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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

01/2019 Blickfang

BAU.WERK

Training unter dem Fachwerk

Der Eishockeyclub Davos verfügt seit Herbst 2018 über eine neue Trainingshalle direkt neben der Vaillant-Arena. Vorgespannte Holzfachwerke überspannen das Eisfeld und die Tribüne auf 41 Metern. Die Konstruktion kommt ohne zusätzliche Stützen aus, was eine ungestörte Sicht auf das Eisfeld ermöglicht.

Text Michael Büeler, Peter Battaglia, SD | Fotos Fanzun AG, Künzli Holz AG

Die Vaillant Arena, auch bekannt als «Eispalast», gilt durch ihre aussergewöhnliche Holzkonstruktion als eines der schönsten Eishockeystadien Europas. Es ist das Heimatstadion des Hockey Club Davos (HCD) und Austragungsort des Spengler Cup, zu dem der Eishockeyclub jedes Jahr internationale Mannschaften nach Davos einlädt. Etwa zehn Minuten entfernt vom Bahnhof Davos Platz nimmt das Stadion eine prominente Lage mit dem Gotschnagrat im Rücken ein. Zuvor befand sich an dieser Stelle ein 1921 erstelltes, offenes Spielfeld des HCD, das nur durch einen zehn Zentimeter hohen Holzriemen markiert worden war. Dahinter nahmen unmittelbar die Zuschauer Platz. 1979 stieg die Mannschaft in die Nationalliga auf, was die Forderung nach einem überdachten Stadion mit sich brachte. Im April desselben Jahres wurde mit dem Bau begonnen – schon Ende 1979 spielte die Mannschaft ihr erstes Meisterschaftsspiel darin. Seit Sommer 2018 ergänzt nun ein weiterer Bau – die neue Trainingshalle – den Betrieb des HC Davos.

Ein Grund für den Neubau ist die anstehende Gesamtsanierung der Vaillant Arena bis 2021. Seit 2018 wird sie in den Sommermonaten etappenweise umgebaut. Für diesen Zeitraum dient die neue Trainingshalle auch als Ausweichmöglichkeit für die erste Mannschaft. Der Neubau ermöglicht professionelle Trainingsbedingungen über das ganze Jahr hinweg und versteht sich als Kompetenzzentrum für den Nachwuchs. Zudem ist die Halle zugänglich für den öffentlichen Eislauf sowie Curling. Im Frühjahr 2017 entschied die Fanzun AG den Architekturwettbewerb für sich. Die Bauherrschaft wünschte eine Trainingshalle ohne zusätzliche Infrastruktur. Die Halle stülpt sich über das bereits bestehende Ausseneisfeld. Garderoben und Toiletten werden in der benachbarten Vaillant Arena genutzt, die den Neubau auch mit Energie versorgt. Im nördlichen und südlichen Bereich sind zwei Galerien von rund 400 Quadratmetern. Darin befinden sich der Trainingsbereich für den Hockey-Goalie, eine Schussanlage, eine Rennbahn und mit einer Skatemill ein spezielles Laufband, auf dem Hockeyspieler ihre Skatetechnik verbessern können. Beide Galerien sind über einläufige Treppen erschlossen. Auf dem rund 3100 Quadratmeter grossen Dach wurde eine Solaranlage installiert.


