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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

03/2021 Raum und Kilma

Stil.Form

Loft Ahoi!

In einem ehemaligen Industriegebiet am Bodensee steht ein besonderer Neubau: eine hohe Bootshalle im Erdgeschoss und Loftwohnungen im zeitlosen Design in den beiden oberen Etagen. Die Form des viergeschossigen Holzbaus orientiert sich an dessen industriellem Vorgänger und rückt zugleich eine traditionelle Methode des Holzschutzes ins Zentrum: das Karbonisieren von Holz.

Text Sandra Depner, K&L Architekten | Fotos Bruno Helbling | Pläne K&L Architekten

 

Industriecharme trifft auf gehobenen Wohnstandard: In Arbon (TG), auf dem ehemaligen Industriegebiet der Arbonia-Gruppe, befand sich ein Backsteingebäude, das in gewerblicher Nutzung stand. Im Rahmen eines Entwicklungsprojektes entschied sich die Bauherrschaft, das Areal umzunutzen und einen neuen Gewerbewohnbau zu erstellen.

Seit der Fertigstellung 2020 können in der überhohen Bootshalle die Boote überwintern, die sommers den Bodensee befahren. Die Obergeschosse überspannen die stützenfreie Einstellhalle mit integrierten Fachwerkträgern in Längs- und Querrichtung. Darin bieten die hochwertig ausgestatteten Räumlichkeiten Platz für vier Mietparteien.
 
Zwischen Villa und Bahnlinie

Das Baufeld C ist Teil des Gestaltungsplans Breitehof. Von hier aus ist die Altstadt Arbons mit ihrer markanten Turmwache in nur wenigen Gehminuten erreichbar, ebenso das Ufer des Bodensees. Die Form des Neubaus orientiert sich an den industriellen Vorgängern auf dem Areal und setzt sich bewusst von den kürzlich realisierten, konventionell konzipierten Wohnhäusern ab. So entsteht mit der ehemaligen Fabrikantenvilla im Süden, den Wohnhäusern im Westen und der Bootshalle am Gleisbogen ein spannungsvolles und differenziertes Miteinander. Dabei ist der Breitehof mit seiner Lage einer idealen städtebaulichen Nutzung unterzogen worden.


Im Jahr 2015 entwickelten K&L Architekten aus St. Gallen den Gestaltungsplan. Zwischen den Überbauungen entstand ein städtischer Raum. Was die übrige Umgebungsfläche des Baufelds kennzeichnet und eint: eine üppige Landschaftsarchitektur mit einer detailreichen Bepflanzung. In dieser gartenartigen Anlage aus wilden Blumenwiesen neben den Wohnhäusern ragt der neue Holzbau, umhüllt von dunklen, karbonisierten Fassadenbrettern, empor.

Die Bauarbeiten am Neubau wurden zwischen Sommer 2019 und Sommer 2020 ausgeführt, nachdem die Baueingabe für den Neubau 2018 und die Ausführungsplanung 2019 erfolgten. Das Untergeschoss sowie der Kern mit Treppen und Lift sind in Massivbauweise erstellt. Ab dem Erdgeschoss erstreckt sich ein Holzbaufachwerk mit einer an das Fachwerk aufgehängten Deckenkonstruktion. Die Tragkonstruktion ist durch Pfostenschuhe mit dem Betonsockel verbunden.

Für die Vorproduktion und die Aufrichte des Holzbaus war die Kaufmann Oberholzer AG aus Schönenberg an der Thur (TG) zuständig. Der Abbund der Holzbauteile und die Vormontage nahmen rund fünf Wochen in Anspruch. Eine Vorarbeit, die sich dann auf der Baustelle auszahlte: In nur fünf Tagen war die Aufrichte des viergeschossigen Holzbaus abgeschlossen. Für die abschliessenden Ausbauarbeiten waren rund 25 Wochen veranschlagt. Die vertikale Schalung aus karbonisierter Douglasie lieferte die Eichmann Holz AG mit Sitz in Tübach (SG).

