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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

01/2019 Blickfang

Lebens.raum

Härtetest auf dem Lötschenpass

Für die einen verkörpert er das pure Wellness-Erlebnis, Ruhe und Weite, tief mit Schnee. Für die anderen, namentlich Entwickler und Holzbauer, ist der Spa-Bungalow auf dem Lötschenpass weit mehr als das. Er ist ein Versuchsobjekt, wenn auch ein sehr stilvolles. Auf einer Höhe von 2690 Metern führen sie einen »Härtetest sondergleichen» durch – inklusive Aufguss und Raclette.

Text Sandra Depner, Roger Bernet | Bilder Helga Baechler

Wellness, Sauna, Raclette. All das und viel mehr bietet der Spa-Bungalow auf 2690 Metern über Meer. Die Wellness-Einheit steht seit November 2017 auf dem Lötschenpass nur 100 Meter von der gleichnamigen Hütte entfernt inmitten einer hochalpinen Berglandschaft. Das Domizil ist nur zu Fuss oder auf Skiern auf Bergwegen erreichbar – sowohl vom Berner Oberland als auch vom Wallis aus. Erstmals eröffnete das Refugium im Winter 2018 für die Zeit zwischen Januar bis April. Im Winter 2019 ging es dann in die zweite Saison. Mittlerweile hat es sich herumgesprochen, dass dort oben neben den Mehrbettzimmern in der Hütte auch ein ganz besonderes Erlebnis wartet. Bereits vor Saisonbeginn waren fast alle Wochenenden reserviert. Es könnte aber auch daran liegen, dass im April 2019 das Wellnessabenteuer auf dem Lötschenpass ein vorläufiges Ende findet.

Wellness ist ein Wirtschaftszweig, der seit Jahren wächst. Das Marktvolumen wird auf weltweit eine Billion US-Dollar geschätzt. Die Erwartungen der Hotelgäste an ihre Gastgeber sind dementsprechend hoch. Das Dilemma für Hoteliers besteht darin, dass sich Wellnessanlagen nur schwer amortisieren. «Für kleine Hotels rentiert sich der Bau einer kompletten Anlagen nicht», sagt Entwickler Roger Bernet. Seit 1998 hat er schweizweit Wellness- und Spa-Anlagen im Wert von mehr als 500 Millionen Franken entwickelt. Und dann stellen sich natürlich auch baurechtliche Fragen.

Darauf antwortet der mobile Solitär und will in der Schweizer Tourismusbranche neue Impulse setzen. Es handelt sich um eine Fahrnisbaute, die für eine Dauer von maximal sechs Monaten keiner Bewilligung bedarf. So könnten Bungalows im Winter beispielsweise auf der Grünfläche oder auf ungenutzten Tennisplätzen stehen. Der Spa-Bungalow ist flexibel einsetzbar für Hotels, in den Bergen, auf Campingplätzen, in öffentliche Badeanlagen oder für Events. Als komplett vorgefertigter, möblierter Modulbau kann er in einzelnen Elementen transportiert werden und ist noch am selben Tag bezugsfertig.

Wie flexibel der Holzbau tatsächlich ist und was er alles aushält, das soll der Prototyp auf dem Lötschenpass unter Beweis stellen. So wollten es seine Urheber, als sie nach einem geeigneten Standort suchten: Roger Bernet als Designer für das Konzept und die Architektur und Christoph Lädrach von der Firma Lädrach Holzbau AG für die bautechnische Entwicklung des Holzbaus und dessen Produktion sowie Montage. Hinzu kommt das Team der Kannewischer Bern AG für die Haustechnik.

Entwickler Bernet entschied sich bei der Gestaltung des Bungalows bewusst gegen ein «Alpenschick». Im Inneren dominieren der Werkstoff Holz in Form von unbehandelten Fichtenoberflächen und Details in der Farbe Violett bei Kissen, Handtüchern sowie den grossformatigen Bildern. «Das ist die Kardinalsfarbe», sagt Bernet. «In Kombination mit dem Holz entsteht eine warme Atmosphäre. Die Räume wirken elegant und modern.» Trotz einer geringen Wohnfläche von 23 Quadratmetern ist der Bungalow überraschend wandelbar. Die Terrassen sind überdacht, die weissen, unregelmässig perforierten Fassadenelemente stützen die Vordächer und sind zugleich ästhetischer Windfang. Zur Linken des Entrées befindet sich das Bad mit Dusche, WC und Lavabo. Geht man weiter, gelangt man in den Ruhe- beziehungsweise Schlafraum. Rechts ist dann schon die durch eine Schiebetür aus Glas abgetrennte finnische Sauna – auch ein Raum, der multifunktional nutzbar ist als Essbereich oder für ein Zusatzbett. Sobald der Raum nicht mehr zum Saunieren genutzt wird, kann die Glastüre geöffnet werden und der Saunaofen wird zur Heizung für die gesamten Räumlichkeiten.

