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06/2017 Tradition neu gebaut

BAUEN

Kleinod im Safiental

Mehr als 200 Jahre steht das Walserhaus schon im Weiler Bruschgaleschg (GR). Das ändert nichts daran, dass es für die Bewohner im Safiental noch immer das Nühus, das neue Haus, ist. Alter ist eben relativ. Und neu ist das Gästehaus nach seinem jüngsten Umbau durch Holzbau Hunger ja irgendwie auch.

TEXT DOROTHEE BAULAND | FOTOS ELIA AUBRY

Das Nühus ist ein aussergewöhnliches Wohnhaus in seiner Grösse und Lage. Der typische Walser Strickbau steht auf einer Sonnenterrasse, auf 1636 Metern Höhe. In den 1960er Jahren wurde das Haus vom letzten Bewirtschafter des Hofes verkauft. Der damals neue Eigentümer baute das alte Doppelwohnhaus unter der Beratung des bekannten Bündner Architekten Rudolf Olgiati zu einem Ferienhaus um. Aus dieser Zeit stammen auch die grossen quadratischen Fenster und der offene Kamin im Aufenthaltszimmer. Durch das Vergrössern wurden allerdings auch die originalen Fensteröffnungen zerstört. Die neuen Einbauten und Raumunterteilungen haben das Haus zudem stark verändert.

Originales Mobiliar
Noch immer lädt das Nühus zu erholsamen Ferientagen ein. Die neuen Besitzer haben das alte Walserhaus mit seinem teilweise noch originalen Mobiliar im Jahr 2012 erworben und zu einem Bed & Breakfast gemacht. Für den Umbau stand ihnen Felix Hunger zu Seite, mit dem sie zuvor schon andere Umbauten in der Region realisiert hatten. Der Architekt und Holzbauunternehmer aus Safien Platz ist auf die Renovation historischer Holzbauten spezialisiert und begleitete den Umbau des Nühus mit viel Feingefühl und handwerklichem Können. Die Umbauarbeiten durch die drei Zimmerleute von Hunger Holzbau nahmen rund acht Monate in Anspruch.


Um die einmaligen Werte des historischen Gebäudes zur Geltung zu bringen, suchten Bauherrin und Architekt gemeinsam nach der passendsten Lösung. Da das Gebäude nicht unter Schutz steht, gab es auch keine spezifischen Auflagen; es wurde ohne Unterstützung der Denkmalpflege um- und rückgebaut. Dennoch war es dem Besitzerpaar ein grosses Anliegen, den ursprünglichen Charakter mit seinen historischen Konstruktionen und Bauteilen so gut wie möglich wiederherzustellen und sichtbar zu machen. Der Umbau  wurde während der Wintermonate ausgeführt. «Die schwierige Zufahrt zu dem sehr abgelegenen Standort hatte Einfluss auf Materialwahl und Ausführungsart», so Felix Hunger, der auch die Gesamtbauleitung innehatte. Nach dem Rückbau von Trennwänden und Zwischenböden aus den 1960er Jahren verstärkten die Zimmerleute von Hunger Holzbau die Böden und setzten die alten Türen und Wände instand. Die historischen Kastenfenster, teils noch mit Butzenscheiben, wurden restauriert. Für die neuen Nasszellen war der Einbau von Unterkonstruktionen erforderlich.


Sichtbare Strickbauweise

Bis auf den Aufenthaltsraum und die Panoramafenster sind die Räume wieder in ihren ehemaligen Zustand transformiert worden. Die Fenster aus den 1960er Jahren wurden erneuert. Die stark vergrösserten Fensteröffnungen sind nun mit seitlichen Schwebepfosten gegen Deformationen gesichert und als einfache Strickausschnitte belassen. Die Strickwände sind aussen und innen in originaler Bauweise sichtbar. Auf Dämmungen und Verkleidungen wurde bewusst verzichtet, obwohl das Haus auch im Winter als Bed & Breakfast mit sechs Zimmern vermietet wird. Die Gäste können es sich drinnen in der Stube am grossen Specksteinofen gemütlich machen, das Flair der historischen Räume mit einem zeitgemässen Komfort geniessen und sich an den massiven, urchigen Tischen mit einem Frühstück verwöhnen lassen. Im Aufenthaltsraum mit Kamin bringt das grosse Panoramafenster die Bergwelt ins Haus. Die 22 bis 25 Quadratmeter grossen Schlafzimmer sind nun mit zeitgemässen Badezimmern, jeweils mit Dusche und WC, ausgestattet. Gläserne Trennwände lassen die Wahrnehmung der ursprünglichen Zimmergrösse zu und tragen dazu bei, dass die Doppelhausarchitektur spürbar bleibt. Das moderne Glasmobiliar harmoniert bestens mit den alten Holzwänden, den rustikalen Balken und den antiken Möbelstücken. Durch den Umbau ist das Nühus zu einem baulichen Kleinod im Safiental geworden. Der Schweizer Heimatschutz empfiehlt es im Führer «Die schönsten Hotels der Schweiz» und der Verein Naturpark Beverin zeichnete das Gästehaus als Beitrag zur regionalen Wertschöpfung aus. nühus.ch


Walserhäuser

Als die Walser im 12. Jahrhundert aus dem Oberwallis ins Bündnerland einwanderten und das Safiental besiedelten, brachten sie auch ihre Bauweise mit. Das typische Walserhaus ist ein Strickbau, der nur teilweise unterkellert ist. Für den Bau wurden Vierkantbalken aus Fichtenholz verwendet. Die Fugen wurden traditionell mit Moos abgedichtet, so dass die Innenwände nicht vertäfert werden mussten. In der Regel wurde jedoch die Stube mit Täfer ausgekleidet. Unter dem Einfluss von Sonne und Witterung färbten sich die unbehandelten hellen Balken mit der Zeit dunkel. Da sich das Holz noch lange nach dem Bau setzte, wurden vertikale Elemente möglichst klein gehalten. Auch die Fenster der alten Walserhäuser sind klein, Glas war kostbar. Ausserdem waren die Bewohner tagsüber draussen und Lichteinfall zweitrangig; Wärme war wichtig. Je nach Region und Verfügbarkeit des Materials sind die Dächer mit Granitplatten, Schieferplatten oder Holzschindeln gedeckt.


Das Nühus

Bauprojekt: Umbau eines historischen Walserhauses, Bruschgaleschg (GR)
Baujahr: 1806, Umbau 1960 und 2013
Bauherrin: Dagmar Steinemann und Marius Hagger, Safien Platz (GR)
Architekt: Felix Hunger, Safien Platz
Holzbau: Hunger Holzbau, Safien Platz


Holzbau Hunger

Felix Hunger, Architekt und Zimmermann mit Abschluss der Holzfachschule in Biel, leitet das 1932 gegründete Holzbauunternehmen in Safien Platz. Zum dem Betrieb mit vier Mitarbeitenden gehört auch eine Sägerei. Bereits in den 1990er Jahren hat Hunger zusammen mit dem Ingenieurbüro Hunger + Mazzetta ein flexibles Holzelementsystem entwickelt. Neben Holzbau, Architekturleistungen und Bauberatungen hat sich das Unternehmen auch auf historische Sanierungen spezialisiert.
holzbauhunger.ch