Die Erschliessung des Haupteingangs erfolgt über den Fussweg entlang der Westseite des Gebäudes. Die Einstellhalle für die Boote wird über den Vorplatz im Süden erreicht. Aufgrund seiner Nutzung als Einstellhalle ist der Gewerberaum mit viereinhalb Metern überhöht konzipiert. Die stützenfreie Gestaltung bietet maximale Flexibilität für die Nutzer und ermöglicht dank der grossen Toröffnung das Manövrieren und Einfahren der Boote.

Der Zugang zu den vier Drei-Zimmer-Wohnungen erfolgt über einen massiven Kern mit Treppe und Lift. Die beiden Wohneinheiten im Obergeschoss sind mit Ost-West-Ausrichtung konzipiert. Ihre Grundrisse sind sehr offen gestaltet und profitieren von einer nach Westen liegenden Loggia. Die beiden Maisonettewohnungen im Attikageschoss verfügen über einen ausgedehnten Wohn-Ess-Bereich und grosszügige Dachterrassen.
 
Stützenfrei dank Fachwerk

Ein in Massivbauweise erstelltes Untergeschoss mit diversen Nebenräumen bildet das Fundament des viergeschossigen Gebäudes. Es schliesst mit dem massiven Treppenhauskern im Wohngeschoss ab. Als Auflager für das aussenliegende Holzstützenraster im Erdgeschoss der stützenfreien Bootseinstellhalle dient ein 30 Zentimeter hoher Betonsockelrand. Entlang der Fassade läuft das Stützenraster bis ins Obergeschoss und fungiert dort als aussenliegendes Grundgerüst für die Kraftabtragung. Die innen liegenden Unterzüge, die im Obergeschoss von der Fassade bis zum Treppenhauskern und zu dem in der Mitte liegenden Trägerbalken laufen, sind mit Brettstapeldeckenfeldern versteift. Sie sind mit Zugstangen vom Fachwerk im Attikageschoss abgehängt. Das Fachwerk wiederum trägt die aufgenommene Last über die gesamte Gebäudeabmessung auf die aussenliegenden Stützenraster jeweils auf der Querseite des Gebäudes wieder ab. Die grossen Fachträger sind in den Loftwohnungen in die Wohnungstrennwände integriert. Die Aussenwände des zurückversetzten Attikageschosses sind ebenfalls als aufgelöste Fachwerkträger ausgebildet, die in Längsrichtung spannen. Ein Clou, der es ermöglicht, das gesamte Obergeschoss an die Fachwerkträger im Attikageschoss zu hängen. So konnte die Einstellhalle ohne Stützen erstellt werden. Wegen der grossen Toröffnung im Erdgeschoss, die stützenfrei sein sollte, wurde im Sturzbereich des Tors ein relativ hoher Unterzug aus Stahl eingezogen, um die Kräfte des Fachwerks aufzunehmen und seitlich in die Holzstützen zu leiten.


Holz, das atmet
Materialität, Grundriss und Farbkonzepte machen die Arbeit der K&L Architekten am Bootsloft aus. Die Mietwohnungen bieten einen hochwertigen Wohnraum, dessen Atmosphäre von viel sichtbarem Holz der Wand- und Deckenkonstruktionen geprägt ist. Bei der Konzeption der Grundrisse wurde auf räumliche Abwechslung mit Durchblicken und geschützten Aussenräumen für die beiden Geschosswohnungen geachtet. Die beiden Maisonettewohnungen bestechen durch ihre zwei aussenliegenden, grosszügigen Dachterrassen, die jeweils über den zentral gelegenen Wohn-Ess-Bereich erschlossen sind. Dreischichtplatten treffen auf Fliessestrich und klassische Architekturdetails, die in der Küche, an der Brüstung oder in der Nasszelle den gehobenen Standard des Ausbaus markieren. Geschickt platzierte Einbaumöbel nutzen den vorhandenen Wohnraum optimal aus. Hinzukommt der grosse Vorteil, den ein Holzbau vor allem im Wohnungsbau mit sich bringt: das angenehme Raumklima. Holz atmet – es nimmt Feuchtigkeit aus der Luft auf und gibt sie wieder ab. Somit kann Holz die Schwankungen in der Luftfeuchtigkeit ausgleichen und für ein gesundes Klima und eine regulierte Raumtemperatur sorgen.

