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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

01/2019 Blickfang

Lebens.raum

«Die Zeit des Wachstums ist vorbei»

In der Rubrik NACH.GEFRAGT sprechen Architekten über Inspiration, Ideen und Idole. In dieser Ausgabe kommt der Japaner Kengo Kuma zu Wort. Fragt man Kuma, wie hoch die Holzhochhäuser werden sollten, wird er direkt: Sie sollten so niedrig wie möglich sein.

Text Sandra Depner, PD | Foto J.C. Carbonne

Wenn Sie an Holz denken, welche drei Begriffe fallen Ihnen zuerst ein, Herr Kuma?
Holz ist ein alter Freund des Menschen. Holz ist die beste Wahl eines architektonischen Materials. Holz ist eine spirituelle Erfahrung.

Stellen Sie sich vor, dem Holzbau wären keine Grenzen gesetzt – weder konstruktiv noch gesellschaftlich. Wie würde die Welt aus Ihrer Sicht dann aussehen?

Ich bevorzuge die Rückbesinnung auf lokale Materialien, die mit dem Ort und dem menschlichen Leben harmonieren. Im Kontext der globalen Klimaerwärmung scheint mir Holz die effizienteste Lösung zu sein. Beton kann uns nicht glücklich machen. Holz ist auch eine Frage des aktuellen Lifestyles. Das ist schluss-
endlich einer der Hauptgründe, warum der Werkstoff Holz genutzt wird.

Holzbau wächst weltweit in die Höhe. Soll es im Holzbau immer höher gehen oder ziehen Sie irgendwann eine Grenze?

Im 20. Jahrhundert ging es nur um Wachstum. Es ging darum, sich zu zeigen, Stärke und Höhe zu beweisen. Ich glaube nicht, dass es diese himmelhohen Hochhäuser braucht. Im Gegenteil: Bauwerke sollten so niedrig wie möglich sein. So können die Objekte eine nahe Beziehung zum Land und zum Menschen aufbauen.

Welche Architekten oder welche Bauwerke inspirieren Sie?

Es sind tatsächlich nicht die Architekten, sondern die Zimmerleute. Japans Zimmerer sind mehr als nur Architekten. Sie wissen, wie sie an das gewünschte Holz kommen, das sie für einen bestimmten Zweck benötigen. Sie wissen auch, wie sie es später behandeln und verarbeiten müssen.

Kommen wir zu Ihren eigenen Projekten: Welches ist Ihr Liebling?

Das ist das Bato Hiroshige Museum of Art (2000) in Tochigi (Japan). In dem Kunstmuseum werden Werke des japanischen Künstlers Ando Hiroshige gezeigt, der in seinen Holzschnitten stark von Impressionisten beeinflusst wurde. Ich wollte ein Gebäude schaffen, das die einzigartige räumliche Gestaltung darstellt, die in seinen Holzschnitten entsteht. 

 

 

Meditation im Wald

An der deutsch-österreichischen Grenze, mitten im Wald, steht das «Meditation House». Ein Refugium, das Architekt Kengo Kuma und das österreichische Architekturbüro Studio Lois für das Wellness-Hotel Kranzbach bei Garmisch-Partenkirchen kreierten.

Text SD, PD | Foto Hotel Kranzbach GmbH, Anneliese Kompatscher

Nur fünf Minuten Gehdistanz trennen das Meditation House vom Haupthaus des Fünf-Sterne-Hotels Kranzbach. Der dichte Wald bewirkt jedoch, dass es dennoch ausser Sichtweite bleibt und unweit des Hotels ein Refugium im Wald bildet. An drei Seiten ist der 80 Quadratmeter grosse Meditationsraum bodentief verglast. Im Inneren der Hybridkonstruktion steht eine statisch steife Box aus Ortbeton. Darin sind die Teeküche, die Teelounge, die Technik sowie der Sanitärbereich untergebracht. Für den Standort im Alpenvorland wurde mit einer hohen Schneelast von 7,09 Kilonewton pro Quadratmeter gerechnet. Die mit Zinkblech eingedeckte Dachkonstruktion liegt auf feuerschutzgrundierten Stahlträgern auf. Hätte man da nicht auch Holz wählen können? «Das war auch unser Wunsch. Aus statischen wie auch architektonischen Gründen konnten wir es nicht», erläutert Architektin Barbara Poberschnigg vom Studio Lois. Die Dimensionen der Holzträger würden die der Stahlträger sehr überschreiten. «Das hätte die Proportionen des Entwurfs verändert. Zudem hätten wir bei einer Holzvarianten zusätzliche Stützen im Raum platzieren müssen, was der Idee eines offenen und transparenten Raums widersprochen hätte.»

 

KOMPLEXES HOLZSTECK-STRICKSYSTEM

1550 Latten aus Weisstanne sind zu einer komplexen Geometrie verwoben, die sich von der Deckenuntersicht bis hinaus über die Glasfassade zieht und so den Eindruck eines Verschmelzens mit der Umgebung entstehen lässt. «Am Eingang ist das Holzkonstrukt geschlossen, es behütet. Die Latten sind kurz und relativ steil platziert», erläutert Pober-schnigg. «Hin zum verglasten Meditationsraum werden die Latten länger, ihre Ausrichtung wird zunehmend flacher, die Verstrickung grösser und luftiger. Bis sich das Konstrukt an der zum Wald gewandten Seite ganz öffnet.» daskranzbach.de, studiolois.io

Das Projekt – die Fakten

Objekt: Meditation House
Standort: Krün bei Garmisch-Partenkirchen (DE)
Baujahr: 2018
Bauherrschaft: Hotel Kranzbach GmbH, Krün
Architektur: Kengo Kuma, Tokio/Paris; Studio Lois, Innsbruck (AT)
Holzbau: Florian Wörnle, Mittenwald (DE); Tischlerei Alois Kuen, Innsbruck (AT)
Gebäudevolumen: 882 m3
Gesamtfläche: 160 m2
Holz: etwa 60 m3, davon 32 m3 Weisstanne


Kengo Kuma

Kengo Kuma (*1954) erhielt 1979 seinen Master in Architektur von der Universität Tokio, an der er derzeit Professor für Architektur ist. 1990 gründetet er Kengo Kuma & Associates. Das Architekturbüro mit rund 250 Mitarbeitenden ist mittlerweile in Tokio und Paris vertreten. Die Arbeiten von Kengo Kuma & Associates sind in über zwanzig Ländern zu sehen. Dazu zählen drei Projekte in der Schweiz: das Studentenwohnheim Grand Morillon (Realisierung 2019–2021) in Genf, das ArtLab EPFL (2016) in Lausanne sowie eine Suite und ein Gästeraum der Therme Vals (2014/2015). Das Büro verfolgt die Intention, eine Architektur zu entwerfen, die auf natürliche Weise mit ihrer kulturellen Umgebung und ihrer Umwelt verschmilzt. Das Büro suche immerfort nach neuen Materialien als Ersatz für Beton und Stahl und einer neuen Herangehensweise für die Architektur in einer postindustriellen Gesellschaft. Eines der aktuellen Projekte ist das «Neue Nationalstadion», das 2020 in Tokio anlässlich der Olympischen Sommerspiele eröffnet wird. Der Entwurf zeichnet sich durch seine Nähe zur Natur, viel Grünfläche und den Werkstoff Holz aus. kkaa.co.jp

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