Die Kernaufgabe bestand darin, eine hochwirtschaftliche und funktionale Gesamtlösung für den Hallenbau zu entwickeln. Gleichzeitig musste an der städtebaulich exponierten Lage, in unmittelbarer Nähe zur Vaillant Arena, eine überzeugende ortsbildnerische Reaktion gefunden werden. An der Realisierung beteiligten sich neben der Fanzun AG hinsichtlich des Holzbaus unter anderem das Ingenieurbüro Walt Galmarini AG aus Zürich, die neue Holzbau AG aus Lungern sowie die Zimmerei Künzli Holz AG aus Davos. Analog zur Vaillant Arena verfügt die Trainingshalle über ein Holztragwerk mit einer Hülle aus Polycarbonat. Der Hallenbau mit einer Grundfläche von 66 mal 48 Metern ist durch eine geschichtete Raumabfolge gekennzeichnet: Tribüne, Eishockeyspielfeld und abschliessend eine Wandelhalle als grosszügige Geste zur Eisfläche. Das Holzbauunternehmen Künzli Holz AG war im Rahmen der Trainingshalle mit einer sehr kurzen Planungs- und Bauzeit konfrontiert: Die Ausführungsplanung startete im Januar 2018, die Übergabe an den Betreiber war auf September 2018 datiert. Der enge Terminplan wurde vom Davoser Holzbauunternehmer Thomas Künzli eingehalten – so wie fast 40 Jahre zuvor, als sein Vater mit der Vaillant Arena ein ebenso spektakuläres Mammutprojekt innerhalb weniger Monate aufgerichtet hatte.

 

 

 

 

NUR SECHS MONATE BAUZEIT

Mit dem Bau der neuen Trainingshalle wurde um Ostern 2018 begonnen. Rund sechs Monate lagen zwischen Start und Eröffnung am 6. Oktober. Die Elementproduktion erfolgte zwischen Juni und Juli. Anfang Juni begann die Künzli Holz AG mit den Holzbauarbeiten auf der Baustelle. Die Montage der Fachwerke setzte einen Monat später ein. Die Aufrichte war Ende Juli 2018 abgeschlossen. Im Anschluss daran wurden im August die Fassadenarbeiten in Angriff genommen. Auf der Baustelle waren im Schnitt 15 Mitarbeitende der Künzli Holz AG.

Das Tragwerk besteht aus Fichte, das an hoch belastenden Stellen mit Eschenholz ergänzt wurde. Zehn Holzfachwerke überspannen die bestehende Eisfeldanlage sowie die Tribüne über 41 Meter – und das stützenfrei, um die Sicht auf das Eisfeld frei zu halten. Die Fachwerke liegen beidseitig auf je zwei Strebenböcken auf. Der eine Strebenbock ist gegen innen geneigt, der andere liegt in der Fassadenebene. Fachwerk und Strebenböcke bilden so gemeinsam ein Rahmentragwerk. Dieses statische System ist robust, ermöglicht eine Reduktion der Beanspruchungen in der Feldmitte und dient der Aussteifung der Halle in Querrichtung. Die Strebenböcke in der Fassade steifen die Halle zudem in Längsrichtung aus. Sie liegen mittels eingelegter Stahlplatten auf den partiell neu erstellten Auflagerwänden auf. Die horizontalen und vertikalen Lasten aus dem Dach werden durch räumliche Fachwerkmodelle in den Stahlbetonscheiben zu den Mikropfählen weitergeleitet. Und da kann in schneereichen Monaten einiges an zusätzlicher Last hinzukommen. Gerechnet wurde mit einer Bemessungsschneelast von 975 Kilogramm pro Quadratmeter Dachfläche, denen das Tragwerk standhalten muss. Aufgrund des schlecht tragfähigen Bodens sind für die Fundierung dieser Lasten bis zu 27 Meter lange Mikropfähle nötig. Je nach Lage sind diese durch Zug oder Druck beansprucht.

 

MONTAGESTOSS IN DER FELDMITTE

Da die Fachwerkträger nicht in einem Stück transportiert werden konnten, sind sie in der Feldmitte gestossen. Die Druckkräfte beim Stoss im Obergurt werden über einen Vergussmörtel einfach übertragen. Um die schwieriger zu übertragenden Zugkräfte im Untergurt zu reduzieren, ist ein Vorspannkabel eingelegt. Die Restzugkraft wird über eingeklebte Gewindestangen übertragen. Zwischen die Fachwerkobergurte sind Rippenelemente als Sekundärtragwerk eingehängt. Die obere Beplankung – eine 42 Millimeter starke Dreischichtplatte – bildet die Dachscheibe und leitete während der Montage die Eigenlasten der Elemente auf die Fachwerke ab. Für die grösseren Schneelasten sind die Rippen zusätzlich über Vollgewinde-Schraubenkreuze mit den Fachwerk-Obergurten verbunden. Rippen und Dreischichtplatte wurden bereits im Werk zu Dachelementen verbunden.