Der kompakte Baukörper mit optimaler Ausrichtung ergibt beste Voraussetzungen für eine nachhaltige und energetisch optimierte Bauweise. Das Dach ist mit Indach-PV-Modulen ausgestattet und sorgt für eine positive Energiebilanz. Die Fassadengestaltung spiegelt die Nutzung des Gebäudes: Das Erdgeschoss mit seiner Lagerfunktion hat nur wenige Fensteröffnungen. Im Obergeschoss charakterisieren horizontal laufende Fensterbänder den Baukörper und lassen Sichtbezüge in das Umfeld zu.

Verkohlt und veredelt

Der Neubau sticht nicht nur aufgrund seiner Formgebung auf dem Areal Breitehof hervor. Augenscheinlich ist es die dunkel schimmernde Douglasienfassade, die das Gebäude deutlich von seiner Umgebung abgrenzt. Die dunkle Farbe verdankt das Holz seiner Veredelung, dem oberflächlichen Ankohlen – dem Karbonisieren. Durch die Oxidation der äussersten Holzschicht wird das Holz auf ökologische Art langlebiger gemacht. Das Verkohlen ist eine althergebrachte Methode der Holzveredelung, die als eine der ältesten Holzschutzmassnahmen gilt. Darauf lassen Ausgrabungen in Pompeji und die Untersuchung von Pfahlbauten schliessen. Aber auch bei den Bootsbauten der Wikinger wurden verkohlte Bretter eingesetzt, um die Boote resistenter zu machen. Ein natürlicher Holzschutz, der nun auch dem neuen Bootsloft zugutekommt.
eichmann-holz.ch

K&L Architekten AG, St. Gallen

Der Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft bewusst: K&L Architekten aus St. Gallen wollen mit ihrer Arbeit einen aktiven Beitrag zur gezielten und qualitativen Entwicklung von Gesellschaft und Umwelt leisten. Dabei setzt das Architektenbüro auf integrale und integrierende Lösung, die ökologisch nachhaltige Werte schaffen sollen. Überall da, wo es als sinnvoll erachtet wird, kommt Holz zum Einsatz – wie beispielsweise bei den meisten Einfamilienhäusern. Bei der Suche nach der idealen Lösung für die Bauherrschaft prägen Material, Funktion, Nutzung und Ästhetik in einem ausgeglichenen Verhältnis die Entwurfsgestaltung. Daran arbeiten tagtäglich die rund 15 Mitarbeitenden der K&L Architekten AG. kl-architekten.ch


Das Projekt – die Fakten

Objekt: Bootshalle und Loftwohnungen
Standort: Arbon (TG)
Fertigstellung: 2020
Bauherrschaft: AW Liegenschaften, Arbon
Architektur: K&L Architekten AG, St. Gallen
Holzbau, Planung und Ausführung: Kaufmann Oberholzer AG, Schönenberg (TG)
Baukosten: Holzbauarbeiten inkl. Verkleidungen CHF 980?000
Gebäudevolumen (SIA 416): 4800 m3
Nettogeschossfläche (SIA 416): 1273 m2
Holz: C24 Duo nsi 34 m3, GL24h-I 18 m3, GL24h-N 24 m3, Optiholz-Brettstapel 137 m3, Brettsperrholz 17 m3, DSP 1000 m2


Kaufmann Oberholzer AG, Schönenberg, Roggwil, St. Gallen

Die Kaufmann Oberholzer AG deckt mit fünf Werken und einem kompetenten Team das gesamte Spektrum der Holzverarbeitung ab und bietet sämtliche Dienstleistungen aus einer Hand. In der Hochsaison fertigt das Thurgauer Holzbauunternehmen alle zwei Wochen ein Einfamilienhaus. Im Zentrum steht eine nachhaltige, gesunde Bauweise. Mit nachwachsendem Schweizer Holz verarbeiten die Schreiner und Zimmerleute einen natürlichen Rohstoff, der Wohlgefühl und Charme ausstrahlt. Dabei pflegt das Team einen sorgsamen Umgang mit den eingesetzten Ressourcen. Die Kaufmann Oberholzer AG setzt sich aus dem Hauptsitz in Schönenberg und weiteren Niederlassungen in Buhwil, Roggwil und St. Gallen zusammen. kaufmann-oberholzer.ch

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