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04/2017 Ferien im Holzbau

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Sammelserie «Austragen» Teil 4: Normalsparren

Eine Einladung zum Konstruieren und Nachbauen ist die achtteilige Sammelserie «Austragen» von Experte Michael Hürbin. Am Modell aus dem Einladungswettbewerb der Europameisterschaft 2016 erklärt er die korrekte Vorgehensweise.

TEXT UND ZEICHNUNGEN MICHAEL HÜRBIN | FOTO MARCO BLESSANO


Im diesem Teil der Sammelserie wird auf das Austragen der Hölzer der Normalsparren 7 und 9 in der Dachfläche DF E eingegangen. Das Profil der Dachfläche E wurde schon für die Dachausmittlung konstruiert und ist bereits vorhanden. Hierbei wurde jedoch erst das Profil erstellt. In das Profil der Dachfläche DF E werden nun beide Normalsparren ausgetragen. Um die Ober- und die Unterkante des Normalsparrens zu erhalten, wird im Profil der Dachfläche E als Erstes die Sparrenhöhe von 80 mm angetragen.

Abschnitt unten

In der 3-D-Ansicht wird ersichtlich, dass die Normalsparren 7 und 9 unten mit einer Klaue an die Schwelle 4 angeschlossen werden. Durch das Einzeichnen der Schwelle 4 im Traufbereich des Normalsparrenprofils DF E ergeben sich die Abschnitte der unteren Klauen des Normalsparrens. Die Abschnitte der Klaue laufen identisch mit der Ober- und der Seitenkante der Schwelle 4.

Kontrolle der Stempelfläche

Beim Betrachten der 3-D-Ansicht sieht man, dass der Normalsparren 9 am Gratsparren 11 eine Klaue erhält. In der Fachsprache ist von einem Klauenschifter die Rede. Je nach Darstellung der 3-D-Ansicht kann es sein, dass Klauenschifter verdeckt dargestellt sind und so auf den ersten Blick nicht erkannt werden. Deshalb sollte immer kontrolliert werden ob Sparren an Grat-, Kehl- oder Schrägsparren eine Klaue erhalten. Mit Hilfe der Methode der Stempelfläche kann kontrolliert werden, ob wie im Beispiel hier der Sparren am Grat eine Klaue erhält. Dabei ist zwingend zu beachten, dass die Bleischnitte zum Konstruieren der Stempelfläche in den Grat- und Sparrenprofilen immer auf gleicher Höhe liegen.

Konstruieren der Stempelfläche

In diesem Modell eignet sich die Traufhöhe +80 mm bestens, um die Stempelfläche zu konstruieren. Dabei wird der Grat 11 im Gratprofil auf der Höhenlinie +80 imaginär «Blei abgeschnitten»: a. Die daraus entstandene Bleifläche wird im Anschluss vom Gratprofil rechtwinklig zum Grat im Grundriss zurück in den Grundriss gezogen und am Grat eingezeichnet. Im Löser ist die Stempelfläche des Grats mit grüner Farbe dargestellt. Um die Stempelfläche des Normalsparrens zu konstruieren, wird der Sparren im Sparrenprofil ebenfalls auf der Höhenlinie +80 imaginär «Blei abgeschnitten»: b. Dieser Bleiabschnitt wird zurück in den Grundriss projiziert, indem die Schnittpunkte von Unter- und Oberkante Sparren zurück in den Grundriss gezogen werden. Die Stempelfläche des Sparrens (braun) wird anschliessend an die Stempelfläche des Grats angeschmiegt. Die Stempelfläche der Sparren wird deshalb an die Stempelfläche des Grats angeschnitten, da der Grat das tragende Holz ist und durchläuft. Durch das Anschmiegen der Stempelfläche des Sparrens an die Stempelfläche des Grats wird sichtbar, dass die Stempelfläche des Normalsparrens eine Klaue c erhält. Des Weiteren zeigt die Stempelfläche auf, dass der Sparren seitlich über den Grat laufen würde. Deswegen muss die Stempelfläche auf Hinterkante des Grats d angeschnitten werden. Durch das Anpassen der Stempelfläche der Normalsparren an die Stempelfläche des Grats wurde sichtbar, dass die Stempelfläche drei Mal abgeschnitten werden musste. Demzufolge besteht der obere Abschnitt des Normalsparrens ebenfalls aus drei Abschnitten. Diese setzen sich aus zwei Schifterschnitten, die an die Seitenflächen des Grats laufen, und einem Schnitt an der Unterseite des Grats zusammen.

