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02/2018 Fit im Holzbau

BAUEN

Wasserspass unter dem Holztragwerk

Die kleine Stadt Uster hat das Hallenbad mit der grössten öffentlichen Wasserfläche der Schweiz. 50 Meter misst das Olympiabecken für die Schwimmsportler. Überspannt wird es von einem Holztragwerk mit bis zu 38 Meter langen Leimbindern.

Text Dorothee Bauland | Fotos Stadt Uster, PBM AG, Strabag AG

Gut eineinhalb Jahre sassen die Schwimmsportler aus Uster quasi auf dem Trockenen, doch das Warten hat sich gelohnt: Als das städtische Hallenbad im Dezember 2016 für die 34?000 Einwohner sowie die auswärtigen Besucher wiedereröffnet wurde, hatte es nicht nur die grösste öffentliche Wasserfläche der Schweiz, sondern ist zudem ein Vorzeigeprojekt im ökologischen Schwimmbadbau. Einerseits durch die Wahl einer nachhaltigen Badwassertechnik und Wärmegewinnung, andererseits dank der Entscheidung, das Tragwerk in Holz zu realisieren.

Holztragwerk mit Sonderstahl-Verbindern
Die Holzkonstruktion trägt zwei Hallendächer: Zehn 38 Meter lange Holzleimbinder überspannen das Olympiabecken, zehn gut 30 Meter lange Holzbinder tragen das Dach über dem Spassbad mit Rutsche, Kinderplanschbecken und 25-Meter-Becken. Den Auftrag für den Holzbau erhielt die Strabag AG aus Schlieren, die über eine Holzbauabteilung mit rund 50 Mitarbeitenden verfügt. Eine grosse Herausforderung stellte für den Holzbau-Projektleiter Dominic Graf die Beschaffung der speziellen korrosionsarmen Verbindungsmittel dar. Das besondere Augenmerk auf die Stahlteile ist auch der tragischen Vorgeschichte des Hallenbads Uster geschuldet. Vor bald 33 Jahren stürzte die Decke des Hallenbads auf das Schwimmbecken, zwölf Badegäste verloren damals ihr Leben. «Wir haben bereits bei der Ausführungsstatik und der Werkplanung versucht, den Anteil an Stahlteilen und Verbindungsmittel aus Metall auf ein Minimum zu reduzieren», erläutert Graf. «Aufgrund der Vorgeschichte dieses Hallenbades wurden als absolut sicherste Variante ausschliesslich Stahlteile der Werkstoffklassifizierung 1.4529 verwendet.» Der Werkstoff 1.4529 ist ein nichtrostender superaustenitischer Nickel-Chrom-Molybdän-Kupfer-Stahl mit stabilem Gefüge und hoher Beständigkeit gegen Lochfrass-, Spalt- und Spannungsrisskorrosion. «Dieser Werkstoff ist sehr schwierig zu beschaffen, hat eine lange Lieferfrist und auch einen entsprechend hohen Materialpreis», beschreibt der Projektleiter die Ausgangslage. «Aufgrund dieser Voraussetzung haben wir einen massgebenden Teil mit Schlitzplatten aus Sperrholz oder Furnierschichtholz und Dübelverbindungen ausgeführt, was sich auch als wirtschaftlichste Lösung herausstellte.» Ausserdem mussten die Holzträger mit einem hallenbadtauglichen Leim verklebt werden; hierzu wurde Melaminharz verwendet. Eine zusätzliche Oberflächenbehandlung sei für das Holz jedoch nicht erforderlich gewesen, so Graf: «Holz ist sehr resistent gegenüber Chlor.»


Vollflächiges Arbeitsgerüst für eine sichere Montage
In den rund acht Monaten von Auftragseingang bis Baubeginn waren bei Strabag Holzbau zeitweise drei Mitarbeiter mit der Werkplanung, Ausführungsstatik und Arbeitsvorbereitung befasst. Drei weitere Mitarbeiter waren ausserdem rund zwei Wochen mit dem Einmessen und der Vormontage der Stahlbauteile beschäftigt. Die Aufrichte des Haupttragwerks mit zwanzig Holzbindern (2,80 respektive 2,72 auf 0,36 Meter) erfolgte dann in nur einer Woche durch sechs Zimmerleute. Für die Montage wurde vorgängig ein vollflächiges Arbeitsgerüst erstellt, was ein sicheres Arbeiten ermöglichte. Neben dem Primär- und Sekundärtragwerk in Holz wurden auch die Flachdachelemente, die Aussenwände, der Technikanbau, der Anbau für die Anlieferung und die Brandschutzverkleidungen durch Strabag Holzbau montiert. Hierfür waren weitere vier Mitarbeiter während drei Monaten im Einsatz, die 156 m3 OSB-3-Platten, gut 800 m3 Brettschichtholz, knapp 180 m3 Konstruktionsholz sowie 6?m3 Sperrholzplatten, 3?m3 Furnierschichtholz und 2 m3 Brettsperrholz für das Hallenbad verbauten. Allein für die Anlieferung der Hauptträger waren zehn Spezialtransporte erforderlich.