 

RACLETTE IN DER SAUNA?
DAS KANN DER GAST AUF WUNSCH SO BESTELLEN

Wer den Spa-Bereich gar nicht mehr verlassen möchte, muss für das Nachtessen nicht in der Hütte einkehren. Auf Wunsch kann es zum Bungalow bestellt werden. Die Gäste erhalten dann einen Korb mit Raclette und können das Essen zu sich nehmen – vor, während oder nach der Sauna mit Blick auf die von der Abendsonne gefärbten Alpengipfel. All das sieht nicht nach einem Härtetest aus, hört sich nicht nach einem Experiment an. Soll es auch nicht. Zumindest nicht für die Gäste. Bevor der Spa-Bungalow im Januar 2018 seinen allerersten Besuch empfang, war er auf dem Lötschenpass zwei Monate sich selbst überlassen. Seine Reise auf den Pass begann schon im November 2017 in Basel, wenige Tage nach der Präsentation an der Internationalen Gastronomie- und Hotelfachmesse Igeho. Die Zeit drängte, denn eine spätere Montage war aufgrund der winterlichen Verhältnisse im Dezember nicht möglich. Es waren sechs Helikopterrotationen vom Umschlagplatz in Kippel im Lötschental nötig, um den in fünf Teile zerlegten Modulbau sowie ein Paket aus Vordächern, Terrassendecks und Gasflasche hinaufzufliegen. Innerhalb von zwei Stunden war der Bungalow zusammengeschraubt – und damit auch schon bezugsbereit, da er möbliert transportiert wird. Und da stand er nun, bereit für die ersten Gäste. Die Hüttenwarte würden die Lötschenpasshütte jedoch erst Wochen später öffnen.

TEMPERATUREN VON
BIS ZU MINUS 28 GRAD CELSIUS

Sie wussten nicht, was sie nach den zwei Monaten oben erwarten würde. Der Bungalow war Sturm, Schnee und Kälte ausgesetzt. Der harte Winter brachte Rekordwerte von minus 28 Grad Celsius. Bernet und Lädrach machten sich im Februar 2018 auf den Weg zum Lötschenpass, um sich ihren Prototyp anzuschauen. War er bereit, demnächst Wellnessgäste zu empfangen? Sie hatten keine Ahnung, wie hart der Winter dem Bungalow in der Zwischenzeit zugesetzt haben könnte. «Er war noch da.» Entwickler Bernet schmunzelt. «Der Schnee war rund vier Meter hoch. Die Fenster waren ganz, die Technik war unbeschadet, es gab keine Frost- oder Wasserschäden am Bungalow.» Härtetest bestanden. Im Vergleich dazu wirkt das erste Projekt von Lädrach und Bernet wie ein Kinderspiel: der erste Hamam der Schweiz, erbaut 2001 im  Zürcher Niederdörfli. Schon damals mussten die beiden Hindernisse überwinden, auch wenn diese weniger klimatischer als vielmehr gesellschaftlicher Natur waren. Seit nun fast 20 Jahren arbeiten der Holzbautechniker Lädrach und der Designer Bernet zusammen und haben quer durch die Schweiz Anlagen gebaut. Der Spa-Bungalow ist jedoch ganz neues Terrain. Das Projekt am Lötschenpass baut auf dem langjährigen Erfahrungsschatz auf. Der Bungalow ist so konstruiert, dass er mehr als vier Meter Schnee, Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 Stundenkilometern und Aussentemperaturen von weniger als –20 Grad locker aushält.

Bauen und Wohnen auf dieser Höhe stellt ein Bauwerk vor grosse Herausforderungen. Viele Faktoren müssen bereits früh in der Entwicklung beachtet werden. Zum Beispiel, dass es sich um ein modulares, schnell erstell- und montierbares Objekt handeln muss. Es sollte aus einem Material bestehen, das stark und dimensional stabil ist, um auch der Witterung trotzen zu können. Dennoch muss es für den Helikoptertransport leicht sein. Die Einzelteile dürfen nicht mehr als zwei Tonnen wiegen und die Masse von zweieinhalb Metern nicht überschreiten. Der Innenausbau und die Möblierung müssen feuer- und vor allem feuchtigkeitsbeständig sein, damit der Dampf aus der Sauna keine Schäden anrichten kann. Im Saunabetrieb kann die Temperatur bis auf 100 Grad Celsius steigen. Darum sind die Holzoberflächen unbehandelt. Der Bungalow muss atmen können, eine Dampfsperre wie etwa bei einer Konstruktion mit Vollkernholz wäre kontraproduktiv. Aus diesem Grund entschieden sich die Entwickler, in der gesamten Konstruktion sogenanntes Kerto-Furnierschichtholz einzusetzen.

