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01/2022 Starker Auftritt

BAU.WERK

Raum zur Entfaltung

Verschlossen gibt sich das Bürogebäude in Ambrì (TI) von aussen – und verbirgt sein Innerstes wie einen kostbaren Schatz: ein beeindruckendes Holztragwerk und?… ganz viel Platz.

Text Susanne Lieber | Fotos Gioele Guscetti | Pläne Architettura Guscetti

Was tun, wenn ein Bürogebäude nicht mehr den Anforderungen genügt, wenn alles zu eng wird und dringend neuer Raum geschaffen werden muss? Dann gibt es vier Möglichkeiten: Erstens, man baut an. Zweitens, man stockt auf. Drittens, man zieht um. Oder viertens: Man baut zusätzlich ein zweites Haus. So geschehen in Ambrì.

Eins + Eins = Platz
Das ursprüngliche Bürogebäude des Architektur- und Ingenieurbüros Guscetti e Reali stammt aus dem Jahr 1958. Seinerzeit wurde es als moderner, zweigeschossiger und eigen­ständiger Bau konzipiert. Nach all den Jahrzehnten ist dieser aber inzwischen zu klein geworden. An der Grundsubstanz des Fünfzigerjahrebaus sollte allerdings nichts verändert werden. Deshalb fiel der Entscheid, ein zusätzliches Haus zu errichten – direkt nebenan.

Beide Baukörper sollten hierbei miteinander verbunden werden, ohne jeweils ihre architektonische Eigenständigkeit zu verlieren. Und dies gelang mit einem Kunstgriff: Es wurde ein Verbindungstunnel geschaffen, der nun die Erschliessung zwischen den beiden Bauten bildet. Wie auch das Bestandsgebäude erstreckt sich der Neubau über zwei Geschosse. Um die Mitarbeitenden vor dem Lärm der Bahn­linie unmittelbar nebenan abzuschotten, wurde eine Umfassungsmauer aus Sichtbeton errichtet.

Hingucker: Holztragwerk

Während der Raum im Erdgeschoss auf den langen Gebäudeseiten verglast ist, ist es im Obergeschoss genau umgekehrt: Die Fenster öffnen sich zu den schmalen Seiten hin. Entsprechend wird der Blick vor allem in den Raum selbst gelenkt. Und der beindruckt nicht nur wegen seiner beachtlichen Spannweite von 19 Metern. Es sind vor allem die mächtigen und durch entsprechende Beleuchtung raffiniert in Szene gesetzten Holzbinder, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie stammen aus dem Werk der Tessiner Firma Laube SA. Die Ober- und Unterbalken bestehen aus Brettschichtholz. Genauso die diagonalen und senkrechten Pfosten, wobei Letztere etwas schmaler dimensioniert sind. Die Tragstruktur hat neben ihrer statischen auch eine raumgliedernde Funktion. Denn sie trennt auf den Längsseiten des riesigen Raums – dieser wird für Ausstellungen und Besprechungen genutzt – Archivbereiche ab. Hier finden jetzt jede Menge Bücher, Zeitschriften und Modelle Platz – Platz?… Platz?… und noch mehr Platz. Wenn es also künftig im neuen Büro an etwas nicht mehr mangelt, dann daran. gpparchitetti.ch

Hüsser Holzleimbau AG

Die Geschichte des Unternehmens geht auf das Jahr 1913 zurück, als Kaspar Hüsser in Berikon (AG) eine Zimmerei gründete. Heute wird die Hüsser Holzleimbau AG – sie ist Teil der Hüsser Gruppe – bereits in dritter Generation geführt und beschäftigt 60 Mitarbeitende. Die Schwerpunkte liegen in den Bereichen Generalbau, Innenausbau und Holzleimbau. Auch Ingenieurleistungen gehören dazu.
huesserholzleimbau.com


Das Projekt – die Fakten

Objekt: Bürogebäude
Standort: Ambrì (TI)
Fertigstellung: 2021
Architektur: Architettura Guscetti, Ambrì
Ingenieur für Stahlbeton: Reali e Guscetti, Studio d´ingegneria SA, Ambrì
Holzbauingenieur: Martin Hügli,
Hüsser Holzleimbau AG, Bremgarten (AG)
Holzbau: Laube SA, Biasca (TI)
Holz: Brettschichtholz (Buche und Tanne)

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