Zwischen den jeweils letzten zwei Feldern ist auf Höhe der Fachwerk-Untergurte eine Rippendecke eingezogen, die eine Nutzung der Räume als Galerie ermöglicht. An Zugstangen aufgehängte Treppen ermöglichen den Zugang zu diesen Räumen. Stirnseitig schliessen zwei Giebelwände das Hallenvolumen ab. Im Erdgeschoss sind ausserdem zwei Bereiche mit Holzrahmenwänden umschlossen, darin ist die nötige Haustechnik enthalten. Der Bodenaufbau der Eisfläche besteht aus Stahlbeton mit einer integrierten Kühlung und einer 50 Millimeter dicken Eisschicht – die restlichen Böden in der Galerie und dem Technikraum setzen sich vorwiegend aus Dreischichtplatten und Brettschichtholz zusammen. Auf den Böden der Trainingsräume auf Galerieebene sind zusätzlich ein Kunsteisbelag sowie ein Kunstrasen eingezogen.

Im September 2018 fand die Übergabe statt. Seitdem steht die Halle unter Beobachtung. An den Fachwerken sind Sensoren angebracht, die die Feuchtigkeit messen. Sie sind wie Nägel ins Holz geschlagen und messen den elektrischen Widerstand im Holz, was Aufschluss über die Holzfeuchte im Inneren der Balken gibt. Grund dafür sind die klimatischen Besonderheit einer Eishalle. Die dem kalten Eis zugewandte Untersicht der Holzträger strahlt mehr Wärme ab als die Trägerflanken. Durch die zwei bis drei Grad tiefere Temperatur besteht schneller die Gefahr von Kondensatbildung, was die Festigkeit und Dauerhaftigkeit der Holzkonstruktion vermindern würde. Durch eine kontrollierte Entfeuchtung der Luft kann dies verhindert werden. Das Monitoring dient der Kontrolle und Justierung dieser haustechnischen Massnahmen. Wie es um die Holzfeuchte steht, das flackert nun auf den Bildschirmen der Berner Fachhochschule auf, die die Daten im Rahmen eines Forschungsprojekts analysiert. Bei Überschreitung definierter Grenzwerte werden zudem die Ingenieure der Walt Galmarini AG informiert, die dann eine Nachjustierung der Haustechnikanlage veranlassen können.

 

 

ATTRAKTIVE UND NAHELIEGENDE LÖSUNG

Holz spielte beim Entwurf schon sehr früh eine entscheidende Rolle. Die Planer der Fanzun AG entschieden sich nicht nur aus gestalterischen Gründen und wegen der dadurch erzeugten Nähe zur Vaillant Arena für den Werkstoff. Auch hinsichtlich der knappen Bauzeit und im Hinblick auf eine finanziell attraktive Lösung wurde das Tragwerk wie auch jenes der Vaillant Arena in Holz erstellt. Aussen nimmt das dunkel angestrichene Holz der Streben optisch Bezug zum benachbarten Eispalast.
fanzun.swiss, waltgalmarini.ch, kuenzli-davos.ch 

Das Projekt – die Fakten

Objekt: Neue Trainingshalle des HC Davos
Standort: Davos (GR), auf dem Areal der Vaillant Arena
Baujahr: 2018
Bauzeit: Januar 2018 – September 2018
Bauherrschaft: Hockey Club Davos AG
Architektur, Bauingenieur Beton- und Tiefbau: Fanzun AG Architekten Ingenieure Berater, Chur
Holzbau: Künzli Holz AG, Davos
Holzbauingenieur: Walt Galmarini AG – Dipl. Bauingenieure ETH SIA USIC, Zürich; neue Holzbau AG, Lungern (OW)
Baukosten: CHF 7,8 Millionen
Gebäudevolumen SIA 416: 25?712 m3
Bruttogeschossfläche SIA 416: 2765 m2
Holz (Tragwerk): 420 m3 Fachwerke und Streben diverser Festigkeiten

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