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01/2021 Optimal verwertet

BAUEN

Die gute Seite des Käferholzes

Im Kanton Zürich frisst sich der Borkenkäfer satt. Die Förster fällen Baum um Baum und kommen kaum nach, die Stämme aus dem Wald zu schaffen. Die Robert Schaub AG, ein Holzbauunternehmen aus Andelfingen, hat kürzlich ein Mehrfamilienhaus aus Käferholz gebaut. Martin Schaub, der Geschäftsführer, und Christof König, der Projektleiter Holzbau, erzählen, wie das Holz optimal verwertet werden kann.

Interview Sue Lüthi | Bilder Claudia Reinert, Roger Frei | Pläne Meyer Stegemann Architekten AG


Die Robert Schaub AG hat in Kleinandelfingen ein Mehrfamilienhaus erstellt. Was war das Spezielle an diesem Projekt?
Christof König: Eine Herausforderung war die ungewöhnliche Grundrissgeometrie und die daraus resultierende Situation ums Treppenhaus. Dieses ist betoniert, hat keinen rechten Winkel und der Holzbau rundum musste genau passen. Zudem sollten die Holzdecken in den Wohnungen sichtbar sein, und wir konnten mit den Brettstapeldecken keine Toleranzen aufnehmen. Es hat nur eine kleine Fuge – ein Füglein sozusagen.

Von wie grossen Toleranzen sprechen wir da?

CK: Von maximal fünf Millimetern. Die Fuge musste um einen Millimeter genau stimmen. Wir konnten aber beim Anschluss an den Aussenwänden kleine Abweichungen auffangen.

Martin Schaub: Im Holzbau geht es um Millimeter, das ist der Unterschied zu den Baumeistern; denn die SIA-Normen sprechen dort von Zentimetern. Im Normalfall planen wir die Toleranzen ein, aber bei diesem Projekt musste es exakt stimmen.

CK: Der Baumeister musste sehr genau arbeiten. Als die Treppenhauswände des ersten Geschosses fertig waren, haben wir aber trotzdem die Geometrie mit dem Tachymeter kontrolliert und daraufhin alle Decken vorfabriziert. So waren wir in jedem Geschoss terminlich parat, mussten aber bei den oberen Geschossen der Genauigkeit des Baumeisters vertrauen.


Beim Bau wurde Käferholz eingesetzt, wie kam es dazu?

MS: Eine weitere Eigenheit an diesem Haus ist die Bauherrschaft. Das ist nicht irgendein Investor, sondern die örtliche landwirtschaftliche Genossenschaft Landi. Viele der Genossenschafter – die meisten sind Landwirte – haben eigenen Wald und die Vorgabe war, möglichst Holz aus deren Wäldern zu verwenden. Im Moment stehen wir mitten in der Borkenkäferproblematik. Ein grosser Teil der Fichten in der Region sind befallen. Es gibt eine riesige Menge Holz, von der man nicht weiss, wohin damit. So kam es bei diesem Projekt zu der Vorgabe, mit dem befallenen Holz zu bauen.

Was bedeutet es für Sie als Holzbauer, mit Käferholz zu arbeiten?

MS: Beim Spatenstich hörten wir die Frage, ob ein Haus aus Käferholz denn voller Käfer sei? Dabei ist das Holz vollwertig nutzbar; die Bäume mussten gefällt werden, weil die Käfer in der Borke hausten. Das Holz hat nur ein Problem: Wenn der Käfer seine Löcher in die Rinde bohrt, dann gehen auch Bläuepilze ins Holz und es wird im äusseren Bereich blau. Das ist lediglich eine Verfärbung, die Pilze wachsen im Totholz nicht weiter. In unserer Trockenkammer trocknet das Holz zusätzlich und eventuell noch anwesende Käfer überleben diese Wärme nicht. Chemie setzen wir keine ein. Die Käfer wohnen sowieso im lebenden Baum. Sie ziehen um, sobald der Baum gefällt wird. Darum muss man auch die Stämme sofort aus dem Wald transportieren, sonst nisten sie sich gleich in der nächsten lebendigen Fichte ein.


Ist Käferholz für alles einsetzbar?

MS: Das Holz ist problemlos nutzbar, nur im Sichtbereich kann nicht alles verwendet werden. An den Balken, Ständern oder Lamellen, die wir für die Decken brauchten, ist der Bläuepilz auf der einen Seite zu sehen. Das heisst, wir haben das Holz sortiert. Die Lamellen für die Brettstapeldecken sind nun sechs Zentimeter dick und die Verfärbung gegen oben gerichtet, so dass man sie nicht sieht. Sie sind übrigens mit Buchendübel ohne Leim und Metall verarbeitet. Die anderen blauen Teile sind als Ständer in den Aussenfassaden und den Innenwänden verbaut. So hatten wir eine vernünftige Ausbeute.

