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03/2021 Elementbau im hohen Takt

BAUEN

Hand in Hand

Schon bevor sie einziehen konnten, planten die Bewohnerinnen und Bewohner der Siedlung «Am Chatzebach» in Muri ihren Gemeinschaftsraum. Die neun Häuser der Genossenschaft Wohnkultur sind schnell entstanden – dank der Zusammen­arbeit der Wyli Holz AG und der Burkart AG trilegno. Die beiden Holzbaubetriebe haben sich so organisiert, dass sie den hohen Takt der Elementbauweise vorbildlich einhalten konnten.

Text Sue Lüthi | Bilder Claudia Reinert, Simon Huwiler | Pläne Wyli Holz AG, Burkart AG trilegno, Baumberger & Stegmeier

«Alleine wäre es nicht möglich gewesen», sagt Max Lindenmann, Inhaber der Wyli Holz AG. Das Unternehmen hätte den Auftrag schon ausführen können, aber nicht in dieser Zeit. Das Projekt umfasst neun Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 54 Wohnungen. Sechs vierstöckige Häuser reihen sich entlang dem Wiliweg, der wie ein Strahl von der imposanten Klosteranlage mitten in Muri (AG) abzweigt. Dahinter bildet sich eine parkähnliche Situation mit drei weiteren, zweigeschossigen Bauten, die zum Einfamilienhausquartier überleiten.


Gleicher Standard für Genossenschaft und Eigentum

Die Genossenschaft für Wohnkultur lud 2016 zu einem Studienauftrag ein, aus dem das Projekt von Baumberger & Stegmeier aus Zürich hervorging. Sie planten für die stattlichen Häuser entlang der Strasse und die tieferen Bauten im Hintergrund unterschiedliche Fassaden. Mit dem hölzernen, dunkelgrünen Kleid strebten sie eine städtische Eleganz wie auch die Nähe zum Garten an. Die Wohneinheiten teilen sich auf in einen Drittel Eigentum und zwei Drittel genossenschaftliche Mietwohnungen. Alle erfüllen den gleichen Ausbaustandard und wurden mit den beiden Qualitätslabels Minergie P und Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz SNBS zertifiziert. Die Siedlung am Chatzebach ist die erste Siedlung der jungen Genossenschaft. In den 37 2,5- bis 5,5-Zimmer-Wohnungen leben Alleinstehende, Paare, Familien und Rentner. Allen stehen individuelle Serviceleistungen zur Verfügung, die sie nach Bedarf bestellen können. Da Eigentümer und Mieter die Tiefgarage, den Park und den Gemeinschaftsraum gleichberechtigt nutzen, mussten auch die Eigentümer der Genossenschaft beitreten.

«Diese Medaille hat keine Rückseite. Offenheit zahlt sich immer aus.»

Konstruktiv unterscheiden sich die Wohnungstypen nur minim, darum konnten die Fassaden in Elementbauweise realisiert werden. Der Zuschlag für die Holzbauarbeiten ging an die Wyli Holzbau AG aus Muri und die Burkart AG trilegno aus Auw. Die beiden Betriebe setzen auf die Auftragsteilung. «Die Art der Ausführung ist Standard – nicht aber eine solche Menge und in diesem Takt», sagt Herbert Burkard, Projektleiter und Inhaber der Burkart AG trilegno. Überzeugt sagt er: «Diese Medaille hat keine Rückseite, alle profitieren. Wichtig ist Offenheit untereinander.» Max Lindenmann ergänzt: «Beide haben Erfolg, die Betriebe sind nicht völlig ausgelastet und haben so noch Kapazitäten für andere Aufträge.»


Für die Elementproduktion haben sich die beiden mit einem dritten befreundeten Holzbauunternehmen, der Renggli AG in Sursee, zusammengetan. Renggli verfügt über die Anlagen, die Pritschen sowie den Lagerplatz und hat viel Erfahrung in der Transportorganisation und der Lieferung. Mit dieser Synergie konnten die geforderte Lieferkapazität plus die Qualität des Wyli-trilegno-Teams gewährleistet werden.

«Ein kleiner Betrieb muss erkennen, was er in der gegebenen Zeit ausführen kann, und dann die Grösse haben, sich mit einem andern zusammenzutun.»


