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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

04/2021 Hin und weg

Lebens.raum

Langlebige Holzfassaden

Holzfassaden sind im Trend, aber nicht risikofrei: Bei hohen Gebäuden und modernen Bauten ohne Vordach ist die Holzverkleidung dem Schlagregen stark ausgesetzt. Mit geeigneten Holzarten und konstruktiven Schutzmassnahmen lässt sich eine lange Lebensdauer der Fassade – auch ohne Biozide – sicherstellen.

Text Nicolas Gattlen | Bild Jessenvollenweider Architektur AG

Der Werkstoff Holz ist auf dem Weg, das zu werden, was Beton Mitte des letzten Jahrhunderts war: baulicher Ausdruck seiner Zeit. Am deutlichsten zeigt sich dies im Fassadenbild. Fast jedes fünfte Mehrfamilienhaus ist inzwischen in Holz eingekleidet (2007: 11 %); bei den öffentlichen Gebäuden und Gewerbebauten liegt die Quote gar bei über 26 Prozent. Interessant ist, dass die Marktanteile von Holzfassaden höher liegen als jene von Tragkonstruktionen aus Holz. Es werden also auch viele Massivbauten mit Holz ummantelt. Den Holzbau vorangetrieben haben neue Materialentwicklungen und herstellungstechnische Verfahren. Der Gestaltung von Holzfassaden sind heute fast keine Grenzen mehr gesetzt.


Geeignete Holz- und Schnittart wählen

Der aktuelle Trend zu strukturierten und räumlichen Fassaden ist jedoch nicht risikofrei: Diese Formen vergrössern die der Witterung ausgesetzten Flächen und damit die Gefahr von Fäulnis und Zersetzung. Mit einem guten Holzschutz aber bekommt man dieses Risiko in den Griff – auch ohne Biozide. Der Holzschutz beginnt mit der Wahl von geeigneten Hölzern: Für unbehandelte Fassaden empfehlen sich aus der einheimischen Holzpalette die Eiche, Edelkastanie, Lärche und Douglasie. Mit geeigneten Behandlungen lassen sich auch die Fichte und Tanne gut für Fassaden einsetzen.

Neben der Holzart gilt es, die geeignete Schnittart auszuwählen. Hanspeter Kolb, ehemals Professor für Holzbau und Brandschutz an der Berner Fachhochschule, empfiehlt den Einsatz von Riftholz. Der Riftschnitt ist ein Radialschnitt des Holzes, bei dem die Jahresringe möglichst senkrecht zur Sichtfläche verlaufen. Durch die «stehenden Jahresringe» wird die Oberflächenhärte erhöht und das Schwindmass reduziert. Die Bretter bewegen sich weniger, Risse sind seltener. Riftholz ist zwar etwas teurer, die Investition lohne sich aber, sagt Kolb. Er rät zudem, Bretter mit eher kleinen Querschnitten (B max. 12 cm) zu verbauen; Spannungen beim Schwinden und Quellen des Holzes liessen sich damit tief halten. Ganz verhindern könne man sie aber nicht, weshalb die Befestigungsmittel so einzusetzen seien, dass Bewegungen möglich sind.

Konstruktive Schutzmassnahmen
Langlebige Fassaden bedingen zudem einen guten konstruktiven Holzschutz. Bewährte Elemente sind Balkone, Klebdächer (traditionelles Schutzdach oberhalb der Fenster), Dachüberstände und Vordächer. In der modernen Architektur aber finden diese kaum noch Verwendung. «Und bei einem vier- oder gar achtgeschossigen Gebäude lässt sich selbst mit einem mächtigen Vordach nicht verhindern, dass ein Grossteil der Fassade Schlag­regen ausgesetzt ist», erklärt Hanspeter Kolb. Oberstes Ziel müsse deshalb sein, dass die Fassade rasch austrocknen kann. Dazu müssten der Wasserabfluss und eine gute Belüftung gewährleistet sein. Zum Schutz der Fassade vor Spritzwasser sei auf einen ausreichenden Abstand der Holzverkleidungen vom Grund zu achten. Wichtig sind auch gute Detailausbildungen an heiklen Stellen: etwa bei Dachanschlüssen, Sockeln und Fassadendurchbrüchen für Fenster oder Türen. In der Planung sollte zudem der spätere, möglichst einfache Austausch von stark bewitterten Elementen berücksichtigt werden.


Schwieriger in den Griff zu bekommen ist das sich verändernde Erscheinungsbild einer Holzfassade. Holz ist ein Naturmaterial, das sich bei Verwitterung verändert, ob behandelt oder nicht. Eine vollständige Kontrolle darüber ist nicht möglich. Vielmehr sollten wir lernen, die Alterung zu akzeptieren und zu schätzen. Wichtig ist, dass die farbliche Veränderung ins Gestaltungskonzept einbezogen und die Bauherrschaft darüber informiert wird. Bei einer naturbelassenen Fassade entsteht je nach Höhenlage, Klima und Ausrichtung mit der Zeit eine graue, dunkelbraune oder schwarze Patina, die sich als feine Schicht über das – unverändert gesunde – Holz legt.

