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04/2021 Hin und weg

WELT.WEIT

Zum Aufschieben schön

Ein Haus, bei dem sich die Fassade einfach wegschieben lässt? Donnerwetter! Donnerwetter? Mit Wetterkapriolen hat der Hausentwurf des Niederländers Caspar Schols tatsächlich zu tun.

Text Susanne Lieber | Fotos Jorrit ‘t Hoen & Tõnu Tunnel

 

Angefangen hatte alles mit einer Bitte seiner Mutter: Kaum hatte Caspar Schols seinen Physik-Masterabschluss in der Tasche, sollte er für seine Mutter ein Gartenhäuschen bauen. Einen Rückzugsort, um zu lesen, zu malen oder mit der Familie zusammen zu sein. Einen Rückzugsort, an dem sie sich mit der Natur wahrhaftig verbunden fühlt.


Ein Greenhorn auf Erfolgskurs

Ohne jegliche architektonische Vorbildung machte sich Caspar Schols 2016 ans Werk. Unerschrocken und mit einer klaren Vision. Bereits nach kurzer Zeit wurde die internationale Architektur- und Designszene auf
seinen ausgetüftelten Entwurf aufmerksam. Mit dem öffentlichen Interesse folgten dann Auszeichnungen und Preise.

Die Grundidee des Gartenhausentwurfs aus Holz ist so simpel wie clever: Das Giebelhäuschen ist aus zwei Fassadenstrukturen aufgebaut. Die innere besteht aus Glas und markantem Strebenfachwerk, das den Raum atmosphärisch prägt. Die äussere gibt sich geschlossen, nur kleine Fensterausschnitte gewähren einen Blick nach draussen. Beide Fassadenschichten lassen sich mit wenig Kraftaufwand und unabhängig voneinander jeweils auf Schienen auseinanderrollen. Und genau darin liegt die Genialität: In wenigen Sekunden, passt sich der Raum jeder Wetter- oder Gemütslage an.


Ein Haus mit und ohne Fassade

In lauen Sommernächten kann man das Häuschen komplett öffnen. Alle Fassadenelemente werden beiseitegeschoben und bilden an den jeweiligen Giebelseiten gedeckte Terrassenplätze. In der Mitte des Holzhauses öffnet sich gleichzeitig der Wohnbereich komplett. So lässt sich direkt unter freiem Himmel schlafen – aber mit dem Luxus eines richtigen Betts! Ist es draussen hingegen kühl und nass, bildet die Glasfassade einen leichten und transparenten Schutz, ohne aber die Natur auszusperren. Wird das Wetter wirklich kalt und schlecht, bildet die äussere Hülle eine zusätzlich isolierende Schicht.

Nach der Begeisterungswelle für seinen Entwurf entwickelte der Autodidakt das Gartenhaus weiter. Nun heisst es Cabin Anna und wartet auf Gäste. Seit April dieses Jahres bietet das Holenberg Resort im niederländischen Schaijk nämlich die Möglichkeit, sich am eigenen Leib vom Konzept des Minigebäudes zu überzeugen – inmitten eines Naturschutz- und Wildtierreservats (De Maashorst). Die Pläne des Niederländers gehen aber noch weiter: Künftig soll Cabin Anna nicht nur an naturnahen Standorten in den Niederlanden gemietet werden können, sondern in ganz Europa und auch in Nordamerika. Dabei spannt Caspar Schols mit der niederländischen Organisation Rewilding Europe zusammen, die sich zum Ziel gesetzt hat, durch Renaturalisierung neue Wildnisgebiete zu schaffen. Aber auch damit nicht genug. Seit Kurzem kann jeder seine eigene Hütte in Auftrag geben und kaufen. Mit Küche, Dusche und Toilette, quasi allem, was dazugehört.

Die Konstruktion in leichter Holzbauweise macht ein Betonfundament obsolet. Für die Montage genügt in der Regel ein Schraubfundament. Dieses besteht aus 16 Stahlpfählen, die einfach in den Boden gedreht werden. Was den entscheidenden Vorteil hat: Das Haus lässt sich samt Fundament auch wieder rückstandslos entfernen.

Cabin Anna ist flügge geworden. Das Kleinod hat mittlerweile den Sprung vom heimischen Garten in die weite Welt geschafft. Und es wird spannend werden, zu beobachten, wo sich die kleine Hütte künftig überall in der Natur versteckt. holenberg.com, cabin-anna.com

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