Und was ist der Vorteil für die Bauherrschaft? Mit dieser Lösung haben sie regionale Betriebe berücksichtigt, die von kurzen Transportwegen profitieren. Auch die Monteure schätzen eine nahe Baustelle, so können sie zum Essen nach Hause, was in der Pandemiezeit besonders wertvoll ist. Zudem kamen auf Empfehlung andere Unternehmer zum Zug, die wiederum zwei Eigentumswohnungen gekauft haben, bringt Max Lindenmann ein. «Es ist ein Geben und ein Nehmen. Ein kleiner Betrieb muss realistisch bleiben und erkennen, was er in der zur Verfügung stehenden Zeit in einer guten Qualität ausführen kann, und dann die Grösse haben, sich mit einem andern zusammenzutun.»


Die grösste Herausforderung war das Bauprogramm. Die Innenwände und Decken sind aus Backstein und Beton, die Fassaden aus gedämmten Holzelementen, 56 Zentimeter stark. Sie bestehen aus einer Fassadenschalung (21 mm), der Lattung (2×30 mm), dem Windpapier, einer Gipsfaserplatte (15 mm), der Ständerkonstruktion (60×380 mm), ausgefacht mit Glaswolldämmung (380 mm), und einer weiteren OSB-Platte (15 mm). Die Eigentumswohnungen sind innen mit einem Installationsrost (50 mm) versehen, damit die elektrischen Installationen den Eigentümerwünschen entsprechend ausgeführt werden konnten. Die Fassadenelemente der Mietwohnungen wurden bereits im Werk mit elektrischen Dosen bestückt.


Die Wyli Holzbau AG und die Bur­kart AG trilegno sind als ein Unternehmen aufgetreten. «Wir haben uns dem Bauprogramm des Architekten unterworfen und alles darangesetzt, unseren Teil einzuhalten.» Die beiden Holzbauer teilten sich die Vorbereitungsaufgaben und zeichneten die Pläne, die Renggli AG produzierte die Fassadenelemente, lagerte sie auf Pritschen und organisierte den Transport. Vor Ort in Muri waren durchgehend sechs Holzbauer rund 14 000 Stunden mit Montagearbeiten und Fassadenbekleidungen beschäftigt.


Druckimprägnierung führte zu Diskussionen

Zum Einsatz kam Fichte und Tanne aus der Schweiz und von nahe der Grenze. Bei Minergie P und SNBS sind Hölzer und Holzprodukte aus Europa zugelassen, sofern diese die Labels Schweizer Holz (HSH), FSC oder PEFC tragen, informiert Michael Eichenberger auf Anfrage. Er ist SNBS-Projektveranwortlicher bei Pirmin Jung Schweiz AG. Die Holzwahl der Fassadenschalung und speziell die Behandlung warfen Diskussionen auf. «Die Fassadenschalung ist druckimprägniert, meiner Meinung nach ist das ein ökologischer Blödsinn. Hinter dieser Behandlung kann ich als Holzbauer nicht stehen», spricht Herbert Burkard klare Worte. Sie hätten den Architekten eine andere Behandlung vorgeschlagen. Burkard erklärt das Verfahren: «Die Schalung wird eingeschnitten, getrocknet, profiliert, druckimprägniert, wieder getrocknet und dann farbbehandelt. Zwei Schritte hätten wir auslassen können: die Druckimprägnierung und die zweite Trocknung.» Eichenberger sagt: «Bei SNBS-Projekten müssen die Inhaltsstoffe der Druckimprägnierung und der Nachbehandlung biozidfrei sein. Das heisst, dass auf den Einsatz von Algizide, Fungizide, Insektizide, Nanosilber und so weiter verzichtet wird.» Damit das Holz dauerhaft bleibt, muss es konstruktiv richtig verbaut werden, also mit Bodenabstand und Umlüftung. Darauf verwiesen die Holzbauer und versuchten, ihr Fachwissen einzubringen, doch bissen sie in diesem Fall auf Granit und mussten nachgeben. Es ging ihnen dabei nicht um Wirtschaftlichkeit, sondern um Ökologie und Effizienz.

«Für uns ist unbedeutend, wer im Rampenlicht steht, wichtig ist das gute Resultat.»