Farbunterschiede überbrücken
Viele Bauherrschaften mögen zwar die finale Farbgebung von unbehandelten Fassaden, sie stören sich aber an den Farbunterschieden während des Alterungsprozesses. Diese lassen sich mit Vorvergrauungen überbrücken. Das angestrebte homogene Altgrau wird heute meist mit Oberflächenlasuren
erzielt. Allerdings sind diese Behandlungen je nach System und Produkt ökologisch nicht unbedenklich: Manche Lasuren werden zusätzlich mit Bläuemitteln (Bioziden) und UV-Absorbern (z.?B. Titandioxid) ausgerüstet. Als Alternative bietet sich die natürliche, kontrolliert-beschleunigte Vorvergrauung an:
Bei diesem Verfahren werden die Bretter mit Pilzkulturen belegt und unter freiem Himmel der Witterung ausgesetzt.

Bei Fassaden aus unbehandeltem Massivholz lässt sich eine Homogenisierung der Holzfarbe auch durch eine regelmässige Hochdruckreinigung mit warmem Wasser erzielen. Das konnten Forschende der Berner Fachhochschule in einem Experiment eindrücklich aufzeigen. Der Unterhalt ist grundsätzlich bei allen Fassaden wichtig und sollte in einem Unterhaltskonzept oder -plan festgelegt werden. Durch periodische Kontrollen und regelmässige Wartung der neuralgischen Fassadenteile kann die Lebensdauer der Holzfassade deutlich verlängert werden.

 

Aus- und Weiterbildungen

Kurs «Holz und Holzbau» (Fokus Restaurierungen). In diesem fünftägigen Kurs der Berner Fachhochschule werden verschiedene Verwendungsarten und Restaurierungsmöglichkeiten von Holz vermittelt und Kenntnisse über die konstruktiven Anwendungsmöglichkeiten von Holz erweitert. Kursdaten: 18./25. März und 1./8./22. April 2022. bfh.ch

CAS Bauen mit Holz – «Architektur – Konstruktion – Realisation». Die Berner Fachhochschule bietet ab dem 27. Januar 2022 wieder eine berufsbegleitende Weiterbildung für Architektinnen, Bauingenieure und Fachplanende an, die noch keine oder wenig Erfahrung im Holzbau haben. Die Ausbildung (ca. 20 Studientage) ermöglicht es, in Architektur- und Planungsbüros anspruchsvolle Aufgaben im Bereich Holzbau (mit Fokus auf den Wohnungsbau) zu über­nehmen. bfh.ch

CAS «Brandschutz für Architektinnen und Architekten». Die Weiterbildung (20 Studientage) wird von der BFH in Zusammenarbeit mit der SIA angeboten und richtet sich spezifisch an Architekten/-innen und Fachplanende. Schwerpunkt ist die Berücksichtigung des Brandschutzes im Entwurf, unter anderem bei der Gestaltung der Fassade. Die nächste Durchführung startet am 20. Januar 2022 (Zürich und Biel). bfh.ch


Qualitätslabel für Holzfassaden

Der Verband Lignum Holzwirtschaft Schweiz betreibt seit 2011 ein Gütezeichen für «Fassadenschalungen in Holz». Das Label bietet den Bauherren Gewähr für eine geprüfte, für den Verwendungszweck geeignete Qualität an fertig behandelten Fassadenbekleidungen aus Hobelwaren. Auch unterstützt das Label die Planenden dabei, Holzbekleidungen richtig auszuwählen. Ausgehend von Kriterien wie Erscheinung, Unterhaltsintervallen sowie Initial- und Unterhaltskosten, lassen sich über ein Online-Tool verschiedene Parameter variieren, um das passende System zu finden. holzfassaden.lignum.ch

Der Verein ecobau zertifiziert Baumaterialien und -teile (u. a. Holz) nach gesundheitlichen und ökologischen Kriterien, um den Planenden die Produktauswahl zu vereinfachen. Es gibt drei Auszeichnungen: eco1, eco2 und ecoBasis. Eco-zertifizierte Produkte werden auch von den Gebäudelabels Minergie-Eco und SNBS anerkannt. eco-bau.ch 


Normen und Planungshilfen

Grundlegende Anforderungen an die Bekleidung von Aussenwänden sind in der Norm SIA 232-1 definiert. Als Planungshilfen existieren zudem weitere Dokumente, welche Empfehlungen für die konkrete Ausführung geben, etwa das Lignatec-Dokument «Fassadenverkleidungen aus unbehandeltem Holz» oder die Lignum-Compact-Ausgabe «Fassadenbekleidungen aus Holz-Konstruktion». Auf der Website stehen zahlreiche Dokumente zur Verfügung.
holzfassaden.lignum.ch

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