In Zusammenarbeit mit der Suva bietet der Verband Holzbau Schweiz Sektion Graubünden einfache Ansätze zur erfolgreichen und nachhaltigen Prävention von Freizeitunfällen an. In Ilanz und Küblis fanden im Oktober die ersten Seminare dazu statt. Die massgeschneiderte Weiterbildung richtet sich an Geschäftsinhaber und Geschäftsführer sowie Führungspersonen von kleinen bis mittleren Holzbaubetrieben. Das Seminar dauert rund drei Stunden. Es verfolgt einen praxiserprobten Ansatz. Das Versprechen: Mit wenig Aufwand kann ein Unternehmen einen verunfallten Mitarbeitenden bei der Rückkehr in den Betrieb unterstützen. Durch gezielte Massnahmen dabei aus dem Geschehenen lernen und damit Leid und auch Betriebskosten reduzieren.
Freizeit ist nicht nur Privatsache
1. Oktober 2019, 16.00 Uhr: in den Räumlichkeiten der Firma ruwa Holzbau AG. Eine 9-köpfige Gruppe, allesamt Personen in führenden Positionen eines kleinen bis mittleren Holzbaubetriebes, sitzen neugierig und gleichzeitig etwas skeptisch im Raum. Was erwartet sie an diesem Feierabendseminar? Als Holzbauer, Zimmerleute, Schreinerinnen und Schreiner sind sie doch eher Menschen, die von Taten anstatt von Worten zu überzeugen sind.
Zuerst werden Unfallzahlen der anwesenden Betriebe angeschaut, verglichen und interpretiert. Schnell wird klar: Schreinerinnen und Schreiner verunfallen in der Freizeit mehr als andere Gewerke. Sind sie einfach mehr Outdoor-Menschen? Lieben es, in der Natur zu sein und sich sportliche zu betätigen? Schliesslich erfordert ihr Job eine gewisse körperliche Fitness. Umso mehr lohnt es sich, dem weiteren Seminarinhalt zu folgen,
Die Suva ist kein Spielverderber
Urs Näpflin, Präventionsspezialist und Bereichsleitender Betriebliches Gesundheitsmanagement der Suva, beginnt: "Mitarbeitende, die in der Freizeit aktiv sind, sich körperlich bewegen, etwas tun, was ihnen Spass und Freude bereitet, sind nicht nur zufriedener, sie sind auch leistungsfähiger". Ein körperlich fitter Mensch kann durch sein Verhalten, die eine oder andere prekäre Situation beim Freizeitsport meistern und so gegebenenfalls einen Unfall verhindern. "Eine gute Fitness bewährt sich bei körperlich Arbeitenden nicht nur in der Freizeit, auch im Arbeitsalltag haben sie einen Vorteil. Sie können in bestimmten Situationen durch die körperliche Verfassung das Unfallrisiko vermindern.", betont Näpflin. Warum sollte also der Arbeitgeber den Mitarbeitenden beim Freizeitverhalten dreinreden? Darf er das überhaupt? Das ist doch Privatsache. So die allgemeine Meinung der Seminargruppe zu Beginn der Veranstaltung. Einig ist man sich aber auch: Freizeitunfälle verursachen nicht nur menschliches Leid, auch Kosten und Ausfälle im Betrieb sind die Folge. Näpflin erklärt, was persönliche Unfallprävention bedeutet: "Es geht nicht darum, den Mitarbeitenden etwas zu verbieten. Vielmehr geht es darum, dass jeder Mitarbeitender seine Risiken in der Freizeit beurteilt und seine Präventionsmöglichkeiten selber bestimmt. Weiter geht es auch darum, im Gespräch mit den Mitarbeitenden die Möglichkeiten auszuloten, wie man aus Unfällen und Verletzungen lernen kann."
Reden ist Gold - Schweigen nur Silber!
Nach einer kurzen Pause geht es ans "Eingemachte". Urs Näpflin fragt in die Runde: "Wer redet über Freizeitunfälle im Betrieb? Wie sprecht ihr einen verunfallten Mitarbeitenden auf das heikle Thema an?" Anhand verschiedener Aufgabenstellungen werden Erfahrungen ausgetauscht. Darauf folgen Inputs, wie man die Aufgabe nachhaltig und zielorientiert angehen kann. Wichtig dabei ist: Echtes Interesse am Geschehenen zu zeigen sowie die gemachten Erfahrungen des Verunfallten ernst zu nehmen. Fix eingeplante Gespräche mit dem Verunfallten persönliche sowie auch im Team unterstützen, den Unfall zu verarbeiten. "Es braucht dafür eine gewisse Offenheit und Empathie, v.a. von den Vorgesetzten, damit sich eine vertrauensbasierte Gesprächskultur im Betrieb etabliert. Finden die Gespräche ohne echtes Interesse statt, haben sie wenig bis keinen Nutzen", weiss Näpflin. Mittels geführten Gesprächsprotokollen können Erkenntnisse aus den Gesprächen festgehalten und den Beteiligten zugänglich gemacht werden. "Wir Menschen sind soziale Wesen, die sich u.a. am Verhalten anderer orientieren. Gehe ich mit einem guten Beispiel voran, folgen andere. Zudem kommt man im Austausch über eine Situation zu neuen Erkenntnissen. Das schriftliche Festhalten schafft Verbindlichkeit", bekräftigt Näpflin. "Die Erfahrung zeigt, dass Führungspersonen oft überrascht sind, wie hoch die Bereitschaft der Betroffenen ist, sich Gedanken über das Unfallthema zu machen und auch darüber zu reden. Auf ausgetauschte Worte folgen dann oft die Taten", weiss der Präventionsspezialist.
Die Rückkehr an den Arbeitsplatz ist oft hart
Bei den Verunfallten ist die Scham oft gross, nach wochenlanger Abwesenheit wieder in das Arbeitsumfeld zurückzukehren. Dabei beschäftigen ihn womöglich Fragen: Wie werde ich wohl empfangen vom Chef und den Kollegen? Mussten diese doch die anfallende Arbeit ohne meine Unterstützung erledigen. Oder: Bin ich noch genau so leistungsfähig wie vor dem Unfall? Schaffe ich das Pensum oder den Auftrag, auch wenn ich noch nicht Hunderprozent der/die "alte" Person bin. "Ein Unfall verändert den Menschen, sein Verhalten und seine Wahrnehmung", bestätigt Näpflin. Im letzten Teil des Seminars bekommt man Tipps, Checklisten und Planungshilfen, wie man die Rückkehr eines verunfallten Mitarbeitenden für beide Seiten erfolgreich gestaltet.
Wissen und Erfahrungen vermehren sich im Austausch
Nach gut drei Stunden intensiver Auseinandersetzung mit dem Thema sind sich die Seminarteilnehmenden bei einem Abschlussapéro einig: Egal ist, ob ein Unfall in der Freizeit oder bei der Arbeit passiert. Um das Geschehene zu verarbeiten und für den Verunfallten sowie auch für den Betrieb das Beste herauszuholen, braucht es Offenheit, menschliches Engagement und ein bisschen Mut auch Unangenehmes zu thematisieren. Die Kombination davon ermöglicht es, aus Unfällen zu lernen.
Die Suva bietet für Verbandsmitglieder kostenlos Unterstützung in Form von Wissensvermittlung, Checklisten und Planungshilfen.
Haben Sie Interesse am Führungsseminar "Wirksame Prävention für Freizeitunfälle"? Kontaktieren Sie die Suva Agentur Chur/Linth