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Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

Magazin Wir HOLZBAUER

Das Mitglieder- und Verbandsmagazin von Holzbau Schweiz

01/2017 Die Fassade steht für sich

BILDEN

Sammelserie AUSTRAGEN: Dachausmittlung (Teil 1)

Dass sie ihr Handwerk beherrschen, haben die Zimmerleute aus dem Schweizer Nationalteam an der Europameisterschaft 2016 in Basel unter Beweis gestellt. Koordiniert wurde das Training durch Michael Hürbin. In dieser und den kommenden Ausgaben von «Wir Holzbauer» stellt der Experte das Modell aus dem EM-Einladungswettbewerb 2016 mit seinen konstruktiven Herausforderungen detailliert vor. Text und Zeichnungen Michael Hürbin | Foto Marco Blessano

Das Modell aus dem Einladungswettbewerb der EM beinhaltet eine Hauptdachfläche, auf der eine Spitzgaube aufliegt. Die Walmdachfläche besitzt einen Aufschiebling. Die Sparren der Aufschieblinge werden mit einer Kerve an die steigende Schwelle angeschlossen. An diesem Modell werden in dieser und den weiteren Ausgaben von "Wir Holzbauer" 2017 verschiedene Techniken zum Austragen der Hölzer beschrieben und bildlich dargestellt, so dass sich Lernende und interessierte Zimmerleute schrittweise an die verschiedenen Schwierigkeitsgrade herantasten können.Alle Darstellungen, inklusive Aufgabenblätter und Austragungen, sind mit Hilfe der französischen Technik, das heisst mit Bezug zum Grundriss, konstruiert und abgebildet. Die Aufgabenblätter sind als PDF im Format A3 auf der Website wirholzbauer.ch abgelegt.

Um das Modell im Massstab 1:1 zu erstellen, werden folgende Hilfsmittel empfohlen:

 

  • MDF-Platte 2070 × 2800 mm zum Aufreissen des Grundrisses und Austragen der Hölzer
  • Setzlatte 2000 mm
  • Dreiecke 1000 × 600 mm aus Plexi-glas oder Sperrholz zum Austragen der Hölzer
  • Handelsübliche Zeichnungsmaterialien


Die Fachbegriffe werden nachfolgend erklärt. Es ist wichtig, dass die Fachbegriffe verstanden und anschliessend richtig eingesetzt werden.

 

Die Begrifflichkeiten

Austragen: Werden Hölzer in einem Plan in den wahren Längen gezeichnet, so ist von einer Austragung die Rede. Dies hat den Vorteil, dass die Hölzer direkt vom Plan aus angerissen werden können. Hierbei werden meist zwei Techniken angewandt ? die deutsche und die französische. Beide Techniken werden vom Prinzip her gleich angewandt, der Unterschied liegt einzig darin, dass bei der französischen Methode die Austragung (Profil) im direkten Bezug zum Grundriss konstruiert wird. Bei der deutschen Methode werden die Masse des Grundrisses und der Höhe auf Masslatten angetragen. Die Austragung kann an-
schliessend an einer beliebigen Stelle konstruiert werden.

Konstruieren von Profilen: Profile werden bei Hölzern wie Normalsparren, Schrägsparren, Gratsparren, Kehlsparren, Grataufschieblingen, Kehlaufschieblingen und steigenden Schwellen konstruiert. Allgemein wird beim Austragen als Erstes das Profil (Neigung und wahre Länge) des Holzes konstruiert. Muss ein Profil beim Austragen konstruiert werden, gilt das gleiche Prinzip wie beim Konstruieren eines rechtwinkligen Dreiecks, das bekanntlich aus zwei Katheten und einer Hypotenuse besteht. Beim Profil widerspiegelt eine Kathete den Höhenunterschied, die andere Kathete stellt das Grundmass dar. Die daraus entstehende Hypotenuse ist deckungsgleich mit der wahren Länge des Holzes. Profile werden am besten über eine Strecke (Grat-, Kehl- oder Schrägsparrenlinie) im Grundriss erstellt. Die Strecke entspricht demnach dem Grundmass des Profils. Der Anfangs- und der Endpunkt der Strecke weisen jeweils auch eine andere Höhenquote auf. Mithilfe der Höhenquoten von Anfangs- und Endpunkt werden die Höhenlinien des Profils konstruiert. Wichtig: Muss ein Profil eines Holzes konstruiert werden, so liegen die Höhenlinien des Profils immer parallel zum Holz im Grundriss.

