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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

02/2021 Schweizer Holz

Lebens.raum

Ein Kern aus Schweizer Holz

Am Vierwaldstättersee in Brunnen (SZ) steht die Überbauung «Am Leewasser». Hinter der geschuppten Fassade aus Faserzement bietet der Holzsystembau aus Zentralschweizer Fichtenholz Platz fürs Wohnen und Arbeiten.

Text SD, PD | Fotos und Pläne Strüby Konzept AG

 

Ihren Namen «Am Leewasser» hat die Überbauung dem drei Kilometer langen Bach Leewasser zu verdanken, der sich ruhig durch das Dorf schlängelt – bevor er in den Vierwaldstättersee mündet. Brunnen war einst eine kleine Fischersiedlung. Und das Leewasser lieferte lange das Trink- und Brauchwasser für die Gemeinde, bis Ende des 19. Jahrhunderts der Bau einer moderne Trinkwasserversorgung erfolgte.

Nur eine Strasse vom Bach entfernt steht der Neubau, der Ende 2020 fertiggestellt wurde. Mit seinen 20 Eigentumswohnungen bietet er im Zentrum von Brunnen gehobenen Wohnkomfort wie auch Gewerbeflächen – ohne dabei auf Nachhaltigkeit zu verzichten. Das von der Strüby Konzept AG entwickelte Objekt ist im Minergie-Eco-Standard erstellt und setzt im Tragwerk auf Holz, genauer: Schweizer Fichtenholz. Das spart nicht nur CO2 ein, sondern stärkt die regionale Waldwirtschaft. Die für die Konstruktion genutzten 841 Kubikmeter Fichtenholz stammen allesamt aus Wäldern der Zentralschweiz. Das bei den Waldbesitzern gekaufte Holz liess die Strüby Holzbau AG dann in der Region sägen und verleimen, bevor es im eigenen Produktionszentrum weiterverarbeitet wurde.

Die Parzelle, auf der sich zuvor eine Autogarage befand, liegt in der Kernzone des Dorfs, dem Fischerquartier. Bei der Entwicklung der Überbauung galt es, einige wichtige Kriterien zu berücksichtigen. Diese betrafen den Ortsbildschutz, die Aspekte der Verdichtung und Belebung des Dorfkerns sowie auch die bauliche Weiterentwicklung. Brunnen fällt unter das Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS). Ausschlaggebend dafür sind unter anderem die Lage als alter Hafenort am Vierwaldstättersee und die räumlichen wie auch architektonischen Qualitäten, die der Ort mit seiner starken touristischen Vergangenheit und Hotellerie mit sich bringt.


Über das Fischerquartier heisst es im ISOS-Bericht: «Seine kleinmassstäbliche Bebauung ist durch Neubauten mit grösserer Ausnutzungsziffer bedroht. Die aus der Zeit vor 1800 stammende Bebauungsstruktur schlägt auch entlang der Hauptstrasse durch, wo Bauten des späten 19. Jahrhunderts schiefwinklig zum Strassenrand stehen.»

Das Projekt wurde von Didier Pichonnaz, leitendem Architekt bei Strüby, deshalb in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege und Fachexperten entwickelt. In mehreren Workshops wurden die richtige Adressierung der Bauten, die Verzahnung mit dem Bestand sowie die Gestaltung des Kopfbaus zur Gersauerstrasse entwickelt. Daraus resultierte als Antwort auf das vom ISOS definierte Fischerquartier ein äusserst stimmig anmutender Baukörper. Auf die Tiefgarage und das Treppenhaus in Massivbauweise folgt der Holzsystembau ab dem Erdgeschoss mit einer hinterlüfteten Fassade aus Faserzementplatten. Die vielfältigen Grundrisse – von der 3,5-ZimmerWohnung bis zur 5,5-Zimmer-Maisonette-Wohnung – mit überhohen Räumen in den oberen Geschossen sprechen sowohl Paare, Singles wie auch Familien an. Im Parterre ist eine Gewerbefläche mit rund 90 Quadratmetern angesiedelt.


