Magazin FIRST

Bauen und leben mit Holz – Das Fachmagazin von Holzbau Schweiz

Magazin Wir HOLZBAUER

Das Mitglieder- und Verbandsmagazin von Holzbau Schweiz

06/2017 Tradition neu gebaut

BAUEN

Bauen ausserhalb der Bauzone

Das Bauen ausserhalb der Bauzone ist auch für den Wohnbau möglich, wenn die zuständigen Behörden in der Planungs- und Baubewilligungsphase früh eingebunden sind. Zwar bleibt das Recht, ausserhalb der Bauzone zu wohnen, noch immer einem engen Personenkreis vorbehalten, jedoch bestehen gemäss Raumplanungsgesetz diverse Möglichkeiten zur Umnutzung von landwirtschaftlichen Bauten in zonenfremde Zwecke.

TEXT UND FOTOS MELANIE KAISER, FRITZ MAEDER, HOLZING MAEDER GMBH

Seit dem Jahr 2000 hat die Anzahl der Landwirtschaftsbetriebe schweizweit um über 17 000 Unternehmen abgenommen. Im Jahr 2016 waren es etwa 900 Betriebe, die aufgegeben wurden. Wie werden die nun leer stehenden Ställe und Ökonomiebauten neu genutzt? Und was passiert mit den Wohnbauten? Interessant ist, dass etwa ein Viertel des gesamten schweizerischen Gebäudebestandes – das sind über 500 000 Gebäude – ausserhalb von Bauzonen liegt. Diese werden jedoch nur von knapp 5,5 Prozent der Schweizer Gesamtbevölkerung beansprucht.


Strukturwandel und Möglichkeiten

Einhergehend mit dem Strukturwandel vom landwirtschaftlichen Betrieb zum reinen Wohnzweck werden auch die Ansprüche an die Gebäude höher. Nicht nur der energetische Standard, sondern auch der Komfort soll erhöht werden. Hierbei spielen die Grösse und die Anordnung der Fensteröffnungen, der Flächenbedarf und das Raumklima eine immer grössere Rolle. Doch inwiefern um-, aus- und neugebaut werden darf, ist strikt geregelt.


Nach wie vor gibt es die zonenkonformen Wohnbauten, welche für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung genutzt werden. Hier können gemäss kantonalen Richtflächen Wohnungen für die Betriebsleiter, deren Angestellte und die abtretende Generation ohne grössere Auflagen gebaut werden. Doch es gilt jeweils: Um- und Ausbau ist dem Neubau vorzuziehen und der bestehende Charakter sollte gewahrt werden. Etwas weniger Freiraum, nämlich eine maximale Erweiterung von 60 Prozent innerhalb und 30 Prozent ausserhalb des Gebäudevolumens, erhält man bei bestehenden altrechtlichen Bauten. Diese müssen vor dem 1. Juli 1972 rechtmässig erstellt oder danach ausgezont worden sein. In solchen Fällen ist ein freiwilliger Abbruch und Wiederaufbau möglich, jedoch nur, wenn das Gebäude vorher noch genutzt wurde und keine Bauruine war.


Vereinfachte Umnutzung

Beim Umbau des Bauernhauses Eichi in Seedorf (BE) konnte aufgrund dieser Vorgabe lediglich die bestehende Wohnung, der Kuhstall, die Tenne und der Teil über dem ehemaligen Schweinestall ausgebaut werden. Im Dachgeschoss bestand zwar noch genügend Raum für eine weitere Wohnung, diese hätte jedoch die zulässige Erweiterungsfläche von 60 Prozent beziehungsweise maximal 200 Quadratmetern (inklusive der bereits bestehenden Wohnung) überschritten und konnte somit nicht ausgebaut werden. Bei neurechtlichen zonenfremden Wohnbauten, welche nach dem 1. Juli 1972 erstellt wurden, sind lediglich geringfügige bauliche Massnahmen für eine zeitgemässe Wohnnutzung erlaubt. Ein Abbruch mit Ersatzneubau ist nur nach einer äusseren Einwirkung wie Naturkatastrophe oder Brand zulässig. Zweckänderungen wie zum Beispiel vom Stall zum Lager sind – ohne bauliche Massnahmen – jedoch jederzeit realisierbar, sofern die Gebäude nicht mehr für die Landwirtschaft benötigt werden. Auch bei anerkannt schützenswerten Bauten ist eine Umnutzung vereinfacht. Ein Umbau ist gestattet, wobei die äussere Erscheinung unverändert bleiben muss. Beim Umbau und Teilabbruch eines Bauernhauses in Ersigen (BE) beispielsweise war ein Teil denkmalgeschützt und sollte erhalten bleiben. Der Ökonomieteil konnte jedoch abgerissen und unter Wahrung der Identität wieder aufgebaut werden. Fälle wie die aus Seedorf und Ersigen werden im Raumplanungsgesetz RPG in Art. 24 a bis d beziehungsweise in Art. 16 a geregelt. Eine Ausnahme mit vereinfachten Um- und Ausbauregeln bietet das Streusiedlungsgebiet gemäss Art. 39 RPV, in dem auch Umnutzungen leichter möglich sind. Die Streusiedlungsgebiete sind in den kantonalen Richtplänen ersichtlich.


