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01/2018 Präzision beim Hausbau

BAUEN

Waadtländer Parlament unter neuem Dach

Seit letztem Jahr tagen die Abgeordneten des Kantons Waadt in ihrem neuen Parlament. Ein architektonisch aussergewöhnliches Dach verbindet alte und neue Elemente des Parlamentsgebäudes. Ein besonderes Augenmerk wurde auf die Verwendung von Baumaterialien aus der Schweiz und die Beauftragung lokaler Unternehmen gelegt.

Text Saint-Gobain Isover SA, DB | Fotos Rémy Gindroz, Saint-Gobain Isover SA

Der Kanton Waadt hat wieder ein Parlamentsgebäude. Nach 15 Jahren im provisorischen Exil wurde letztes Jahr von den Waadtländer Grossrätinnen und Grossräten das neue Zuhause im Quartier Cité, Lausanne, bezogen. Es brauchte zahlreiche politische Wendungen und drei Jahre für die Bauarbeiten, bis der Grosse Rat wieder seinen angestammten Platz gegenüber dem Schloss, dem Sitz der Waadtländer Exekutive, beziehen konnte.


Das historische Waadtländer Parlamentsgebäude ist 1804 von Alexandre Perregaux erbaut worden. Bei Renovationsarbeiten im Jahr 2002 zerstörte ein Brand das Gebäude. Die meisten grösseren Gebäudestrukturen des historischen Parlaments – wie Mauern oder das Balkenwerk – waren entweder komplett zerstört oder irreparabel beschädigt, ebenso die historischen Innenelemente, besonders die Täfelungen. Nur wenige Innenraumelemente und Fassadenteile wie der neoklassizistische Giebel konnten gerettet und restauriert werden. Nach zahlreichen Diskussionen entschied der Grosse Rat, ein neues Gebäude am angestammten Standort zu errichten. Es wurde darauf ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben und die Jury entschied sich aus 55 Bewerbungen für das Projekt «Rosebud» der Architekturbüros Cue aus Lausanne und Bonell i Gil aus Barcelona.


Neben der Funktionalität legte die Jury Wert darauf, dass sich das Gebäude am Standort einfügt, die Anforderungen eines modernen Parlaments erfüllt und den ökologischen Ansprüchen genügt. Das Siegerprojekt überzeugte mit verschiedenen Aspekten der Nachhaltigkeit: mit einer modernen Technologie in Verbindung mit den vorhandenen traditionellen Elementen, dem Einbezug der Brandruine sowie der Verwendung von erneuerbaren Baumaterialien und Recyclingprodukten. Das neue Parlamentsgebäude weist einen geringen Energiebedarf auf, während gleichzeitig der Komfort hinsichtlich Lärmschutz, Beleuchtung und Wärme gewährleistet ist. Auch der soziale Aspekt war relevant: Ein grosser, öffentlich zugänglicher Bereich fördert jetzt den Kontakt zwischen der Bevölkerung und ihren Institutionen.

Dachdiskussion mit Kompromiss
Doch mit der Kür des Siegerprojekts war die Geschichte noch nicht zu Ende. Das Projekt war keineswegs unumstritten. Viele störten sich insbesondere an einem Punkt: dem Dach. Dessen Form und Verkleidung waren gar Anlass für die Lancierung eines Referendums im Jahr 2012. Dieses konnte durch eine Umplanung schliesslich vermieden werden, und so nahm der Grosse Rat das überarbeitete Projekt an und sprach einen Kredit von 17 Millionen Franken. In der neuen Version von «Rosebud» wurde das Dach, ursprünglich um einiges imposanter und mit einer grauen Zinnverkleidung geplant, um 30 Prozent verkleinert. Ausserdem erhielt es eine symmetrische Form mit vier Seiten und rote Ziegel. 2013 konnte dann endlich die Baubewilligung erteilt werden und der Spatenstich erfolgte 2014.

Dachkonstruktion ohne Sparren
Nun thront das neue Waadtländer Parlament stolz auf dem Hügel der Cité über Lausanne, dies trotz vielen Jahren politischer Auseinandersetzungen. Und trotz der Umplanung lässt sich sagen, dass das Dach – obwohl leidenschaftlich bekämpft – nach wie vor das Meisterstück des Gebäudes darstellt. Das Holzdach mit seinen roten Ziegeln ist 15 Meter hoch und ohne Sparren konstruiert. Damit dies gelang, wurden vormontierte, kreuzverleimte Holzplatten – eine bedeutende Innovation in der Holzbautechnik – eingesetzt. Alle Teile mussten mit einer Nummer versehen angeliefert und an ihrem vorgesehenen Platz montiert werden. Die Herstellung der Dachteile erfolgte in der Werkstatt der Firma Atelier Volet in Saint-Légier (VD) und dauerte insgesamt zwei Monate. Zuerst wurden Holzelemente von 2,5 Meter Breite und 6 Meter sowie 9 Meter Länge in der Werkstatt vorgefertigt und mit gerollten Selbstklemmplatten aus Glaswolle aufgefüllt. Die Dämmung gewährleistete eine einfache Montage. Anschliessend sind die Bauteile per Lastwagen zur Baustelle transportiert und auf der bereits bestehenden Trägerstruktur verteilt worden. Dann konnte das Gerüst aufgebaut werden. In einem zweiten Schritt wurden die nummerierten Holzbauteile auf einer zweiten Struktur im 70-Grad-Winkel an ihrem endgültigen Platz montiert. Das Atelier Volet war zudem für die Dichtung und Ziegelabdeckung des Dachs zuständig. Die Dachstruktur besteht ausschliesslich aus Holz aus Waadtländer Wäldern. Auch die Herstellung der Schichtholzelemente erfolgte im Kanton Waadt. Einzig die grossen Mehrschichtplatten wurden aus Kostengründen in Deutschland produziert. Die Trägerstruktur ist mit dem Ursprungszertifikat der Schweizer Holzbranche ausgezeichnet.

Parlamentsdach

Projekt: Neubau Waadtländer
Parlament, Lausanne
Bauherrschaft: Kanton Waadt
Fertigstellung: 2017
Architekten: Atelier Cube,
Lausanne; Bonell i Gil, Barcelona
Bauingenieur: Yves Weinand,
Lüttich (BE)
Holzbau: Atelier Volet,
Saint-Légier (VD)
Dämmung: Saint-Gobain Isover SA, Lucens (VD)