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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

03/2020 Ungewohnt

BAU.WERK

Einfach verschachtelt

Am Zürichberg in bester Lage zeigt ein Mehrfamilienhaus, wie nachhaltige Stadtverdichtung aussehen kann. Der Minergie-Eco- und GI-zertifizierte Ersatzneubau besticht von aussen durch seine optische Einfachheit und reduzierte Gestaltung. Innen verzahnen sich vier Wohnungen ineinander. Dem Bauvorhaben ging eine detaillierte Vorstudie voraus.

Text Sandra Depner | Fotos und Pläne KonzeptS GmbH

Ein Idyll, angrenzend an Familiengärten, Wiese, Wald und in unmittelbarer Nähe zum Zürcher Zoo. Das Mehrfamilienhaus befindet sich in erhöhter Lage am Zürichberg. Hier sind vier grosszügige 31/2- beziehungsweise 41/2-Zimmer-Wohnungen entstanden. Der Ausblick und die Natur lassen sich im Garten oder auf einer der vier Dachterrassen geniessen. Gleichzeitig garantiert die Tramlinie, nur wenige Gehminuten entfernt, eine schnelle Anbindung zum öffentlichen Nahverkehr. Im April 2019 konnten die Mieterinnen und Mieter in den modernen Ersatzneubau einziehen.

Die Bauherrschaft wünschte sich ein Gebäude, das ökologisch, baubiologisch und architektonisch hochwertig ist. Weitere Vorgaben und Wünsche betrafen die barrierefreie Gestaltung sowie einen langfristig
guten Mietzins. Die KonzeptS GmbH aus Winterthur übernahm die Architektur und Planung des Mehrfamilienhauses. Den Holzbau führte das Team der Burkart AG Trilegno aus Auw (AG) aus.

Offen und verzahnt
Die offene Architektur mit grossflächiger Verglasung zum Garten und zu den Terrassen verbindet den Wohnraum mit der Natur – und ermöglicht zugleich den Weitblick auf Zürich und das umliegende Naherholungsgebiet. Durch die spezielle Verzahnung ist jede der Wohnungen für sich einzigartig und erstreckt sich in mindestens drei Himmelsrichtungen. So entstehen in den Räumen angenehme Lichtverhältnisse zu jeder Tageszeit. Durch das formale Konzept der Verzahnung wurde erreicht, dass die verschiedenen Parteien auch in den Aussenräumen von einer optimalen Privatsphäre profitieren.

Der Treppenhauskern mit Aufzug sowie das Untergeschoss wurde vor Ort in Beton gegossen. Die Trennwände im Untergeschoss bestehen aus Kalksandstein. An und auf den Betonkern fügt sich der vorfabrizierte Holzbau: Der Holzelementbau zieht sich vom Erdgeschoss bis unters Dach – mit Aussen- und Innenwänden in Rahmenbauweise sowie einer Tragstruktur aus Brettschichtholz und Stahl. Die Geschossdecken im Holz-Beton-Verbund sind mal in Weissputz gestrichen, mal sichtbar belassen oder weiss lasiert. Das Flachdach aus Massivholz ist extensiv begrünt und trägt die Unterkonstruktion für die Solaranlage. Mit seinem dunklen Fassadenkleid sticht das Mehrfamilienhaus im von stattlichen Altbauten geprägten Quartier hervor. Edel kombiniert ist die vertikale und vorvergraute Fichtenschalung mit metallverkleideten Gebäudeeinschnitten, Zargen und Vordächern.


Eine ausführliche Bestandsanalyse

Dem Bau des neuen Mehrfamilienhauses ging ein intensiver Prozess an Vorüberlegungen und Abwägungen voraus. Der Bestand – ein Zweifamilienhaus aus den 1930er Jahren mit zwei grosszügigen Wohneinheiten und einer schönen Abfolge an hochwertigen Räumen – wurde einer detaillieren Zustandsanalyse unterzogen. Anhand einer einfachen Nachhaltigkeitsbewertung verglich die KonzeptS GmbH mögliche Immobilienszenarien miteinander: (1) den Bestand beibehalten und lediglich baulich notwendige Eingriffen ausführen, (2) den Bestand sanieren, (3) eine Sanierung mit Aufstockung oder (4) ein Ersatzneubau. Die Bewertung umfasste zehn Kriterien (Anm. d. Red.: Die vollständige Analyse ist auf www.magazin-
first.ch
einsehbar).

Das Planerteam kam zusammengefasst zu folgendem Ergebnis: Das Gebäude hätte komplett saniert werden müssen. Zum einen aufgrund grosser Feuchte- und Schimmelprobleme, die selbst mit aufwendigen baulichen Massnahmen nur teilweise hätten gelöst werden können. Zum anderen waren alle
Installationen in einem schlechten Zustand. Dazu kam noch die ungenügend gedämmte Gebäudehülle, die einen hohen Energieverbrauch erwarten liess.


Der ganzheitlichen Nachhaltigkeitsbetrachtung folgend, traten im Finale der möglichen Immobilienszenarien die Optionen (3) Sanierung mit Aufstockung und (4) Ersatzneubau gegeneinander an. Bezüglich Ökobilanz waren gemäss den Berechnungen der KonzeptS GmbH die beiden Varianten auf Augenhöhe. Für den Ersatzneubau sprachen grundsätzlich die Anforderungen an ein nachhaltiges Gebäude – und noch deutlicher das Argument der Wirtschaftlichkeit mit neu vier kleineren Wohnungen anstatt zwei grossen Wohnungen. Kleinere Einheiten verbessern die Vermietbarkeit.