Bewilligung und Bestandsaufnahme

Neben den baurechtlichen Vorgaben gilt es von Anfang an – also schon während der Bewilligungsphase – sämtliche zuständigen Ämter mit im Boot zu haben. Die frühzeitige Einbindung der Vorgaben des Amtes für Gemeinden und Raumordnung (AGR) und der Denkmalpflege konnte in mehreren Projekten, die durch das Ingenieurbüro Holzing Maeder GmbH, Evilard (BE), betreut wurden, den Bewilligungsprozess durchaus erleichtern. In diversen Leitfäden der einzelnen Kantone wird eingehend auf das Bauen ausserhalb der Bauzone, insbesondere auf die architektonischen Komponenten, eingegangen.


Sind vorgängig die Anforderungen zur Bauzone, zur Nutzung und zum Denkmalschutz geklärt, stellen sich anschliessend Fragen zur Einhaltung der zulässigen Flächen, zu Schutzauflagen, zur Einpassung in die Landschaft und zur Wahrung der Identität des Gebäudes. Das Ziel sollte sein, eine Baubewilligung mit möglichst wenigen zusätzlichen Auflagen zu erhalten. Unabhängig vom Standort ausser- oder innerhalb der Bauzone folgt im Anschluss der baurechtlichen Abklärung die Begutachtung des eigentlichen Gebäudes: eine Einschätzung der Bausubstanz – unter anderem hinsichtlich tierischer Schädlinge, Pilzbefall und Feuchteschäden – ist unerlässlich. Bei der Analyse des Tragwerks, welches regional und baugeschichtlich oft Parallelen aufweist, wird eine Einschätzung der Lastabtragung und der eventuell erforderlichen Zusatzmassnahmen getroffen. Oft werden bei veränderten Grundrissen neue Lösungen für die Lastabtragung notwendig. In einigen Projekten wurde, wie häufig im Berner Mittelland, ein liegender Dachstuhl vorgefunden – so auch bei einem Projekt in Kerzers (FR). Zwar gab es dort weniger vertikal lastabtragende Bauteile, jedoch musste man durch relativ geringe Rasterabstände der Gebinde teilweise störende Streben in der Raumgestaltung miteinplanen. Auch galt es, Zugbalken in ungünstigen Höhen zu entfernen und entsprechend abzufangen. Häufig reichen bei solchen Umbauten jedoch die vorhandenen Dimensionen nicht aus und die Konstruktionen müssen verstärkt werden. Nebst den SIA-Normen 260, 261 und 265 dienen bei statischen Berechnungen die Normen SIA 269 und 269/5 als Grundlage.


Bauphysik und Brandschutz

Abgesehen von der Statik muss bei Umbauten und Gebäudesanierungen die Bauphysik gesondert betrachtet werden. Es können je nach Situation unterschiedliche Lösungsansätze wie die Haus-in-Haus-Variante, eine Vorsatzschale sowie Innen- oder Aussendämmung sinnvoll erscheinen. Wichtig ist eine wohlüberlegte Materialwahl, mit der Schäden vorgebeugt werden kann. Eine besondere Herausforderung stellt beim Umbau der Schallschutz dar: Vorhandene, meist geringe Raumhöhen erfordern schlanke Deckenaufbauten, welche jedoch im Gegensatz zu einem optimierten Schallschutz stehen. Zwar können gemäss SIA 181 reduzierte Anforderungen geltend gemacht werden, dennoch sind Überlegungen zur Kompensationen unzulänglicher Konstruktionen unumgänglich. Bei einem Bauernhausumbau entsprachen die vorhandenen Raumhöhen nicht den gesetzlichen Vorgaben, allerdings konnten in Absprache mit dem AGR die Geschossdecken geringfügig verschoben werden. Dies bedeutete einen Gewinn an Raum – als auch an Deckenaufbauhöhe, was von der Baubehörde bewilligt wurde.


Gerade auch in der Brandschutzkonzeption ist der enge Dialog mit der Brandschutzbehörde von äusserster Wichtigkeit. Stets die Sicherheit im Blick, verhält sich der Brandschutz im Sanierungsobjekt gleich wie beim Neubau. Kompromisse sind hier nicht erwünscht und werden selten eingegangen. Schnell ist man bei grösseren Ökonomieteilen bei einer Gebäudehöhe von mehr als elf Metern, was höhere Anforderungen nach sich zieht. Doch auch an Gebäude geringer Höhe werden Anforderungen an den Brandschutz gestellt, sofern sie mehrere Wohnungen umfassen. Dank der neuen Brandschutznorm konnte bei der Umnutzung eines Ökonomiegebäudes im neuen Treppenhaus die Möglichkeit genutzt werden, eine traditionelle Holztreppe (in RF2, Eiche) zu realisieren. Nicht zuletzt legen Hauseigentümer und Mieter auf dem Land auch Wert auf Moderne und Komfort. So lassen sich innovative Haustechnik und ein angenehmes Wohnraumklima mit traditionellen Altbauten verbinden und müssen im Planungsprozess einer Sanierung miteinbezogen werden. Abschliessend lässt sich festhalten: Ein modernes, zeitgemässes Wohnen ausserhalb der Bauzone ist nach heutigem Reglement und mit der fachkundigen, gesamthaften Planung wirtschaftlich möglich. Im Hinblick auf eine effektive Nutzung des Gebäudebestandes besteht insbesondere für den Holzbauer und den spezialisierten Fachplaner ein nennenswertes Potenzial.