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07/2019 Zukunft im Holzbau

BEWEGEN

Vizeweltmeister!

Das war knapp: In der allerletzten Minute montierte Rafael Bieler den finalen Balken, dann war die Wettkampfzeit abgelaufen. Doch weil der junge Zimmermann bis zum Schluss die Ruhe behielt und während vier strengen Tagen sorgfältig gearbeitet hat, sicherte er sich bei den WorldSkills im russischen Kasan die Silbermedaille.

Text Dorothee Bauland | Fotos SwissSkills, Adrian Wenger

Ohrenbetäubendes Treichel-Geläut und mindestens ebenso lauter Jubel empfingen die Schweizer Berufswettkämpfer Ende August in Zürich-Kloten. Eben erst mit Swiss-Flug LX1325 gelandet, geht es gleich zum Empfang in die Ruebisbachhalle. Das Schweizer Nationalteam hat schliesslich allen Grund, zu feiern: Mit 16 Medaillen, das heisst fünf in Gold, fünf in Silber und sechs in Bronze, belegt die Schweiz im Nationenranking hinter China und Korea den dritten Rang. Einer, der zu diesem grossartigen Erfolg beigetragen hat, ist Zimmermann Rafael Bieler.

Wo ist das Holz?
Dabei sah es anfangs gar nicht so gut aus für den Schweizer Zimmermann. Die verzweifelte Frage vor dem Wettkampf lautete: «Wo ist unser Holz?» Das erzählt Experte Adrian Wenger, der Rafael Bieler an die WorldSkills im russischen Kasan begleitet hatte. «Zwei Tage vor Wettkampfbeginn wurde es noch irgendwo in Russland gerüstet, rund 400 Kilometer vom Wettkampfort entfernt.» Am Abend vor der Eröffnungsfeier traf das seit Tagen versprochene Holz dann endlich ein. Doch erst nachdem die komplette Ladung eingetroffen und kontrolliert war, alle Kisten ausgepackt dastanden, der Arbeitsplatz eingerichtet war und die Maschinen einwandfrei funktionierten, gab sich Experte Adrian Wenger zufrieden. Einem gelungenen Start in den Wettkampf stand nun nichts mehr im Wege.

Keine Zeit für den Bundesrat
Hochmotiviert begibt sich Zimmermann Rafael Bieler am ersten Wettkampftag an die gestellte Aufgabe. Bundesrat Guy Parmelin, der kurz nach dem Start bei den Schweizer Teilnehmern vorbeischaut, liegt dabei nicht in seinem Fokus. Seine ganze Konzentration gilt dem ersten von insgesamt drei Wettkampfmodulen, die am Schluss passgenau zusammengefügt werden müssen. Die ersten drei Tage laufen für den Berner wie am Schnürchen, das Grundgerüst sowie die Rampe mit Balkon werden rechtzeitig fertig. Moralisch unterstützt wird er dabei nicht nur von Experte Adrian Wenger und Betreuer Michael Hürbin, sondern auch von seinen Eltern und seiner Schwester, die ebenfalls vor Ort in Kasan sind.

Zeitverlust durch Zahlendreher
Am vierten Wettkampftag wird die Situation dann brenzlig: Ein Zahlendreher kostet Rafael wertvolle Zeit. «Das Holz wurde falsch ausgetragen und bearbeitet, doch zum Glück war es zu lang und nicht zu kurz», berichtet Peter Elsasser, Bereichsleiter Bildung bei Holzbau Schweiz, aus Kasan. Nachdem der Fehler gefunden ist, kann Bieler das Holz jedoch einfach nachschneiden und den Dachstuhl montieren.

Notfalleinsatz für Rafael Bieler
Für Aufregung sorgt der Schweizer Zimmermann am letzten Wettkampftag dann auch während der Mittagspause. Weil er sich massieren lassen will, legt er sich – mangels geeigneter Liegen – in der Kantine auf den Boden. Das ruft das Aufsichtspersonal auf den Plan: Sie vermuten einen Schwächeanfall und verständigen die Ambulanz. Sanität und Notarzt rücken an und es braucht dann einige Zeit, bis die Helfer von Rafaels Wohlbefinden überzeugt werden können.

Mit Hammer und Schraubzwinge
Angst und bange wird es den Zuschauern nochmals wenige Minuten vor Wettkampfschluss, als Rafael Bieler sein Modell mit Schraubzwinge und Hammer zurechtklopft und drückt, während der Chinese nebenan fein säuberlich mit Schleifpapier und Radiergummi hantiert. «Das letzte Holz habe ich erst in der letzten Minute eingesetzt», blickt Rafael Bieler auf die heisse Phase zurück. Gerade rechtzeitig mit dem Schlusspfiff wird er fertig – sichtlich geschafft, aber auch glücklich, es geschafft zu haben.

Erst bei den Siegerehrungen am nächsten Tag steht fest: Es hat für die Silbermedaille gereicht! Zimmermann Rafael Bieler wird bei den WorldSkills 2019 mit 720 Punkten Zweiter, hinter Alexander Bruns aus Deutschland (725 Punkte). Ebenfalls Silber holen sich punktgleich Matthias Gruner (Südtirol/Italien), Baptiste Menestrello (Frankreich) und O-Hyeon Kwon (Korea).

Zurück in der Schweiz stellt sich die Frage, welche Ziele Rafael Bieler nach der Berufsweltmeisterschaft verfolgt. «Ich will noch Berufserfahrung sammeln und später mit der Technikerschule beginnen», nennt er seine Vorsätze. Vor allem aber darf sich nun sein Arbeitgeber, die Beer Holzbau AG in Ostermundigen bei Bern, freuen, dass einer der weltbesten Zimmermänner wieder auf ihren Baustellen im Einsatz ist. swiss-skills.ch