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05/2022 Holzbau total

BAUEN

Schicht für Schicht

Vom ehemaligen Hotel Kreuz ist nur mehr das Kreuz geblieben: Nicht im Namen, denn neu heisst die Unterkunft am zentralen Dorfplatz «Apart Hotel Adelboden», aber in der Dachform. Unter dem Kreuzfirst entwickelt sich das neue Holzhotel Schicht für Schicht von innen nach aussen.

Text Akkurat Bauatelier GmbH, Dorothee Bauland | Bilder Damian Poffet

 

Bald 3500 Einwohner, fast ebenso viel Vieh und mehr als 10 000 Betten für Feriengäste: Adelboden im Berner Oberland hat sich im Laufe der vergangenen rund 150 Jahre von landwirtschaftlich geprägten Streusiedlungen im abgelegenen Talboden zu einer beliebten Feriendestination mit Dorfkern entwickelt. 1873 wurde die erste Fremdenpension gebaut, 1901 führte das Grandhotel die erste Wintersaison ein, und in den 1930er Jahren wurde die Seilbahn auf die Engstligenalp gebaut. Seit über hundert Jahren mitten im Geschehen: das Hotel Kreuz, direkt am Dorfplatz gelegen.

Prominente Stellung im Dorfgefüge
Die Lage am Dorfplatz ist perfekt, die Bausubstanz des Hotels liess nach all den Jahren allerdings zu wünschen übrig. Und auch der Ausbaustandard entsprach nicht mehr den heutigen Anforderungen der Hotelgäste. Aus diesem Grund hat die familieninterne Nachfolge ein zeitgemässes und tragbares Betriebskonzept entwickelt. Akkurat Bauatelier GmbH in Thun erhielt den Auftrag, die entsprechende Architektur zu entwerfen. «Wir konnten mit diesem Projekt die Möglichkeit nutzen, die Situation rund um den Dorfplatz Adelboden städtebaulich zu klären und damit dem Ort ein angemessenes Zentrum zu geben», erklären die Architekten die konzeptionelle Intention zum Ersatzneubau des Hotels.


Neu bilden der 2021 in Holzbauweise realisierte Hotelneubau und der Dorfplatz von Adelboden eine ortsbauliche Einheit: Der Dorfplatz – als Ausweitung der zentralen Dorfstrasse – stellt die Ortsmitte dar und ist bergseitig durch den Neubau des Hotels definiert. «Insofern schien uns die Übereinstimmung des Gebäudefussabdrucks mit dem davorliegenden Freiraum logisch und stimmig», sagen die Architekten. Das Volumen des Ersatzneubaus sollte im Vergleich zur diffusen, beinahe organisch gewachsenen Form des Vorgängerbaus deutlich klarer sein. So wurde ein kompakter Baukörper mit einem Kreuzfirst entwickelt.
Zentral ist nicht nur der Dorfplatz für die Ortschaft, auch die Erschliessung für das Gebäude hat ein Herzstück: Ausgehend vom mittig angeordneten Erschliessungskern in Stahlbetonbauweise, der über alle sieben Etagen geht, ist der kompakte Baukörper in Schichten organisiert: Auf das zentrale Treppenhaus mitsamt Lift und Fluchtwegen folgt eine Schicht mit allen Zugangs- und Nassbereichen. Diese wird wiederum ringförmig durch Möbeleinbauten überlagert, die mal als Schrank oder Küche, mal als Kajütenbett funktionieren. Als Nächstes – und flächenmässig am ausgedehntesten – folgt die Schale der Haupträume, die dem Aufenthalt oder dem Schlafen gewidmet ist. Und schliesslich, als letzte Hülle, legt sich die Fassade mit allseitigen Balkonen um das Gebäude.


In der vertikalen Gliederung versteht sich das Sockelgeschoss als Erweiterung des öffentlichen Raums des Dorfplatzes, entsprechend finden sich hier hauptsächlich jene Nutzungen, die auch Gäste ausserhalb des Hotelbetriebs empfangen: ein Restaurant und eine Gelateria. Darüber bieten drei Obergeschosse jeweils acht identische Apartments an, die flexibel und je nach Besucherwunsch von zwei bis sechs Personen genutzt werden können.

Lastabtragung über vier Holzstützen
Über der unterirdischen, zweigeschossigen Einstellhalle mit Aussenwänden aus Stahlbeton und dem massiven Erdgeschoss wurde der Ersatzneubau ab dem ersten Obergeschoss in Holzelementbauweise errichtet. Dafür spannten einmal mehr drei ortsansässige Holzbauunternehmen als ARGE Holzbau Adelboden zusammen: Die Holzbau Burn AG, die Künzi + Knutti AG sowie die Pieren + Co. AG realisierten bereits ein Jahr zuvor gemeinsam das Hotelprojekt «Revier Mountain Lodge», ebenfalls in Adelboden (siehe «Wir Holzbauer» 6/2020). Für die drei oberen Etagen und das Dach des Hotels Kreuz setzten sie erneut auf ihre bewährte Zusammenarbeit.


