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01/2022 Starker Auftritt

BAU.WERK

Mürren, Curling und James Bond

Vermutlich hat in den Sechzigerjahren die legendäre Szene mit James Bond auf dem Schilthorn (2970 m ü. M.) im Berner Oberland erheblich dazu beigetragen, die Sportart Curling weltweit bekannt zu machen. Im Bergdorf Mürren, unterhalb des Gipfels gelegen, frönt man dem Wintersport schon lange. Neuerdings ist das dort sogar witterungsgeschützt möglich – unter einem Holzdach, das sich als leichte Konstruktion über die Eisfläche spannt.

Text Susanne Lieber | Fotos Roger Baumer, SQWER AG | Pläne Spreng + Partner Architekten AG

 

Bergstation Schilthorn (alias «Piz Gloria»), 1969: «Im Geheimdienst Ihrer Majestät» schleust sich der britische Agent 007 (George Lazenby) in die Zentrale des Bösewichts Blofeld ein. Dieser plant vom Schweizer Gipfel aus, die Weltmacht an sich zu reissen, indem er mit einer Seuche droht. Die zehn ahnungslosen weiblichen Schönheiten, die Blofeld auf dem Piz Gloria um sich schart, sind dabei Teil seines perfiden Plans. Bond versucht, die Katastrophe zu verhindern. Und bandelt beim Curling mit der Damenwelt an. Dabei macht er allerdings keine gute Figur: Beim Setzen seines Curlingsteins schlittert er auf dem Po hinterher. Später macht er das allerdings mit spektakulären Ski- und Bob­abfahrtszenen wieder wett.

Curling unterm Dach
Mürren, 2020: Das auf 1650 m ü. M. gelegene, autofreie Bergdorf wurde um eine Sport­attraktion bereichert: Indoor-Curling. Bislang waren die beiden bestehenden Kunsteisbahnen, die zum Alpinen Sportzentrum Mürren gehören, als offene Flächen angelegt. Die grössere wird vorwiegend zum Schlittschuhlaufen und Eishockeyspielen genutzt, die kleine hauptsächlich zum Curlingspielen. Durch die Überdachung der kleineren Fläche werden nun die Spieler sowie die präparierte Eisfläche vor Regen und Schnee geschützt. Was nicht nur die Pflege der Eisbahn erleichtert und die Spielsaison verlängert, sondern auch die Kosten für den Unterhalt senkt.

Das Dach der kleinen Curlingbahn wurde unter der Prämisse geplant, die Aussicht der dahinterliegenden Wohnbebauung nicht zu beeinträchtigen. Somit war die maximale Höhe der Dachoberkante von vornherein für das beauftragte Berner Büro, die Spreng + Partner Architekten AG, gesetzt. Zudem sollte der bisherige Seiteneingang zum Sportzentrum, der gleichzeitig zu den Wohnungen führt, weiterhin nutzbar bleiben. Auf der Rückseite des Baus musste darüber hinaus eine Lawinenschutzmauer errichtet werden, die das neue Dachkonstrukt vor allfälligen Schäden durch Schneeabgänge bewahrt.


Um das bereits vorhandene, rund 25 Zentimeter tiefe Betonbecken sowie den umlaufenden Kühlgang mit den Installationen für die Ammoniak-Kälteanlage nicht zu tangieren, wurden die Fundamente für die Holzstützen ausserhalb dieses bestehenden Bereichs gesetzt. Dass es sich bei dem Tragwerk um eine Konstruktion aus unbehandeltem Fichtenholz handeln sollte, war für die Architekten dabei von Anfang an klar. Die Primärträger bestehen aus bogenförmig verleimten Brettschichtholzträgern mit einem Querschnitt von 52 auf 52 Zentimetern. Der Abstand zwischen ihnen beträgt drei Meter. Um sie statisch wirksam zu machen, wurden sie mit Stahlzugstangen (M64) unterspannt. So halten sie einer Schneelast von neun Kilonewton pro Quadratmeter stand. Auf den Primärträgern liegen Querträger, darauf wiederum Dachscheiben aus vollflächigen Dreischichtholzplatten. Der Transport der Bauteile ins auto­freie Mürren gestaltete sich hierbei schwierig. Vor allem, was die langen Primärträger anging. Sie mussten deshalb halbiert und mit Montagestoss versehen werden. Ausgeführt wurden die Holzarbeiten von der Brawand Zimmerei AG aus Grindelwald sowie der dasgeid! GmbH aus Gimmelwald.

