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05/2018 Mehrgeschossig bauen mit Holz

BAUEN

Pilotprojekt «Quellengarten»

Die sechs Wohnblöcke aus den 1950er Jahren hatten schon bessere Zeiten gesehen. Weil sie nicht mehr den Anforderungen an zeitgemässes Wohnen entsprachen, mussten sie einer neuen Bebauung weichen. Mit den fünf neuen Mehrfamilienhäusern, errichtet durch die Holzbau Erni AG aus Schongau (LU), ist in Aarau-Rohr nun moderner genossenschaftlicher Wohnraum entstanden. Der Einsatz von Holz-Beton-Verbunddecken machte den Bau zu einem Pilotprojekt.

Text DB, Holzbau Erni AG | Fotos Marilena Iuliano

Rohr ist ein typischer Vorort des Schweizer Mittellandes. Hier säumen als letzte Ausläufer der Stadt Aarau einige höhere Gebäude die Hauptstrasse. Dahinter nimmt die bauliche Dichte rasch ab, Einfamilienhäuser und Privatgärten bestimmen das Bild. Anstelle der Wohnblöcke aus den 1950er Jahren sind entlang der Hauptstrasse nun fünf Mehrfamilienhäuser mit 44 Wohnungen in Holzbauweise entstanden. Aber nicht nur das Wohnquartier wurde durch das Bauprojekt aufgewertet – auch die Adresse klingt jetzt sympathischer: Neu heisst die Siedlung «Quellengarten».


Die fünf zueinander versetzten Gebäuderiegel auf dem 5900 Quadratmeter grossen Areal integrieren sich gut in den Massstab der benachbarten Bauten. Gemeinsam fassen sie einen weiten grünen Hof. Das Dach fügt die einzelnen Gebäudevolumen zu einem Ensemble, dessen Fugen durchlässig sind. In diesen Fugen liegen die offenen Treppenhäuser, die so gross ausfallen, dass sie auch als Veranden der anstossenden Wohnungen dienen. Zugleich dienen die massiven Treppenhauskerne auch der Aussteifung. Von hier betritt man die preisgünstigen, aber hochwertigen 2,5- bis 4,5-Zimmer-Wohnungen. Der Zutritt erfolgt jeweils direkt in das Wohnzimmer, das Aufenthalts- und Verkehrsraum zugleich ist. Um den Mietern eine gewisse Flexibilität in der Auswahl der Wohnungsgrösse zu ermöglichen, werden insgesamt drei zumietbare Zimmer sowie drei Studios angeboten. Im betonierten Untergeschoss gibt es eine Einstellhalle, einen Technikraum sowie Wasch-, Keller- und Hobbyräume.


Mit diesem Konzept konnte sich die Zürcher Arbeitsgemeinschaft Jürgensen Klement Leimgruber Architekten AG 2014 in einem offenen Architekturwettbewerb gegen rund 70 Mitbewerber durchsetzen. Die Realisierung erfolgte durch die Rykart Architekten AG aus Liebefeld (BE). Nach dem Abbruch der alten Wohnblöcke und noch vor Beginn der Aushubarbeiten im Oktober 2016 musste zunächst eine Schadstoffsanierung durchgeführt werden, unter anderem wegen kleinerer Asbestvorkommen. Dann kamen die Baumeister und ab 2017 die Holzbau Erni AG aus Schongau (LU) zum Zuge.

 

Holz und Beton geben sich das Jawort
Die Mehrfamilienhäuser im Quellengarten sind in Elementbauweise erstellt. Für das Projekt setzte die Holzbau Erni AG erstmals auch ihre Holz-Beton-Verbunddeckentechnik ein. Fabriziert werden die Deckenelemente in der Werkhalle. Dort sind Temperatur und Feuchtigkeit immer gleich, ohne Einflüsse von Wind und Wetter. Den richtigen Beton lieferte die Agir AG aus Affoltern am Albis (ZH). «Der Beton muss schwindarm sein, mit einem tiefen Wasserzementwert», erklärt Holzbau-Projektleiter Tobias Wili: «Vibrieren ist nicht möglich, trotzdem muss der Beton gut fliessen. Zudem muss er bereits nach 48 Stunden 60 Prozent seiner Endfestigkeit erreicht haben, damit die Elemente gestapelt werden können.» Da die Anforderungen an den Beton sehr hoch waren, kam nur ein modifizierter Rheo-Spezialbeton mit ähnlichen Eigenschaften wie ein selbstverdichtender SCC-Beton in Frage – ohne dessen schlechtes Schwindverhalten. Für die Vorfertigung der Brettsperrholz-Beton-Verbundelemente, der Rippendecken und der übrigen Holzbauelemente waren zwischen Januar und September 2017 acht bis zwölf Zimmerleute im Einsatz. Die Aufrichte der fünf Gebäude erfolgte zwischen Mai und Oktober 2017 durch je fünf bis sieben Mitarbeiter. Schon während der Aufrichte wurde mit der Montage der Fassaden begonnen, die Fertigstellung wurde zum Jahresende 2017 erreicht.