Stuhl, Bett, Dach oder Wände: Alle Bauteile und Möbel wurden aus den 14-fach verleimten Kerto-Massivholzplatten gefertigt. Die Fassade ist mit glasfaserverstärktem Kunststoff, kurz GFK, überzogen und somit komplett wasserdicht und witterungsbeständig. Diese Technik ist nicht neu. Sie wird bei der Lädrach Holzbau AG seit 30 Jahren angewandt, zum Beispiel beim Bau von Schwimmbädern oder Duschen. Innen sind die Wände aus Fichtenholz roh belassen, mit Ausnahme des Sanitärbereichs. Der Spa-Bungalow auf dem Lötschenpass ist nicht isoliert, ist jedoch auf Wunsch in isolierter Version lieferbar. Aufgrund seines kleinen Volumens ist er innert kürzester Zeit durch den Saunaofen aufgeheizt. Eine Grundlastheizung gegen das Gefrieren der Leitungen wird mittels Gas aus der mitgelieferten Gasflasche gewährleistet, während der Strom hier auf dem Lötschenpass von einem Windrad erzeugt wird.

DER BUNGALOW STEHT AUF EINEM
FUNDAMENT AUS PALETTEN

Die Konstruktion besteht aus Kerto-Q-Furnierschichtholz, die auf einem Fundament aus Paletten ruht. «Eigentlich bräuchte man nicht zwingend die Paletten auf dem Untergrund», erklärt Holzbautechniker Lädrach. «Der Bungalow ist rundherum mit dem wasserabweisenden GFK überzogen und somit ist auch der Bodenaufbau abgedichtet.» Die Geländetopografie erforderte jedoch einen Ausgleich der Unebenheiten. All das sehen, die Gäste natürlich nicht, wenn sie aus den raumhohen Panoramafenstern in die weisse Schneelandschaft blicken. Obwohl der Spa-Bungalow nahezu autark betrieben wird, so wird den Gästen nicht alle Verantwortung abgenommen. Sie tragen selber Sorge für die Wärme im Inneren und müssen den Saunaofen mit Holz befeuern. Auch das Wasser kommt hier nicht einfach so aus der Leitung. Auf einer der überdachten Terrassen befindet sich eine Öffnung zum Technikraum. Hier muss der Schnee zum Schmelzen hineingeschaufelt werden. Den Rest regelt die Technik, sodass im Innern dann Schmelzwasser durch die Leitungen fliesst.

 

DIE VISIONEN KÜNFTIGER STANDORTE
REICHEN VOM WALD BIS ZUM FRACHTSCHIFF

Wer wie Bernet und Lädrach einen schicken Solitär auf einem alpinen Pass zwischen dem Wallis und Berner Oberland platziert, beweist Mut und Innovation. Stellt sich die Frage: Was kommt danach? Im April 2019 endet die Saison für den Spa-Bungalow an diesem spektakulären Standort. Es hat sich nicht nur bei Alpinisten herumgesprochen, dass hier ein spezielles Bauwerk steht. Auch das Gastgewerbe ist darauf angesprungen. Die ersten Gespräche mit Interessenten laufen bereits. Weiter ins Detail wollen die Entwickler nicht gehen. Aber auf die Frage, wo sie ganz persönlich den Spa-Bungalow einmal platzieren würden, zögern sie nicht. Lädrach: «Auf einem See oder Fluss, ganz einfach auf ein Frachtschiff gestellt.» Bernet: «Im Wald unter Nagelfluhfelsen. Der Bungalow berührt nicht mal den Waldboden. Ich bin nur zu Gast in der Natur.» Eine schöne Vorstellung. loetschenpass.ch, rob-d-sein.ch, laedrach.ch, spa-bungalow.ch

Das Projekt – die Fakten

Objekt: Spa-Bungalow, mobiler Solitär
Standort: Lötschenpass, 2690 m ü. M.
Baujahr: 2017
Bauherrschaft, Konzept und Architektur: rob.D-sein, Hirschthal (AG)
Ausführung: Lädrach Holzbau AG, Konolfingen (BE)
Haustechnik: Kannewischer Bern AG, Bern
Kosten: CHF 100 000
Bruttogeschossfläche: 23 m2
Gebäudevolumen: 62,40 m3
Holz: Kerto-Q-Furnierschichtholz 10,35 m3

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