Besonderes Augenmerk wurde bei der Curlinghalle aber nicht nur aufs Dach gelegt, sondern auch auf die Fassadenelemente. Diese sollten geöffnet werden können und so konstruiert sein, dass sie sich leicht zur Seite schieben lassen – auch bei hoher Schneelast. Um eine reibungslose Funktion zu gewährleisten, entschieden sich die Architekten deshalb, die Schienenführung nicht unten auf dem Boden anzubringen, sondern oben, damit die Elemente unten frei hängen können. Lastet nun Druck von oben, drücken sie nicht auf eine Schiene und klemmen, sondern sind immer noch beweglich. Sollen die Schiebeelemente in Position bleiben, werden sie am Boden mit einem Dorn fixiert. Pro Trag­achsenfeld lässt sich ein Element zur Seite schieben.


Gut durchlüftet ist halb gewonnen

Die aufschiebbaren Fassadenelemente – sie bestehen aus simplen Rahmen mit Fichtenholzlattung – haben nicht nur den Vorteil, dass sie beim Öffnen noch mehr Licht in die Halle bringen, sondern auch eine freiere Sicht nach draussen ermöglichen. Vor allem aber gewährleisten sie eine bessere Durchlüftung. Und die ist hier besonders wichtig, verrät Noah Spreng, Mitinhaber des Architektur­büros Spreng + Partner: «Eishallen haben grundsätzlich ein Problem: Wenn Schnee auf dem Dach liegt, führt das zu Kondensation an der Unterseite der Decke. Die entstehenden Wassertropfen beschädigen dann nicht nur die Eisspielfläche, sondern natürlich auch das Holztragwerk.» Mit den verschiebbaren Fassadenelementen kann hier also die Luftzirkulation zusätzlich erhöht werden. Eine kon­struktiv einfache, aber sehr wirkungsvolle Massnahme, die das Gebäude vor einem vorzeitigen Verschleiss bewahrt – und die Kon­struktion zu einem echten Lowtech-Bau macht.

Das Gipfelgebäude im James-Bond-Film hingegen ist alles andere als Lowtech. Der Entwurf der Gondelstation mit Panoramarestaurant, das sich um seine eigene Achse dreht, stammte vom Berner Architekten Konrad Wolf. 1968 wurde der futuristisch anmutende Bau fertiggestellt. Zumindest der Rohbau, denn das Budget war bereits weit überschritten. Dass das Gebäude als Drehort entdeckt wurde, entpuppte sich deshalb als Glücksfall: Die Produktionsfirma übernahm den Innenausbau.

Für Mürren wiederum ist die neue Curlinghalle ein Glücksfall – denn damit geht die Saison endlich in Verlängerung.


Das Projekt – die Fakten

Objekt: Curlinghalle, Alpines Sportzentrum Mürren
Standort: Mürren (BE)
Fertigstellung: 2020
Bauherrschaft: Alpines Sportzentrum Mürren, Mürren
Architektur: Spreng + Partner Architekten AG, Bern
Bauingenieur: Theiler Ingenieure AG, Thun (BE)
Holzbauingenieur: Indermühle Bauingenieure HTL /SIA, Thun
Holzbau: Brawand Zimmerei AG, Grindelwald (BE); dasgeid! GmbH, Gimmelwald (BE)
Holzverarbeitung: neue Holzbau AG, Lungern (OW)


Spreng + Partner Architekten AG

Seit 1994 widmet sich das Architekturbüro Spreng + Partner Bauprojekten aller Art: von Neubauten bis zu Umbauten und Sanierungen, von privaten Wohnobjekten bis hin zu Projekten im städtebaulichen Massstab. Das Berner Büro beschäftigt derzeit zwanzig Mitarbeitende. spreng-architekten.ch

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