Was die finale Entscheidung jedoch erschwerte, war eine Altlast, datiert auf das Jahr 1914: ein Dienstbarkeitsvertrag mit der Stadt Zürich, der auf der Parzelle «nur einfach gehaltene Einfamilienhäuser» erlaubte. Das schränkte die Bebaubarkeit massiv ein. Mit einem Deal konnte der Dienstbarkeitsvertrag aufgelöst werden. «Als Gegenleistung sollten wir eine gute Architektur sowie eine hochwertige Umgebungsgestaltung schaffen», erklärt Pascal Scheidegger, Inhaber der KonzeptS GmbH. Somit stand dem Ersatzneubau mit einer höheren Ausnutzungsdichte nichts mehr im Wege.

Für den Entscheid, ob das Gebäude in Massivbau- oder Holzbauweise erstellt werden soll, nahm Scheidegger eine eigens erstellte Entscheidungsmatrix zur Hilfe. Darin sind nicht nur die kurzfristigen monetären Werte berücksichtigt, sondern der ganze Lebenszyklus wie auch baubiologische, ökologische und soziale Aspekte.

Gehoben, natürlich, smart
Der Minergie-ECO-Bau wurde im BIM-Prozess geplant und erstellt. Dank der Vorfabrikation konnte die Bauzeit reduziert und die Bauqualität erhöht werden. Während die Elementproduktion im Werk der Burkhard AG Trilegno rund fünf Wochen in Anspruch nahm, war die Aufrichte auf dem Zürichberg bereits nach zwei Wochen abgeschlossen. Für den Innenausbau und die Fassade vergingen weitere acht Wochen. Die Photovoltaikanlage produziert für das Gebäude Strom mit einer Leistung von rund 15 Kilowattstunden. Mit der Verwendung von Regenwasser für die Toilettenspülungen und die Gartenbewässerung steuert das Gebäude einen positiven Beitrag zur nachhaltigen Nutzung von Wasser bei. Der Einsatz von Schweizer Holz als nachwachsendem, regionalem Baustoff wirkt sich zusätzlich positiv auf die Ökobilanz aus.

Der Ausbaustandard vermittelt einen gehobenen und reduzierten Eindruck. Dementsprechend beschränkt sich das Farb- und Materialkonzept auf wenige, sorgfältig ausgewählte und hochwertige Materialien. Die Nasszellen sind mit Keramikplatten und das Treppenhaus mit Naturstein ausgelegt. Bei der Materialauswahl wurde darauf geachtet, schadstoffbelastete Bauteile zu vermeiden. Die Innenraumqualität konnte so erheblich gesteigert und die Umwelt geschont werden. Am Ende der Bauarbeiten und vor dem Einzug wurden Raumluft und Schallwerte gemessen und mit dem Gütesiegel für gutes Innenraumklima (GI) zertifiziert. Das Zertifikat garantiert dem Endnutzer ein gesundes Innenraumklima.

Ob Sonnenschutz, Beleuchtung, Heizung und Klimaanlage oder Türkommunikation – alles in der Wohnung lässt sich entweder über einen Schalter an der Wand oder smart bedienen – mit dem Laptop und dem Smartphone, zuhause und aus der Ferne. Zusätzlich lassen sich auch Musikanlagen integrieren und zen-
tral steuern. In allen Wohnungen ist zudem eine Einbruchmeldeanlage mit Fernübermittlung installiert. Pro Wohnung kann ein Parkplatz mit Steckdose für Elektromobilität und ein Motorradparkplatz dazugemietet werden. Ausserdem stehen mehrere Veloparkplätze zur Verfügung.

Das neue Mehrfamilienhaus entspricht aktuellsten technischen sowie nachhaltigen Standards. Puristisch, kompakt, ruhig – ein zeitgenössischer Holzbau, wie man ihn sich im urbanen Umfeld vorstellt.
trilegno.ch, sjb.ch, konzepts.ch


KonzeptS GmbH

Pascal Scheidegger (Foto) entschied sich nach der Lehre zum Hochbauzeichner für ein Architekturstudium, welches er 2005 abschloss. Es folgten die Nachdiplomstudiengänge MAS in Business Administration and Engineering sowie CAS Life Cycle Management Immobilien. Weiter ist Scheidegger Auditor bei DGNB Schweiz. Seit 2012 führt er sein Büro KonzeptS. Die Dienstleistung beginnt bereits bei strategischen Immobilienentscheidungen und endet bei der Fertigstellung des Bauprojektes. Dabei werden zusätzliche Bereiche wie Nachhaltigkeit, Corporate Design, Innenarchitektur und ökonomische Fragestellungen einbezogen. Die KonzeptS GmbH setzt sich neben nachhaltiger und gesunder Architektur auch für innovative und agile BIM-Planungsmethoden sowie für Zusammenarbeit im Bau ein. Seit 2013 verstärkt Igor Gasic die KonzeptS GmbH und ist Mitglied der Geschäftsleitung. Der Architekt betreute das Wohnhaus am Zürichberg als Projektleiter.


Das Projekt – die Fakten


Objekt: Mehrfamilienhaus mit vier Mietwohnungen inkl. Tiefgarage
Standort: Zürich
Fertigstellung: 2019
Bauherrschaft: privat
Architektur: KonzeptS GmbH, Winterthur (ZH)
Holzbau: Burkart AG Trilegno, Auw (AG)
Holzbauingenieur: SJB Kemper Fitze AG,
Herisau (AR)
Baukosten: CHF 4,52 Mio.
Gebäudevolumen (SIA 416): 3561 m3
Nettogeschossfläche (SIA 416): 1111 m2
Holz: Primärtragwerk 18 m3 Brettschichtholz BSH Fi/Ta; Sekundärtragwerk 23 m3
Rahmenbaukanteln RBK, Decken 108 m3 Massivholzplatten MHP

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