 

Fassadenplatten prägen die Erscheinung
Für das Holztragwerk der Mehrfamilienhäuser kamen rund 920 Kubikmeter Brettsperrholz, 530 Kubikmeter Konstruktionsholz sowie 60 Kubikmeter diverse Latten zum Einsatz. Bis auf das Brettsperrholz, das teils in Kiefer gefertigt ist, wurde Fichte/Tanne verwendet. Die Lastabtragung erfolgte vertikal über die Aussenwände sowie über die Unterzüge und durchgehenden Pfosten. Die Wohnungstrennwände aus Brettsperrholz dienen der Aussteifung. Bei den Verbindungsmitteln fiel die Wahl auf Stabdübel für die Balkenträger sowie auf Holzbauschrauben (Senkkopf/Tellerkopf SFS WT-T/WS-T). Insgesamt wurden über 8500 Kilogramm Verbindungsmittel gebraucht.


Für den Brandschutz wurden rund 3500 Quadratmeter Fermacellplatten (15 mm) verbaut. Die Aussenwände sind innen mit 27 Millimeter starken Dreischichtplatten beplankt. Für die Hohlraumdämmung fiel die Wahl auf Mineralwolle. Aussen sind auf der Hinterlüftungslattung druckimprägnierte und in Teak-Optik lasierte Kerto-Q-Platten (27 mm) aufgebracht, die auch das Gesamtbild der Wohnanlage prägen. Im Inneren der Wohnungen sind alle Wandbeläge mit Dreischichtplatten oder Brettsperrholz ausgeführt und mit einer wässrigen Lasur in Opalweiss eingefärbt. Für die Bodenbeläge wurde Linoleum gewählt. Die Fenster sind aus einem Holz-Metall-Verbund.

 

Wenig Platz und schwere Transporte
Für die Holzbau Erni AG bestand eine der grossen Herausforderungen in dem beschränkten Platz auf der Baustelle und in der Logistik der 137 Transporte. Hinzu kam das hohe Transportgewicht, da die 328 Holz-Beton-Verbunddecken bereits im Werk betoniert wurden. Um einen hohen Vorfertigungsgrad zu erreichen, montierten die Zimmerleute auch die Installationsroste, die Stromeinlagen sowie die Dreischichtplatten ohne sichtbare Befestigungsmittel direkt im Werk. Auch ein Grossteil der Oberflächen wurde vorab gestrichen. Insgesamt sind so über 800 Elemente im Werk in Schongau vorgefertigt worden. Die Vormontage hatte den Vorteil, dass es keine zusätzliche Feuchtigkeit und damit auch keine Austrocknungszeiten auf der Baustelle gab. Ausserdem waren dadurch eine schnelle Montage und ein zügiger Baufortschritt möglich.


Die fünf Gebäudekörper sind über ein gemeinsames Flachdach verbunden, auf das eine Photovoltaikanlage installiert wurde. Die Anlage produziert so viel Energie, wie die Häuser verbrauchen. Damit wurden unter anderem die Voraussetzungen für eine Minergie-P/A-Eco-Zertifizierung geschaffen. Die Überbauung wird im Herbst 2018 bezugsbereit sein. Damit ist das Projekt zunächst abgeschlossen. Doch der Gebäudekörper von Haus A wurde so vorbereitet, erläutert Peter Henggeler, Inhaber und Geschäftsführer der Holzbau Erni AG, dass bei Bedarf zu einem späteren Zeitpunkt eine Aufstockung um weitere drei Geschosse möglich ist. graphis.ch, rykart.ch, holzbau-erni.ch, holzbauing.ch