Inspiration Fischerdorf

Für den Neubau diente das Bild eines traditionellen Fischerdorfes als Inspiration. Das Erdgeschoss weist im vorderen Bereich eine Überhöhe auf. Im Parterre spielen die Öffnungen der Fassade mit grösseren und höheren Fenstern und lehnen sich dabei an die architektonische Gestaltung anderer Gewerbebauten im Fischerquartier an. Dadurch wird nicht nur die gewünschte Atmosphäre erzeugt, sondern auch eine Einstellhalle bezweckt, die nur halb unter dem Erdreich liegt. Das ist entlang des Leewassers sinnvoll, damit der Bau nur geringfügig ins Grundwasser eindringt. Ein weiterer Vorteil der Konstruktionsweise: Die Einstellhalle wird natürlich belichtet und belüftet.

In besonderem Einklang stehen Formgebung und Holzbauweise. Die nebeneinander aufgereihten Häuser weisen alle die gleiche Dachform und Neigung auf. Eine dennoch unregelmässig scheinende Aufreihung der gesamten Wohnüberbauung wird dadurch erzeugt, dass sich die Steildachkonstruktionen in der Breite unterscheiden. Die Hausbreite orientiert sich am Achsmass der Zweier- und Dreierparkierung. Heute wie gestern bestimmen hier unter anderem die Dimensionen der Bewegungsmittel die Breite der Bauten. Auffällig ist die Fassade: Für ihre Gestaltung wurde ein neues Muster auf Basis der standardisierten Formen und Farben von Eternit entwickelt. Das Schindelkleid umhüllt einheitlich alle Bauten. Durch die Farbgestaltung, die sich von Haus zu Haus entwickelt, und die Wabenstruktur – ähnlich einer Fischhaut – wirken die einzelnen Häuser als Einheit.

Die neuen Wohneigentümer und Mieter konnten die Überbauung Ende 2020 beziehen Erstaunlich schnell, wenn man bedenkt, dass der Aushub und die Betonierarbeiten von Fundament, Untergeschoss und Erdgeschoss erst im März 2020 abgeschlossen waren. Dank der Vorfertigung im Werk der Strüby Holzbau AG und der Just-in-time-Lieferung der Holzbauelemente auf die Baustelle konnte die Aufrichte effizient im März und April leise und mit wenigen Strassensperrungen vonstatten gehen. Bei den gegebenen engen städtebaulichen Verhältnissen erweist sich ein Holzbau auch im Hinblick auf den Standort als die geeignetste Bauweise.


Baumaterial Holz optimal einsetzen

«Die Holzelementbauweise spielt bei uns die Hauptrolle», sagt Architekt Didier Pichonnaz. «Dass das Bauen wenn immer möglich mit Holz geschehen soll, ist naheliegend und zeitgemäss. Die Frage lautet: Wie können wir das Baumaterial Holz optimal einsetzen, um den langfristigen Zielen gerecht zu werden? Dabei spielt der Mensch, der Bewohner, die zentrale Rolle. Nur bezahlbare, anpassungsfähige und geschätzte Bauten werden langfristig unterhalten und gepflegt. Um das Richtige richtig zu bauen, ist der Holzsystembau unabdingbar.» strueby.ch 

Das Projekt – die Fakten

Objekt: Überbauung «Am Leewasser» mit 20 Eigentumswohnungen und Gewerbefläche
Standort: Brunnen (SZ)
Fertigstellung: 2020
Bauherrschaft: Strüby Immo AG, Seewen (SZ)
Architektur: Strüby Konzept AG, Seewen
Holzbau: Strüby Holzbau AG, Seewen
Baukosten: CHF 20 Mio.
Gebäudevolumen (SIA 416): 15 100 m3
Nettogeschossfläche (SIA 416): 2650 m2
Holz: Fichte aus der Zentralschweiz 841 m3,Plattenmaterial 219 m3

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