Stempelfläche:
Die Stempelfläche definiert die Fläche, die bei einem Bleischnitt eines Holzes entsteht. Wird ein Sparren horizontal ("blei") abgeschnitten, so bildet die daraus entstandene Fläche (Stirnholz) die Stempelfläche. Stempelflächen können bei allen auszutragenden Hölzern konstruiert werden. Wichtig: Mithilfe der Stempelfläche von Grat und Sparren wird ermittelt, ob der Sparren am Grat eine Klaue erhält. Dabei ist zwingend zu beachten, dass die Bleischnitte zum Konstruieren der Stempelfläche bei Grat und Sparren immer auf gleicher Höhe liegen, vorzugsweise auf HL+/? 0,000 oder auf Höhe der Trauflinie. Spurlinie: Die Spurlinie stellt die Richtung der Seitenflächen eines bestehenden Holzes oder einer Materialschicht innerhalb der Stempelfläche dar. Wenn zum Beispiel bei einer Materialschicht die Dachflächen untereinander in die Gehrung geschnitten werden, so widerspiegelt der Gehrungsschnitt der Stempelfläche die Spurlinie der Materialschicht.

Höhenlinie:
Der Name Höhenlinie verrät, dass sich diese Linie auf einer frei gewählten oder auf einer vorgegebenen Höhe befindet. Höhenlinien liegen immer im Blei. Also egal wie lang eine Höhenlinie ist, der Anfangs- und der Endpunkt der Linie sind immer auf der gleichen Höhe.

Beschriftung von Hölzern:
Die Beschriftungen von Hölzern ist für die Sauberkeit und Verständlichkeit der Austragung sehr wichtig. Werden beispielsweise die Plus- und Minusseiten beim Abschnitt nicht beschriftet, so können diese beim Anreissen leicht vertauscht werden. Dies hat zur Folge, dass der Abschnitt falsch ausgeführt wird. Treffen mehrere Abschnitte auf einen Punkt, so erhält die Beschriftung der verschiedenen Abschnitte noch mehr an Bedeutung.

Schritt für Schritt: Konstruieren der Dachausmittlung

Als Erstes wird die Dachfläche A (gleichseitiges Dreieck) mithilfe der Dreieckshöhe von 800 mm konstruiert; daraus resultieren die drei Eckpunkte a, b und c. Um die Dachflächen DF B und DF C zu konstruieren, wird als Erstes die Strecke a?-?c des gleichseitigen Dreiecks mithilfe der Streckenteilung in vier gleiche Teile unterteilt. So entstehen die Schnittpunkte d, e und f. Anschliessend werden die Kehllinien der Gaube durch die Schnittpunkte d und f konstruiert. Diese laufen parallel zu den Seiten des gleichseitigen Dreiecks. Die Firstlinie der Gaube wird durch den Punkt e rechtwinklig zur Seite a?-?c des gleichseitigen Dreiecks konstruiert. Um die Aussenkanten der Dachausmittlung zu vervollständigen, wird die Seite a?-?c verlängert. Vom Punkt c werden 350 mm angetragen, dadurch wird der Eckpunkt g festgelegt. Die Strecke a?-?g stellt die Trauflinie der DF A dar. Durch diesen Eckpunkt g wird rechtwinklig die Traufe des Aufschieblings (DF D) konstruiert. Die Trauflänge des Aufschieblings beträgt 800 mm und wird vom Eckpunkt g her angetragen, wodurch der Eckpunkt h entsteht. Um die Aussenkanten der Dachausmittlung zu ergänzen, wird Eckpunkt b mit Eckpunkt h verbunden.