Verbrauchtes Badewasser wird aufbereitet
Der hohe Holzanteil in der Tragwerkskonstruktion, das kompakte Volumen sowie die neue Gebäudehülle wirken sich positiv auf die Nachhaltigkeit des Hallenbads aus, das im Minergie-Plus-Standard realisiert wurde. Unter anderem wurden zusätzliche Dämmungen und Sonnenkollektoren für die Warmwassererzeugung eingesetzt. Die Badewassertechnik ist im Untergeschoss des Gebäudes angesiedelt. Die übrige Haustechnik wurde jedoch aufgrund des hohen Grundwasserspiegels in einem Vorbau angeordnet, was sehr direkte Leitungsführungen zu den verschiedenen Gebäudebereichen ermöglicht. Eine Photovoltaikanlage auf dem Hallenbaddach generiert Strom. Er wird über eine Trafostation in die Hauptverteilung des Sportareals eingespeist. Weitere Sonnenkollektoren wärmen das Bade- und das Brauchwasser vor. Eine Öl-/Gasheizung ist mit einer Wärmerückgewinnungsanlage aus Abwasser kombiniert, die die Wärme des gesamten Hallenbadabwassers nutzt. Auch verbrauchtes Badewasser wird nicht einfach entsorgt, sondern aufbereitet und zur Flächenreinigung der Anlage sowie als WC-Spülwasser genutzt.


Silbrige Holzfassade und grosszügige Verglasung

Auf dem Sportareal Buchholz ist mit dem neuen Hallenbad ein Gebäude entstanden, das sich mit seiner silbrigen Holzfassade und den grosszügigen Verglasungen an den Fassaden in einer zeitgemässen Ästhetik präsentiert. Die helle, moderne Architektur, ein Entwurf der K&L Architekten AG, St. Gallen, wirkt einladend. Das Hallenvolumen wird von einem eingeschossigen Vorbau eingefasst. Darin konnte der bestehende Garderobentrakt integriert werden. Der Hauptzugang ist über einen Einschnitt im Vorbau markiert und wird durch die Gestaltung des Vorplatzes betont. Alle Bereiche mit öffentlichen Nutzungen sind ebenerdig organisiert. Dies ermöglicht eine barrierefreie und effiziente Erschliessung. Im Eingangsbereich mit Blick in die Schwimmhalle befinden sich Kasse, Cafeteria und Shop. Im angrenzenden Seitentrakt liegen Büros, Besprechungs-, Kraft- und Vereinsräume. Die Schwimmhalle ist in zwei Bereiche unterteilt. Im südlichen Hallenteil ist das 50 Meter lange Olympiabecken für den Spitzensport untergebracht. Im nördlichen Hallenteil sind die zwei bestehenden 25-Meter-Becken um eine neue 55 Meter lange Blackhole-Rutschbahn und Kinderplanschbecken ergänzt worden. Der Wellnessbereich ist als unabhängige Einheit konzipiert und setzt sich auch atmosphärisch vom übrigen Hallenbad ab. Die Besucher gelangen über den Haupteingang zu den separaten Garderoben, die der Saunalandschaft vorgelagert sind. Der neue Wellnessbereich mit Bio-Sauna, Dampfbad und Saunagarten soll dazu beitragen, das Betriebsdefizit zu minimieren. Die Stadt Uster rechnet mit rund 210?000 Badegästen pro Jahr. strabag.ch, uster.ch/hallenbad

Hallenbad Uster

Projekt: Neubau/Umbau Hallenbad, Uster (ZH)
Bauherrin: Stadt Uster
Bauherrenvertretung: Keller Partner Bauberater AG, Uster
Architektur: K&L Architekten AG, St. Gallen
Bauzeit: 2015–2016
Kosten total: CHF 38,5 Mio.
Kosten Holzbau: CHF 1,9 Mio.
Kostenplanung: Planungs- und Baumanagement AG, Zürich
Bauleitung: Planungs- und Baumanagement AG, Zürich
Bauingenieure: Gruner Wepf AG, Zürich
Bauphysik: Braune Roth AG, Rorschacherberg (SG)
Fassadenplanung: FMTEC GmbH, Tägerig (AG)
Holzbau: Strabag AG, Schlieren (ZH)
Projektleiter: Dominic Graf