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03/2021 Elementbau im hohen Takt

BEWEGEN

Vorfertigung hat viele Vorteile

Schon zahlreiche Unternehmen haben versucht, den Vorfertigungsgrad in ihrem Holzbaubetrieb zu erhöhen – mit gemischtem Erfolg. Denn die Tätigkeiten von der Baustelle in die Elementfertigung und die Halle zu verlagern, ist aufwendiger als zunächst gedacht. Der Grad der Vorfertigung kann jedoch auch gesteigert werden, indem zusätzliche Tätigkeiten – die üblicherweise andere Gewerke und Subunternehmen ausführen – selbst getätigt werden.

Text und Grafik Ecoholz GmbH

«Das machen wir dann auf der Baustelle, das ist einfacher!» So lautet eine oft gehörte Aussage in den Holzbaubetrieben. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Die Mitarbeitenden im Werk argumentieren damit, dass die Kollegen auf der Baustelle auch noch etwas zu tun haben sollen, und die Kollegen auf der Baustelle begründen es damit, dass sie die Tätigkeiten auf der Baustelle schneller umsetzen können als jene Kollegen in der Halle. Mitarbeitende von der Baustelle meinen auch: «Ich arbeite nicht gerne in der Halle, da ist zu vieles strukturiert, der Chef ist immer wieder da und wir werden zu sehr kontrolliert.»

Die Führungsverantwortlichen nehmen nochmals eine andere Perspektive ein:

  • Das nötige Material ist noch nicht da, wir lassen es nun auf die Baustelle liefern.
  • Das ist nicht bis ins Detail geplant – sollen der Projektleiter und der Bauführer auf der Baustelle entscheiden.
  • Die Zeit für die Fertigung reicht nicht mehr.
  • Das macht dann der Fensterbauer, das ist nicht in unserem Auftrag enthalten.


Wertschöpfung im Vergleich
In verschiedenen Workshops wurden die Elementfertigung in der Halle und vergleichbare Tätigkeiten auf der Baustelle analysiert. Die nachfolgend aufgeführten Ergebnisse sind Mittelwerte aus mehreren Unternehmen und ergeben ein repräsentatives Bild.


Ist-Aufnahme Baustelle

  • 15%: Rüsten, Fahrzeit, tanken
  • 10%: Baustelle einrichten, aufräumen, reinigen   
  • 25%: Gehzeiten (holen, suchen)   
  • 10%: Rückfragen, Fehler
  • 40%: Wertschöpfung   
  • Bei der Wertschöpfung sind noch zusätzliche Faktoren der Ineffizienz zu berücksichtigen, wie etwa Wind und Wetter oder unzweckmässig eingerichtete Arbeitsplätze. Damit sinkt die Wertschöpfung schnell noch um 5 bis 15 Prozent. Folgekosten der Baustelle, Fahrzeugkosten, zusätzlicher Verschleiss der Handmaschinen sowie höhere Kranken- und Unfalltage wären ebenfalls zu berücksichtigen.

Ist-Aufnahme Elementfertigung

  • 5%: Rüsten und Logistik
  • 5%: Arbeitsplatz einrichten, reinigen
  • 15%: Gehzeiten (holen, suchen)
  • 5%: Rückfragen, Fehler
  • 70%: Wertschöpfung

Fazit: Die gleiche wertschöpfende Tätigkeit ist in der Halle um die Hälfte günstiger als auf der Baustelle. Selbst bei den in der Halle höheren Infrastrukturkosten bleibt ein Vorteil bestehen.


Den Auftragsprozess betrachten
Werden die Gründe für die Verlagerung der Tätigkeiten von der Halle auf die Baustelle analysiert, muss der ganze Prozess betrachtet werden. Dabei fällt auf, dass die Mitarbeitenden der Elementfertigung ihre Aufträge (Informationen, Daten, Pläne) fast immer zu spät erhalten. Folglich mangelt es nicht in der Arbeitsvorbereitung an Effizienz, sondern schon zuvor im Verkauf und der Projektentwicklung. Dazu gibt es ein Beispiel aus einem Workshop: Wandelemente wurden ohne Fenster auf die Pritsche gestellt, um sie später noch einmal herunterzunehmen und die Fenster einzubauen. Der Kunde hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden, welche Aussenfarbe die Fenster haben sollten – die Fenster lagen deshalb noch beim Fensterbauer vor der Lackierstrasse. Doch der Aufrichttermin in drei Wochen war fix. Nach einer Woche wurde klar, dass alle Elemente auf die Baustelle gehen und die Fenster direkt dorthin geliefert werden. Das hatte unter anderem zur Folge, dass die Elemente wegen der fehlenden Hebeschiebetüren kompliziert stabilisiert werden mussten. Hinzu kam, dass der Baukran nicht mehr vor Ort war und die bodentiefen Fenster deshalb nur schwierig zu montieren waren. Die Witterung war zudem schlecht, wodurch die Anzahl der Montagestunden explodierte, und am Ende fiel auch noch der Blower-Door-Test schlecht aus.


