seinen Anfang: in Form des 1/3-Hauses, das sich später weiterbauen lässt.

Text SD, PD | Fotos Tom Auger

Die norwegische Kommune Sunndal befindet sich am südöstlichen Ende des Sunndalfjords, vor einer beeindruckenden Berglandschaft. Die Gegend am Fusse des Trollheimer Gebirgsmassivs ist ein beliebter Ausgangspunkt für Wanderungen und Bergsportaktivitäten. Glücklich schätzen kann sich jeder Bauherr, der an diesem Ort über Bauland verfügt. Fehlt nur noch das eigene Haus. Doch was, wenn das Geld zum Bauen nicht reicht? Dann muss man auf seinen Traum vom Eigenheim nicht verzichten, wie das Projekt von Rever & Drage Architects zeigt.

Das Osloer Architekturbüro hat das Einfamilienhaus für ein junges Paar konzipiert. Die Bauherrschaft wollte ein kleines Haus bauen, verfügte jedoch nur über begrenzte Mittel. Ausserdem sollte das Gebäude später leicht erweiterbar sein, was der zukünftigen Familienplanung entgegenkommt. Hinzukamen ganz unterschiedliche Vorstellungen vom Eigenheim: Der Mann wünschte sich ein romantisches und gemütliches Zuhause, während seine Frau – sie ist Hirschjägerin – ein Gebäude wollte, das praktisch ist und Platz für ihre Jagdausrüstung bietet. Einig waren sie sich darin, bei dem Projekt einfach zu denken – vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Aber auch im Hinblick auf die Zukunft: Sollte sich die Familiensituation ändern, dann sollten Erweiterungen oder Änderungen am Bau keine zu grossen finanziellen Sprünge bedeuten.


Multifunktioneller Aussenraum
Rever & Drage Architects hat das Projekt in Sunndal auf den Namen 1/3-Haus getauft. Denn 1/3 des Raums nimmt der Holzrahmenbau mit zwei Stockwerken mit einer Fläche von je 50 Quadratmetern ein. Der Wohnraum entspricht dem heutigen Bedarf des Ehepaars und wird voraussichtlich in der Lage sein, einen Familienzuwachs von einem oder zwei Kindern aufzunehmen. 2/3 des Volumens hingegen befinden sich im Aussenraum unter dem Dach. Das ist der Bereich, der das Potenzial für spätere Erweiterungen hat. In der Zwischenzeit nimmt die Veranda die verschiedensten Funktionen ein: Sie ist Abstellraum, Garage, Werkstatt, Bankettsaal und nicht zuletzt der Raum für die Hirschjägerin. Hier lagert ihre Ausrüstung und hier bricht sie die erlegten Tiere auf. Im Erdgeschoss des Wohnraums organisieren sich der Eingang und eine offene Wohnküche um das Badezimmer. Im zweiten Stockwerk befinden sich der Technikraum, eine Ankleide, das Schlafzimmer, das zweite Wohnzimmer und das Fernsehzimmer sowie ein Badezimmer. Die Fenster sind in traditioneller Weise angeordnet, wenn auch mit einem etwas grösseren Format als in den regionalen Einfamilienhäusern üblich. Der Aussenraum unter dem Dach kennzeichnet sich durch seine eher industrielle und temporär wirkende Gestaltung.


Spätere Erweiterung eingeplant

Das Dach über dem Wirtschaftsraum wird durch geneigte Brettschichtholzsäulen gestützt. Diese sind in die Wandpaneele eingebaut, helfen aber, die Öffnungen zu den Ausblicken auf die Landschaft zu definieren. Unter diesem Dach verschwimmen die Grenzen zwischen Innen und Aussen; der Raum ist gleichzeitig offen und geschlossen. Das einfache wirtschaftliche Konzept besteht darin, dass die Eigentümer zunächst den Teil gebaut haben, den sie sich leisten konnten. Weil sich das Dach jedoch schon über das gesamte potenziell mögliche Volumen ausdehnt, reduziert sich der Aufwand, wenn der Raum darunter ausgebaut werden soll. Sobald das junge Ehepaar die gesamte Fläche auszunützen und auszubauen will, wandelt sich das Haus: vom ungewöhnlichen 1/3-Haus zu einem Bauwerk, das in seiner Erscheinung den traditionellen Bauernhäusern aus der Region ähnelt. An den Anfang ihres Eigenheims werden dann noch die geneigten Brettschichtholzsäulen der ehemaligen Veranda erinnern. Diese werden später – so der Plan von Rever & Drage Architects – in die neuen Aussenwände integriert. reverdrage.no


Das Projekt – die Fakten

Objekt: 1/3 -Haus, Einfamilienhaus Neubau
Standort: Sunndal (NO)
Fertigstellung: 2019
Bauherrschaft: privat
Architektur: Rever & Drage Architects, Oslo (NO)
Design: Tom Auger, Martin Beverfjord,
Eirik Lilledrange
Generalunternehmen: Brødrene Gjershaug AS
Gebäudevolumen (SIA 416): 1050 m3
Nettogeschossfläche (SIA 416): 100 m2 (Haus), 200 m2 (Aussenraum unter Dach)

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