Die Balkonstützen erhielten eine Farbbehandlung aus Leinölfarbe. Nach der Bemusterung empfahlen die Holzbauspezialisten die warmgepresste Leinölfarbe mit einem Lösungsmittel, damit die Behandlung richtig trocknen konnte. Das war für die Vorproduktion wesentlich. Bei der Wahl der Behandlung stand die Ästhetik gegen die Ökologie, zwei Welten prallten aufeinander. In anderen Details konnten sich die Holzbauer einbringen und zum Beispiel fünf Zentimeter Bodenabstand der Pfosten gewinnen. «Solche Diskussionen haben uns weitergebracht», sagt Max Lindenmann. Auch das gehört zum gemeinsamen Auftreten.


Nicht kleinlich sein
Funktioniert eine solche Zusammenarbeit mit jedem Betrieb? Theoretisch ja, sagt Max Lindenmann, aber nicht jeder ist offen dafür und wünscht einen solchen Austausch. Manch einer möchte die gesamte Wertschöpfung im eigenen Betrieb. Auch die Unsicherheit, ein anderer könnte etwas kopieren, wird erwähnt. Herbert Burkard sagt deutlich: «Unsere Philosophie ist: Ich zeige jedem alles. Wenn ein Kollege eine Ausführung kopieren möchte, spricht das für uns und einen Standard, den es einzuhalten gilt. Wir beide denken ähnlich und darum funktionieren wir so gut miteinander.» Max Lindenmann ergänzt: «So lernen wir voneinander. Jeder sollte nachgeben können und nicht kleinlich sein. Es geht darum, eine gute Leistung abzugeben und nicht, wer mehr Stunden aufschreiben kann. Für uns ist unbedeutend, wer im Rampenlicht steht, wichtig ist das gute Resultat.»
am-chatzebach.ch, genossenschaft-wohnkultur.ch, baumbergerstegmeier.ch, pirminjung.ch/journal/nachhaltig-bauen-mit-snbs

Burkart AG trilegno, Herbert Burkard

 

Die Brüder Herbert (59) und Erwin Burkard (63) übernahmen vor 30 Jahren die Burkart Holzbau AG in Auw (AG). Sie war eine Weiterentwicklung der Wagnerei gewesen, die ihr Urgrossvater um 1900 betrieben hatte. 1999 schlossen sich die Brüder mit zwei weiteren Partnern zusammen und gründeten die trilegno, um sich für die Zukunft zu rüsten. Daniel Ofner leitet die Geschäfte, weiter im Bund ist Roland Füglister. Das Unternehmen ist eine dy­namische Produktionsfirma mit 25 Mit­arbei­ten­den, darunter fünf Lernende. Herbert Burkard absolvierte nach der Zimmermannslehre den Techniker- und Meisterabschluss an der BFH in Biel. Die Burkart AG trilegno ist gut vernetzt und produziert Holzkonstruk­tionen und Elemente auch überregional. trilegno.ch


Wyli Holzbau AG, Max Lindenmann

Max Lindenmann (58) ist Inhaber und Geschäftsführer der Wyli Holzbau AG in Muri (AG). Der gelernte Zimmermann arbeitete in verschiedenen Holzbaubetrieben, besuchte an der Berner Fachhochschule in Biel die Vorarbeiterschule und gründete 2000 die Wyli Holzbau AG. Heute beschäftigt er rund 15 Mitarbeitende in den BerufenZimmerer, Holzbautechniker und Polier, vier davon sind Lernende. Die Wyli Holzbau AG erstellt Holzkonstruk­tionen, Element- und Innenausbauten sowie Neu- und Umbauten für die Region Freiamt. Eigenverantwortung, die Motivation jedes Mitarbeitenden, umweltbewusstes Handeln und Sicherheit am Arbeitsplatz sind für dasUnternehmen wichtige Schlüsselbegriffe. wyli.ch


Genossenschafts- und Eigentumswohnungen

Projekt: Wohnüberbauung am Chatzebach, Muri (AG)
Nutzung: 9 Mehrfamilienhäuser, 54 Wohnungen
Bauherrschaft: Genossenschaft für Wohnkultur, Muri
Architektur: Baumberger & Stegmeier AG, Zürich
Holzbau: Wyli Holz AG, Muri; Burkart AG trilegno, Auw (AG)
Produktion Wandelemente: Renggli AG, Schötz (LU)
Holzbauingenieur: Pirmin Jung Schweiz AG, Rain (LU)
Kosten Holzbau: CHF 2,8 Mio.
Holzart und -menge: Fichte/Tanne 694 m3
Aussenwände: 4080 m2Nettogeschossflächen: 9700 m2