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07/20 Das neue alte Dach

BAUEN

Schwungvoll bedacht

Auch wenn St. Moritz schon recht weit östlich in der Schweiz liegt – den Bauherren war das nicht östlich genug. Familie Schneider, bekennende Weltenbummler, träumte von einem Zuhause mit fernöstlichem Flair. Nun leben sie seit fünf Jahren unter einem Pagodendach, und der Lebenstraum wurde zum Lebensraum.

Text Dorothee Bauland, Daniela Eising, Prefa | Fotos Prefa, Croce & Wir | Grafik A. Freund Holzbau GmbH

 

St. Moritz liegt auf 1822 Meter über Meer. Das Klima ist subarktisch: mit langen, kalten und schneereichen Wintern sowie kurzen und kühlen Sommern. Dem wird im Ort Rechnung getragen: zum einen mit dem Wintersport – legendär sind die Austragungen der Olympischen Winterspiele 1928 und 1948, die vier alpinen Skiweltmeisterschaften und die Rennen des White Turf –, zum anderen mit der Architektur: Ein Satteldach ist nach wie vor die beste Wahl, um den Schneemassen standzuhalten.


Ersatzneubau mit Pagodendach
Unter der zu erwartenden Schneelast und den geltenden Bauvorschriften musste auch die Bauherrenfamilie Schneider nachgeben. Statt der ursprünglich erträumten Schiffscontainer-Siedlung mit über- und nebeneinandergestapelten Seefracht-Containern realisierten sie deshalb ein Mehrfamilienhaus mit fernöstlich anmutendem Pagodendach. Das Dach entsprach als Steildach der gesetzlichen Vorlage und galt damit als ins Ortsbild passend.


Der Neubau widerspiegelt das Lebensgefühl des Bauherren Max Schneider als Weltenbummler. Jahrzehntelange Auslandsaufenthalte und Reisen nach Fernost und Südamerika waren die Inspirationsquelle für den Neubau. Errichtet wurde es auf dem Baugrund, auf dem zuvor das elterliche Wohnhaus aus dem Jahr 1955 stand. Das Raum- und Nutzungsprogramm des Vorgängerbaus war nicht mehr zeitgemäss und zudem war der Bau sanierungsbedürftig. Der Wunsch, etwas Neues und Individuelles zu gestalten, führte schliesslich zum Entscheid für einen Ersatzneubau. Um auf die Ideen der Familie Schneider einzugehen und deren Lebenstraum in einen Lebensraum umzusetzen, brauchte es einen Architekten, der gut zuhören kann. Roland Hinzer, der sein Architekturbüro im benachbarten Ort Champfèr führt, war dafür der richtige Ansprechpartner.


So ist ein sehr individuelles Mehrfamilienhaus mit vier Ebenen entstanden – zur Wohnnutzung sowie mit zwei Gewerberäumen und einem Büro. Das Haus steht am Rande eines steil abfallenden Hanges nach St. Moritz und bietet – erhaben über dem St. Moritzersee – einen grossartigen Ausblick auf die Landschaft. Und das Haus selbst ist mit seiner speziellen Dachform ein Blickfang im Dorf.


Das geschwungene Dach und seine Giebel erinnern an fernöstliche Tempel, die Bullaugen in der sägerohen Lärchenholzfassade sind eine Reminiszenz an die vielen Jahre, in denen die Familie Schneider mit dem Schiff unterwegs war. Zugleich passen die verwendeten Materialien Holz, Aluminium und Glas harmonisch in die Umgebung.


Dachstuhl aus Brettschichtholz

Mit der Montage der Dachkonstruktion wurde die A. Freund Holzbau GmbH aus Samedan beauftragt. Die benötigten rund 15 Kubikmeter geraden und weiteren 5,5 Kubikmeter geschwungener Brettschichtholzträger lieferte die Roth Burgdorf AG nach St. Moritz. Auch die 630 Quadratmeter der Fassadenschalung von der Lüchinger AG aus Mels wurden von den Zimmerleuten aus Samedan angebracht.
Mit Gregor Nani, einem erfahrenen Dachdecker und Spengler aus St. Moritz, konnte ein Profi in der Verarbeitung von Metalloberflächen ins Boot geholt werden, um die Dachkonstruktion der Holzbauer mit einem leichten und geschmeidigen Stehfalzmaterial zu bekleiden. Im Prozess der Planbesprechung war er ein wichtiges Bindeglied, gerade wenn es um die Umsetzung der anspruchsvollen Dachform ging. Er empfahl für den Silberlook ein weiches Material, damit die geschwungenen Formen schön und genau verarbeitet werden konnten. «Das Aluminiumblech Prefalz punktet durch die Geschmeidigkeit des Materials mit extrem leichter Formbarkeit und der Möglichkeit, Verbindungen regendicht und ohne Schrauben, Kleben oder Schweissen zu erreichen», sagt Gregor Nani. «Zudem ist das Alublech optimal einsetzbar, gerade wenn es um ungewöhnliche Formensprache geht.»


Biegsames Aluminiumblech

Zunächst wurden von den Zimmerleuten die entsprechenden Vorbereitungen getroffen, damit der Dachaufbau gemäss den Plänen des Architekten Roland Hinzer realisiert werden konnte. Für die Formen waren Schablonen vorbereitet, montiert wurden die 350 Quadratmeter beschichtetes Aluminium (0,7 mm) auf einer vollflächigen Schalung (30 mm) mit Trennlage, einer Hinterlüftungsebene (100 mm), einer Holzfaserplatte (40 mm) und einer Zwischensparrendämmung (280 mm). Ergänzend zum Dach wurden auch die Fenster und Türen des Gebäudes mit Prefalz eingefasst.


«Aufgrund der Dachform hatten wir hinsichtlich der Farbgebung zunächst ein Stahlblech in Erwägung gezogen», erinnert sich der Architekt. Nach Rücksprache mit dem Verarbeiter war jedoch bald klar, dass bei dieser speziellen Dachformsituation ein Alublech besser funktioniert. Dem Architekten war es wichtig, dass für Dach-, Tür- und Fenstereinfassungen dasselbe Material verwendet wird, um ein einheitliches Erscheinungsbild zu erzielen. Insbesondere war die Biegsamkeit der Dachhaut wichtig, da es auf keinen Fall Dellen im Dach geben durfte. Die flexiblen Bänder aus legiertem Aluminium sind trotz der hohen Lack- und Oberflächenbeständigkeit besonders leicht zu formen. Die Entscheidung fiel auf eine strukturierte Oberfläche, damit allfällige Unebenheiten bei Lichteinstrahlung durch die Lichtbrechung nicht gleich wahrgenommen werden, wie es bei einer glatten Oberfläche der Fall wäre.
freund-holzbau.ch, prefa.ch


 

Pagodendach

Projekt: Mehrfamilienhaus Schneider, St. Moritz (GR)
Baujahr: 2015
Architekt: Roland Hinzer, Hinzer Architektur AG, Champfèr (GR)
Holzbau: A. Freund Holzbau GmbH, Samedan (GR)
Projektleitung Holzbau: Hendrik Pfeffinger, Peter Ulrich
Holzart und -menge Dachtragwerk: 20,5 m3 BSH
Holzart und -menge Fassade: 630 m2 Lärchenschalung, sägeroh
Dachdecker: Gregor Nani, St. Moritz
Dachhaut: Prefalz «Stucco» von Prefa, Silbermetallic