An diesem Beispiel wird klar, dass sowohl der Vertrieb als auch die Projektleitung den Kunden in der Entscheidungsfindung nicht klar genug geführt haben. Der Vorlauf der Fertigung ist weggeschmolzen und der Produktionsleiter konnte nur noch reagieren, anstatt zu steuern. Wäre der Kunde eng begleitet worden, hätten Entscheidungswege abgekürzt werden können. Für die Betreuung des Kunden fehlten im Betrieb die Ressourcen, aber die vielen Stunden auf der Baustelle wurden akzeptiert.


Es ist die Aufgabe der Projektleitung, solche Verzögerungen seitens Kunde und Verkauf zu erkennen und direkt Massnahmen einzuleiten. Dazu gibt es einige einfache Tools, mit deren Hilfe deutlich wird, wo die Aufträge momentan stehen und welche Auswirkungen die aktuelle Handlungsweise haben wird. Dafür muss die Verantwortung für die Projekte jedoch klar zugeordnet sein und der Vertrieb in entsprechendem Masse eingebunden werden.


Konstruktionen anpassen

Die Vorfertigung zu erhöhen, bedeutet auch, die Details der Konstruktionen anzupassen. Dazu müssen auch Vertrieb und Projektentwicklung entscheidend mitarbeiten. Gerade im Vertrieb, in der Diskussion mit den Architekten, sind die grossen Hebel für den Erfolg der Vorfertigung zu finden. Muss es die äusserst aufwändige horizontale Rhombusschalung sein oder könnte auch eine Nut-Feder-Schalung mit demselben optischen Effekt eingesetzt werden? Wie Tests zeigen, ist der Unterschied aus einer Distanz von zehn Metern nicht mehr zu erkennen. Kann die Schalung auf der Etage oder an der Gebäudeecke deutlich getrennt werden, um eine Elementierung zu ermöglichen? Mit solchen Fragestellungen sind die grossen Unterschiede zu finden. Damit die Vertriebsabteilung mit den Architekten effizientere Varianten definieren kann, muss sie passende Musterteile und Beispiele zur Hand haben. So können den Kunden die Unterschiede gezeigt werden.


Zu oft wird die Herangehensweise hinsichtlich der Arbeitsschritte und der Baustellendetails einfach in die Elementfertigung verschoben. Dort werden diese dann genau so wie auf der Baustelle ausgeführt. Doch wenn die Mitarbeitenden in der Halle kleine Details anpassen und testen können, wird eine viel grössere Effizienz erreicht. Wie die Erfahrung zeigt, sind die Einsparungen dadurch erfreulich gross. Es ist immer wieder erstaunlich, wie kompliziert manche Fensterdetails (Fenster, Leibungen, Beschattungen usw.) geplant und konstruiert werden, was da geschnitten, gefräst, gehobelt, unterlegt und gemalt wird. Im Gegensatz dazu wird der Fenstereinbau in anderen Betrieben gleich mit Leibungen vorbereitet und als Elemente direkt eingebaut. In einem Beispiel aus der Praxis hat der Holzbauer in der Nebenhalle zur Werkhalle die Aussenschalung bereits als Elemente vorgefertigt und auf der Baustelle nur noch eingehängt. Damit konnte der Stundenaufwand für die Aussenfassade halbiert werden.


Rüstzeiten reduzieren

Um die Vorfertigung effizient zu gestalten, müssen auch die Rüstzeiten gesenkt werden. Zwischen dem Start eines neuen Bauvorhabens und dem Moment, in dem  das erste Element auf dem Tisch bearbeitet wird, sollte möglichst wenig Zeit vergehen. Die Anlaufphasen bei Produktewechseln oder bei Spezialaufgaben in der Elementhalle können optimiert werden. Ansonsten gehen hierfür schnell mal zehn Prozent der Leistung verloren.


Beim Rüsten, also dem Wechsel von einem Produkt zum anderen, wird zwischen externem und internem Rüsten unterschieden. Beim externen Rüsten kann die Fertigung noch voll produzieren, es werden aber bereits verschiedene vorbereitende Rüsttätigkeiten durchgeführt. Beim internen Rüsten muss die Fertigung gestoppt werden, es entsteht ein Produktionsunterbruch. Somit ergeben sich für die Optimierung zwei Ziele: das interne Rüsten so kurz wie möglich zu halten und das Nötige möglichst als externes Rüsten zu gestalten. Mit Fokus auf diesen beiden Zielen wird sich auch die Logistik in der Halle verändern. Nach einer Rüstoptimierung meinte ein Hallenvorarbeiter: «Wir haben immer noch Spezialprojekte, weil wir das unseren Kunden bieten wollen. Aber jetzt setzen wir dafür die mobilen Einrichtungen ein und verstauen sie nachher wieder. So nutzen wir die Fertigungsfläche für unsere Haupttätigkeiten viel effizienter.»


Die Erfahrung zeigt, dass es ein eher langfristig angelegtes Projekt ist, die Vorfertigung zu erhöhen. Ein Schnellschuss funktioniert nicht zufriedenstellend. Diejenigen Unternehmen, welche sich die Zeit für ein ausgereiftes Konzept genommen haben, sind sehr erfolgreich damit.

Der Autor

Als Holzingenieur und ausgebildeter Coach unterstützt Stephan Zürcher die Mitarbeitenden von Holzbaubetrieben für mehr Effizienz an den Arbeitsplätzen. Für kleine bis mittelgrosse Holzbauunternehmen passter die Fertigungskonzepte und die Logistik für den Elementbau an. ecoholz.ch