Wie stark ist das Blau?

MS: Die Verfärbung ist gräulich-blau, sie kann sehr dunkel sein. Wir kennen Beispiele, bei denen das Blau gewollt sichtbar ist. Manchmal sind aber auch nur etwas dunklere Stellen wahrnehmbar. Die Bläue ist ein Riesenthema im Zürcher Weinland, weil wir den Käfer in allen Fichtenwäldern haben. Wir haben auch schon für Bauherrschaften gearbeitet, die sagten, man dürfe sehen, dass das Holz aus dieser Phase stammt. In Kleinandelfingen galt aber die Anforderung, das Blaue nur verdeckt einzusetzen.

CK: Wenn das Holz verwittert, wird es dunkler und man sieht den Bläuepilz nicht mehr. Käferholz an der Fassade ist eigentlich kein Problem, die Verfärbungen fallen nur das erste halbe Jahr auf.

Braucht es beim Einkauf von Käferholz eine Auslese?

CK: Normalerweise kaufen wir die Bäume für einen bestimmten Zweck ein, also eher dickere Stämme. Doch der Käfer befällt auch dünne Stämme, so werden auch Bäume zu Bauholz, die man normalerweise noch nicht gefällt hätte. Oliver Bieri, der Förster von Kleinandelfingen, war für die Holzlieferung eine wichtige Person. Aus Bergen von Käferholz hat er uns die gewünschten Durchmesser herausgesucht und darauf geachtet, dass keine «Zahnstocher» darunter sind. Trotzdem fiel die Lieferung ziemlich gemischt aus.

MS: Normalerweise kommen die Bäume mit der Rinde ins Werk. Wegen des Käfers sind die Stämme jedoch schon halb entrindet, natürlich entrindet, kann man sagen. Das ist wohl der einzige Vorteil des Borkenkäfers.

Konnten Sie alles von den Stämmen verwerten?

CK: Aus kleineren Stämmen ist die Ausbeute geringer. Normalerweise sind für Hauptprodukte wie Balken oder Lamellen etwa zwei Drittel eines Stammes verwertbar, hier war es vielleicht die Hälfte.
MS: Wobei – Abfall gab es keinen. Latten, die wir auch brauchten, gelten als Nebenprodukt. Alles andere ging in die Holzschnitzelheizung. Damit erzeugen wir Wärme für etwa einhundert Liegenschaften in Andelfingen.

Was muss bei der Verwendung von Käferholz noch beachtet werden?

MS: Das Sortieren gibt auf der einen Seite mehr Aufwand, auf der anderen Seite ist das Material natürlich günstiger. Alles in allem halten sich der Mehraufwand und der tiefere Preis wahrscheinlich die Waage. Den Landi-Genossenschaftern bezahlten wir einen etwas besseren als den Marktpreis. Sie schätzten das sehr und waren froh, dass das Holz mit der mässigen Qualität wegging.

Ist im Mehrfamilienhaus noch anderes Holz verbaut?

CK: Wenig. Wir haben mit der Leimbaufirma August Brühwiler AG zusammengearbeitet. Diese hat die von uns gelieferte Fichte aus dem Weinland verleimt. Zusätzlich kauften wir ein paar wenige fertige, 120 Millimeter dicke Brettsperrholzplatten für die Befestigung der Balkone zwischen den Wohnungen. Für die Schwellen der Wandelemente im Erdgeschoss kam wegen des Querdrucks Baubuche zum Einsatz.

Wie ist das Haus konstruiert?

MS: Die Decken- und Wandelemente haben wir vorfabriziert. Im Abstand von jeweils 62,5 Zentimeter steht in der Fassade und in den Innenwänden ein Pfosten. So ging das Mass mit den Fermacellplatten (125 cm) auf, die die Wände verkleiden. Zuerst haben wir die Wandelemente gestellt, danach die Brettstapeldecke aufgelegt. Das Auflager ist sechs Zentimeter schmal. Spezielle Schrauben ragen von der Wand durch die Holzdecke und in den Beton hinein. Die Holzdecke dient zugleich als Schalung. Und der Verbund mit dem Überbeton gibt die statische Festigkeit. Dies ergibt genug Masse, Brand- und Schallschutz sind erfüllt. Die Konstruktion würde auch den Anforderungen für Eigentumswohnungen genügen – und: Sie haben sogar eine sichtbare Holzdecke!


Der Dachrand ist sehr schmal, wie ist er konstruiert?

