05/2016 Von der Tradition zur Industrie 4.0
SPÄNE
Verzinkt und zugenäht
So geht industrielles Nähen mit Holz: der Forschungspavillon der Universität Stuttgart.
FOTOS UNIVERSITÄT STUTTGART
Wer sich beim Anblick des Holzpavillons auf dem Universitätscampus Stuttgart an eine organische Form aus dem Meer erinnert fühlt, liegt nicht verkehrt. Tatsächlich wurden der Seeigel und der Sanddollar als Vorlage für die Konstruktionsprinzipien ausgewählt. Aber auch mit einer Assoziation zum Schneiderhandwerk kommt man dem Pavillon nahe: Die groben Nähte auf dem Forschungspavillon sind sein auffälligstes Befestigungs- und Gestaltungselement. Mit dem Pavillon aus 151 unterschiedlichen, robotisch vorgefertigten Segmenten zeigen die Institute für Computerbasiertes Entwerfen (ICD) sowie für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen (ITKE) der Universität Stuttgart auf, wie textile und robotische Fertigungsmethoden kombiniert und angewendet werden können. Erstmals wurde damit eine industrielle Nähtechnik für eine Holzkonstruktionen in der Architektur eingesetzt.
Als Ausgangswerkstoff dienten dünne Furnierstreifen, die zu drei bis fünf Millimeter dicken Sperrholzplatten laminiert wurden. Die Bauteile aus laminierten Buchenholz-Furnierstreifen wurden elastisch so verformt, dass sich allein durch den Laminataufbau eine spezifische Segmentgeometrie mit ungleichmässigen Krümmungsradien einstellte. Die Segmente werden durch das robotische Vernähen in Form gehalten und tragen die äusseren Lasten durch Normalkräfte und Scherkräfte in der Plattenebene ab.
Die Scherkräfte werden durch die Fingerzinken übertragen, die Zugkräfte hingegen durch die Reepschnüre aufgenommen. So ist ein leistungsfähiges Schalentragwerk entstanden, das ohne metallische Verbindungsmittel immerhin 9,3 Meter spannt und eine Fläche von insgesamt 85 Quadratmetern überdacht. Die gesamte Konstruktion wiegt 780 Kilogramm. icd.uni-stuttgart.de/?tag=researchpavilion2015
ICD/ITKE Research Pavilion 2015-16 from ICD on Vimeo.