Abschnitt oben

Um die beiden Schifterschnitte am Normalsparren 9 auszutragen, werden die Plus- und die Minuskante des Normalsparrens so weit verlängert, bis die Plus- und die Minusseite des Grats geschnitten werden. Dadurch entstehen im Grundriss vier Schnittpunkte e – h. Diese vier Schnittpunkte werden rechtwinklig zum Normalsparren 9 ins Sparrenprofil gezogen und ergeben die Plus- und die Minuskanten der beiden Schifterschnitte.

Klauenblei

Das «Klauenblei» wird mit dem System der Höhenlinien erarbeitet. Das System Höhenlinie wird dann angewandt, wenn ein Schnitt an eine Fläche läuft, die weder Blei noch Senkel liegt. Das Klauenblei der Normalsparren muss an eine solche steigende Fläche (Unterkannte Grat 11) angeschnitten werden. Beim Anwenden dieses Systems ist zu beachten, dass das durchlaufende Holz, in diesem Fall der Grat, die Richtung der Höhenlinien bestimmt.
Um das Klauenblei auszutragen, werden im Gratprofil auf der Unterkante des Grats zwei frei wählbare Höhenlinien eingezeichnet. Die Höhe der Höhenlinien ist so zu wählen, dass diese, wenn sie vom Gratprofil in den Grundriss zurückgezogen werden, den Normalsparren 9 schneiden.
Zum Konstruieren des Klauenbleis bietet sich die Höhenlinie +80 mm an. Wenn möglich sollte mit Höhenlinien gearbeitet werden, die bereits vorhanden sind. Als zweite Höhenlinie bietet sich die Höhe +400 mm an, da diese einerseits die Hälfte der Gesamthöhe (800 mm) des Modells beträgt und andererseits der Höhenunterschied zur ersten Höhenlinie gross genug ist, damit beim Austragen eine möglichst hohe Genauigkeit entsteht.
Die Schnittpunkte i und j, die durch das Schneiden der Höhenlinie +80 mm und +400 mm auf Unterkante des Grates entstanden sind, werden nun rechtwinklig zum Grat 11 im Grundriss zurück in den Grundriss gezogen, bis die Plus- und die Minuskante des Normalsparrens 9 geschnitten werden. Diese beiden Schnittpunkte k und l, die durch die Höhenlinie +80 mm im Grundriss am Normalsparren 9 entstehen, werden anschliessend rechtwinklig zum Normalsparren auf die passende Höhenlinie (+80 mm) im Normalsparrenprofil übertragen. Der Schnittpunkt m repräsentiert dabei den Schnittpunkt des Plusabschnitts des Klauenbleis; der Schnittpunkt n den Schnittpunkt des Minusabschnitts. Mit den Schnittpunkten o und p der Höhenlinie +400, die im Grundriss auf dem Normalsparren entstehen, wird dasselbe gemacht. Diese wandern ebenfalls rechtwinklig zum Normalsparren 9 auf die passende Höhenlinie (400 mm) im Normalsparrenprofil. Dabei repräsentiert der Schnittpunkt q den Plus- und der Schnittpunkt r den Minusabschnitt des Klauenbleis auf der Höhenlinie 400 mm. Durch das Verbinden der Plus- und der Minusschnittpunkte auf Höhenlinie +80 mm und +400 mm werden die Abschnitte des Klauenbleis erhalten.
Der Normalsparren 7 würde ebenfalls eine Klaue an den Grat 11 erhalten. In der 3-D-Ansicht wird jedoch sichtbar, dass im Bereich des Normalsparrens der Gratpfosten 6 den Grat stützt. Somit erhält der Normalsparren 7 «nur» einen Schifterschnitt. Dabei werden die Anfallspunkte s und t, die auf der Minusseite des Grats entstehen, rechtwinklig ins Sparrenprofil geklappt und ergeben so den Plus- und den Minusabschnitt.
Der vollständige Plan des Einladungswettbewerbs sowie die Aufgabenblätter sind als PDFs auf der Website von «Wir Holzbauer» zu finden.
wirholzbauer.ch > Bilden > Sammelserie «Normalsparren»


Der Autor

Michael Hürbin unterrichtet die angehenden Zimmerleute an der Berufsschule Lenzburg, ist Experte für Polierprüfungen und Trainer des Schweizer Nationalteams der Zimmerleute. Kontakt:
nationalteam(at)holzbau-schweiz.ch