CK: Die Untersicht ist eine sichtbare Dreischichtplatte, die in unserem Werk abgebunden wurde. Sie läuft bis hinter die Fassade und übernimmt die Lasten der Eindeckung. Die Sparren laufen nur bis an die Fassade, so kann der schmale Dachrand eingehalten werden. Er gehört zu den Ortsbildschutzthemen in den Zürcher Kernzonen. Die Vordachplatte haben wir am Bau montiert, sie ist fünf Meter breit, was wenig Fugen ergibt.


Wie viel Einfluss hatte der Architekt auf die Holzwahl?

MS: Die Holzverbunddecke haben der Architekt und die Bauherrschaft gewählt. Unsere Aufgabe war die Umsetzung: Wie bringen wir das Käferholz ins Haus? Es gibt auch Details, von denen wir nicht so begeistert sind. Zum Beispiel mussten die Brettstapel fugenlos aneinanderstossen. Das hat zur Folge, dass die kleinste Veränderung einer Lamelle sofort sichtbar wird. Die Lamellen verziehen sich unterschiedlich. Mit einer kleinen Fase würde es weniger auffallen. Doch es war vom Architekten gewünscht, dass es etwas industrieller aussieht. Auch die Anhydritböden vertreten diese Ästhetik.

Wie ist die Fassade behandelt?

CK: Die Fassade haben wir mit zwei verschiedenen Farbtönen behandeln lassen. Das dunkle Grau und das helle Gelb sind Öl-Decklasuren. Die Ausschnitte haben wir mit unserer CNC-Maschine erstellt und dann vor Ort nur noch die Kanten behandelt.

Mehrfamilienhaus Landi

Objekt: Neubau Mehrfamilienhaus, Kleinandelfingen (ZH)
Bauzeit: Januar 2019 – Mai 2020
Bauherr: Genossenschaft Landi Andelfingen, Andelfingen (ZH)
Architektur: Meyer Stegemann Architekten AG, Schaffhausen
Bausumme: CHF 3,4 Mio.
Kosten Holzbau: CHF 840 000.–
Holzbauingenieur: IHT Rafz Ingenieurholzbau + Holzbautechnik GmbH, Rafz (ZH)
Holzbau: Robert Schaub AG, Andelfingen
Holzart und -menge Tragwerk: Brettstapel aus Käferholz 53 m3, Baubuche 1,5 m3, BSH und DUO 75 m3
Fassadenschalung: 10,5 m3 (525 m2)


Ein Haus mit drei Stirnfassaden

In Kleinandelfingen, einem Dorf an der Thur, bevor der Fluss gestreckt in den Rhein mündet, gleichen sich die Giebelhäuser in der Form. Ihre Firstbalken zeigen in alle Himmelsrichtungen, manche verzweigen sich gar in zwei Dächer. Die Meyer Stegemann Architekten aus Schaffhausen entwarfen auf einer schwierigen Parzelle mitten im Dorf ein Mehrfamilienhaus mit einer eigentümlichen Grundrissform und drei Stirnfassaden. Die Erschliessung führt über ein betoniertes Treppenhaus, das von einem Holzelementbau umschlossen wird. So fällt von allen Seiten viel Tageslicht in die acht Kleinwohnungen. meyerstegemann.ch, iht-rafz.ch


Robert Schaub AG

Das Sägewerk und Holzbauunternehmen Robert Schaub AG in Andelfingen (ZH) wurde 1862 von Jakob Schaub gegründet. Über Generationen hat sich ein blühender holzverarbeitender Betrieb entwickelt. Die Schaubs, darunter viele mit dem Vornamen Robert, waren abwechselnd Zimmermann, Säger oder Architekt. Der heutige Geschäftsführer, Martin Schaub (46), ist diplomierter ETH-Architekt, sein Vater Robert Schaub hatte den praktischen Weg gewählt und Zimmermann und Säger gelernt. Er war von 1991 bis 1999 Präsident von Holzbau Schweiz und geniesst heute seinen Ruhestand. Sein Nachfolger im Präsidentenamt, Hans Rupli, hatte seinerzeit die Lehre in der Firma absolviert. Ebenfalls heute im Betrieb tätig ist der Bruder von Martin Schaub, wieder ein Robert. Er ist für die Finanzen und die IT zuständig. Im Betrieb wurde immer auch geplant, doch der Schwerpunkt liegt beim Holzbau. Das Sägewerk bietet ein breites Sortiment von der Verarbeitung bis zur weiteren Holzver­edelung an. Die Tochterunternehmung Heinz Günthardt AG, eine Spezialistin für Gebäudehüllen, leistet Arbeit, wenn es um das Dach, Isolierungen oder Fassadenverkleidungen geht. Insgesamt sind in den beiden Betrieben 48 Mitarbeitende beschäftigt, zehn davon sind Lernende. schaub-ag.ch