Höhenlinien konstruieren

Damit die Dachausmittlung vervollständigt werden kann, werden die Kante des Dachbruchs und die Ausmittlung des Grataufschieblings benötigt. Hierzu muss das Profil des Hauptdachs DF E und des Aufschieblings konstruiert werden. Zuerst sollte das Profil des Normalsparrens (DF E) mithilfe der Höhenangaben von Traufe (+80 mm) und Firstpunkt (+800 mm) konstruiert werden. Beim Betrachten der Dachausmittlung wird ersichtlich, dass die Richtung des Normalsparrens (DF E) und des Aufschieblings (DF D) im Grundriss mit der Stecke b?-?h identisch liegen. Deswegen liegt die Richtung der Höhenlinien beider Profile (Normalsparren und Aufschiebling) parallel zur Strecke b?-?h. Mit diesem Wissen können die Höhenlinien von Trauf- (+80 mm) und Firstpunkt (+800 mm) konstruiert werden. Als Nächstes müssen die Schnittpunkte des Firstpunktes und der Traufpunkt der Dachfläche (DF E) in der Dachausmittlung ermittelt werden. Der Fristpunkt +800 mm ist identisch mit dem Schnittpunkt b. Der Traufpunkt der DF E ist identisch mit dem Schnittpunkt c. Dies kann aus der Erkenntnis abgeleitet werden, dass die Gratlinie der Zusammenschnitt der Dachflächen (DF A und DF E) ist und im Schnittpunkt c exakt eine Höhe von 80 mm aufweist. Die Schnittpunkte b und c werden nun rechtwinklig zur Strecke b?-?h auf die passenden Höhenlinien angetragen. Dies ergibt die Schnittpunkte k und l. Aus der Verbindung dieser beiden Schnittpunkte k und l resultiert das Normalsparrenprofil (DF E).

Grataufschiebling ermitteln

Das Profil des Aufschieblings kann ebenfalls ins Normalsparrenprofil konstruiert werden. Hierzu wird der Schnittpunkt h benötigt. Dieser Schnittpunkt h liegt auf der Trauflinie des Aufschieblings und weist eine Höhe von +80 mm auf. Der Schnittpunkt h wird rechtwinklig zur Strecke b?-?h auf der passenden Höhenlinie (+80 mm) angetragen. So entsteht der Traufpunkt des Aufschieblings m. Wird die DF E mit der Höhenlinie +300 geschnitten, so entsteht der Dachbruch n. Die Dachfläche des Aufschieblings (DF D) läuft vom Schnittpunkt m bis zum Schnittpunkt n. Anschliessend wird der Dachbruch vom Profil zurück in die Dachausmittlung gezogen. In der Dachausmittlung startet die Dachbruchlinie im Schnittpunkt i und endet im Schnittpunkt j. Durch den Zusammenschnitt der Dachflächen DF A und DF D wird der Grataufschiebling ermittelt. Die Ausmittlung des Grataufschieblings entsteht, indem die Trauflinien der Dachfläche (DF A und DF D) geschnitten werden. Der Schnittpunkt ist identisch mit Punkt g. Demzufolge läuft der Grataufschiebling vom Schnittpunkt g weg. Da sich die drei Dachflächen (DF A, DF D und DF E) im Schnittpunkt j schneiden, ist der Schnittpunkt j demzufolge der Endpunkt des Grataufschieblings. Dieser Grataufschiebling läuft somit vom Schnittpunkt g bis zum Schnittpunkt j. Die Dachausmittlung ist nun komplett konstruiert.

Der vollständige Plan des Einladungswettbewerbes sowie Aufgabenblätter sind als PDF auf der Website von «Wir Holzbauer» zu finden.
wirholzbauer.ch?>?Bilden?>?Sammelserie «Austragen»
 

Der Autor

Holzbautechniker Michael Hürbin unterrichtet die angehenden Zimmerleute an der Berufsschule Lenzburg, ist Experte für Polierprüfungen und Trainer des Schweizer Nationalteams der Zimmerleute. Kontakt:
nationalteam(at)holzbau-schweiz.ch