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05/2018 Mehrgeschossig bauen mit Holz

BAUEN

Wohnen am Weiher

Wie baut man, wenn das Grundstück unmittelbar an ein Naturschutzgebiet angrenzt? Ganz einfach: indem das Thema Nachhaltigkeit konsequent bis ins Detail aufgegriffen wird. So wie beim Mehrfamilienhaus Kräzern in St. Gallen.

Text PD, SD | Fotos Till Forrer, Lignatur

Das Mehrfamilienhaus Kräzern im St. Galler Stadtteil Winkeln entspricht als eines der ersten Gebäude in der Schweiz dem neuen Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz SNBS. Das Objekt besteht aus zwei leicht versetzten, gegen Süden ausgerichteten Baukörpern – Hausteil Nord und Hausteil Süd mit je fünf Geschossen – und verfügt über 28 Wohnungen mit zweieinhalb bis fünfeinhalb Zimmern. Der Fünfgeschosser am Naturschutzgebiet Bildweiher ist der Ersatzneubau für ein in die Jahre gekommenes Mehrfamilienhaus. Die Planer entschieden sich dafür, das Unter- und das Sockelgeschoss in Stahlbeton zu bauen – aufgrund der leichten Hanglage und für die Realisierung einer Tiefgarage. Die vier oberen Geschosse sind in Holzelementbauweise errichtet. Die Schottenbauweise kennzeichnet sich durch ein Raster von 3,74 Metern beziehungsweise 4,94 Metern aus. Die Deckenspannweite liegt über jeweils drei Felder bei 12,42 Metern.

Der Einsatz von Holz im Wohnungsbau überzeugte die St.?Galler Architekten Forrer Stieger und die Bauherrschaft, Sidrona Immobilien: zum einen aufgrund der positiven Eigenschaften in Bezug auf Raumklima, Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit, zum anderen wegen der natürlichen Anmutung. Im Vordergrund der nachhaltigen Planung stand, ein qualitativ hochwertiges Gebäude mit einer langen Lebensdauer zu errichten. Hier knüpft auch der neue Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz SNBS an, der die Dimensionen Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt betrachtet. So achteten die Planer darauf, den Energieverbrauch so stark wie möglich zu reduzieren. Sie verfolgten den Ansatz von «Zero Emission LowEx»: Das bedeutet einen vollständigen Verzicht auf fossile Energieträger und einen minimalen Energieverbrauch. Die Wärme für Heizung und Warmwasser wird über Erdsonden produziert. Die Photo-
voltaikanlage auf dem Dach produziert Strom, der zum Teil ins Netz eingespeist wird. Auch die Frage, wie sich das Gebäude in seine Umwelt einfügt oder wie viel Mobilität das Objekt in seinem Umfeld verursacht, spielte bei der Planung eine Rolle.


Holz aus praktischen und ästhetischen Gründen

Ein weiteres Argument für den Werkstoff Holz lieferten der hohe Vorfertigungsgrad der Holzelemente und eine daraus resultierende kurze Bauzeit. Das Holzbauunternehmen Blumer-Lehmann AG war von der ersten Projektphase an mit einem Beratungsmandat und der Ausschreibung für die Holzkonstruktion in das Bauvorhaben involviert. Anfangs galt es, die Statik ohne Aktivierung der Betonkerne zu entwickeln. Während sechs Monaten wurde das Projekt mit den Architekten und Fachplanern aus der Region geplant. Die straff gesetzten Termine konnten dem Bauwunsch gemäss umgesetzt werden, sodass das Team von Blumer-Lehmann die Aufrichtarbeiten rechtzeitig vor Weihnachten 2016 abschliessen konnte.
Insgesamt wurden 40 Tonnen Holz aus der Schweiz, Süddeutschland und Österreich verbaut. Ein zentrales gestalterisches Anliegen der Architekten war es, eine ruhige und optisch einheitliche Wirkung von Tragwerk sowie Wand- und Deckenelementen zu erzielen. Die Böden und Decken bestehen aus multifunktionalen Lignatur-Flächenelementen. Die lasierten Holzdecken erfüllen mit einem Feuerwiderstand von 60 Minuten die hohen Brandschutzanforderungen bei mehrgeschossigen Holzbauten und gewährleisten einen entsprechenden Schallschutz im Gebäude. Aufgrund der eingeschränkten Gebäudehöhe mussten die Deckenkonstruktion und der Deckenaufbau möglichst schlank realisiert werden.

 

Detaillierte Präzision verbindet innen und aussen
Die Böden und Decken unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der Optik beziehungsweise der Ausführung: Im Sockelgeschoss sowie im ersten und zweiten Obergeschoss wurden dunkle Mosaikplattenböden sowie Eichenparkett mit weiss lasierten Lignatur-Holzdecken kombiniert. Im dritten Obergeschoss und im Attikageschoss sorgen helle Mosaikplattenböden beziehungsweise weiss versiegeltes Eichenparkett kombiniert mit Lignatur-Holzdecken, die mit farblosem Lichtschutz behandelt wurden, für eine wohnliche Atmosphäre. Bis ins Detail planten die Architekten das homogene Erscheinungsbild des Mehrfamilienhauses punkto Materialität: So gehen die Deckenelemente scheinbar nahtlos vom Innen- in den überdachten Aussenraum über. Das ist nur eines von zahlreichen Details, die dem Gebäude seine konsequente Präzision verleihen.


Mit CO2-Zertifikat ausgezeichnet

Das Mehrfamilienhaus Kräzern grenzt an ein Naturschutzgebiet. Weil sich die Bauherrschaft für den nachwachsenden Rohstoff Holz entschied, bildet das Objekt einen kleinen, aber feinen Beitrag, das weltweite Klimaziel zu erreichen. Durch das Verbauen des eingesetzten Holzes wird der CO2-Ausstoss um 402 Tonnen reduziert. Diese Menge an CO2 verursachen hierzulande 80 Personen während eines Jahres. Auf dieses Ergebnis kommt das CO2-Institut, das die CO2-Senkleistung des verbauten Holzes berechnete. Für den Einsatz von Holz und die damit eingesparten Emissionen wurde die Bauherrschaft vom Institut mit einem CO2-Zertifikat ausgezeichnet.
blumer-lehmann.ch, lignatur.ch