Die Lastabtragung der oberen Geschosse erfolgt über vier Vollholzwände sowie vier Holzstützen, die sternförmig um den massiven Kern angeordnet sind. Die Aussenwandelemente bestehen aus einer OSB-Schicht, ausgedämmten Holzständern und einer äusseren, brandschutztauglichen Dämmplatte. Nach aussen sind die Wände mit einer hinterlüfteten Holzverkleidung versehen, nach innen mit Gipsplatten verkleidet. Die Geschossdecken sind im Holzbetonverbund realisiert. Auskragende, in die Deckenkonstruktion eingelassene Holzsticher, ermöglichen stützenbefreite aussenliegende Balkone. Auch das Dach wurde in Holzelementbauweise erstellt und trug dazu bei, die Erstellungseffizienz des Holzbaus zu maximieren. Eingedeckt ist das Kreuzdach mit ortsüblichen Eternitschiefern, zusätzlich wurde eine Photovoltaikanlage installiert. Sämtliche Spenglerarbeiten sind in Kupfer ausgeführt.


Das Sockelgeschoss, das sich zum Dorfplatz orientiert und öffentlich genutzt wird, ist mit einem Valser Naturstein eingekleidet, die darüberliegenden Geschosse mit einer druckimprägnierten Holzschalung. Ergänzt wird die liegende Fassadenschalung mit vertikalen Holzleisten und horizontal umlaufenden Kupferbändern auf der Höhe der Fensterbrüstungen und -stürze. Die Künzi + Knutti AG baute die über einhundert Holzmetallfenster, teilweise mit Brandschutzanforderungen, in die Fassade ein. Aussenliegende Senkrechtmarkisen dienen als Sonnenschutz sowie zur individuellen Abdunklung und als Sichtschutz. Bei sämtlichen Konstruktionen und Bauteilen legte die Bauherrschaft grossen Wert auf Qualität und Langlebigkeit.

Hölziger Innenausbau mit farbigen Akzenten
Der Innenausbau erfolgte durch die Schreiner der Holzbau Burn AG. Sämtliche Betten und Schränke, abgehängten Decken, Küchen und Duschkabinen wurden im Betrieb in Adelboden gefertigt. Aufhängungen und Hochbettleitern aus schwarzem Rundstahl ergänzen den hölzigen Ausbau. Als Kontrast zu den Fichtenholzfronten ist ein auf das Korn geschliffener und versiegelter Unterlagsboden eingesetzt. Die Fenster und Innenwände sind in einem dezenten Grünton gestrichen, dunkle, fugenlose und einfach zu reinigende Oberflächen kommen in den Bädern zum Einsatz. Durch die zurückhaltende Auskleidung der Nasszellen gewinnen die hochwertigen Apparate und Armaturen an optischer Prägnanz. Wohntextilien und das Mobiliar setzen Akzente mit natürlichen, aber auch kräftigen Farben.


Das Architekturkonzept mit seinem Schichtenprinzip wiederholt sich in den Innenräumen: Die einzelnen Raumschichten ummanteln und staffeln sich vom dunklen Innenkern bis zur lichtoffenen Fassade. Ein mobiles Raumsystem ermöglicht die Umgestaltung – je nach Bedürfnis – zu Zweier-, Vierer- oder Sechserzimmern. Das Schichtenprinzip verbindet auch Nasszellen und Garderoben zu einer Nutzungszone.
Im Tagesbereich entwickeln sich Aufenthalt, Kochen und Essen sowie der eigentliche Wohn- und Erholungsbereich auf verdichtetem Raum. Fixe Raumteiler sorgen dafür, dass die Schlaf- und Erholungsbereiche von den Aufenthaltszonen entkoppelt werden können. Die Sitznischen lassen sich dabei zu Schlafbetten umfunktionieren. Kajütenbetten erweitern die Anzahl der Schlafplätze und können mit textilen Raumtrennern zu Rückzugsnischen ausgebildet werden. Unter den Doppelbetten wie auch unter den Kajütenbetten steht weiterer Stauraum zur Verfügung. Um zusätzliche Aufbewahrungsmöglichkeiten zu schaffen, integrieren sich Rundstahlstangen mit Aufhängehaken in die Holzkörper. Die Klapphocker können zu den Esstischen gestellt oder zusammengeklappt an die Rundstahlstangen gehängt werden. Glasfronten gewähren in den Aufenthaltsräumen maximales Tageslicht. Kleine Balkone erweitern die Wohneinheiten und runden das Angebot des Apartmentkonzepts ab. ak-b.ch, burnag.ch, kuenzi-knutti.ch, pieren.com, aparthotel-adelboden.ch
 

ERSATZNEUBAU HOTEL

Projekt: Neubau Apart Hotel Adelboden (BE)
Bauherrschaft: Ninum AG, Adelboden
Baujahr: 2021
Architektur und Baumanagement: Akkurat Bauatelier GmbH, Thun
Bauingenieur: Ramu Ingenieure AG, Frutigen (BE)
Holzbauingenieur: BauHolz Wenger GmbH, Längenbühl (BE)
Holzbau: ARGE Holzbau Adelboden (Holzbau Burn AG, Künzi + Knutti AG, Pieren + Co. AG), Adelboden
Fenster: Künzi + Knutti AG, Adelboden
Schreinerarbeiten: Holzbau Burn AG, Adelboden
Bauvolumen: 5525 m3
Holzmenge: 320 m3
Kosten (BKP 1–9): CHF 9,8 Mio.