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06/20 «All inclusive»

BEWEGEN

Zukünftige Geschäftsmodelle

Im Rahmen der Initiative Wald & Holz 4.0 hat die Berner Fachhochschule (BFH)ein Vorgehen entwickelt, das die Unternehmen der Holzbranche – so auch die Holzbauer – bei der Weiterentwicklung ihrer Geschäftsmodelle im Kontext der digitalen Transformation unterstützen kann. Im sechsten Teil der Serie «Gemeinsam in die digitale Zukunft» wird dieses vorgestellt.

Text Marc-André Gonin, Christoph Flühmann, BFH | Grafik BFH (nach Gassmann et al., 2013)

Jedes Unternehmen hat ein Geschäftsmodell, das sich im Laufe der Zeit verändert. So spezialisieren sich zurzeit manche Holzbauunternehmen auf die Fertigung, während andere ihre Leistungen bis hin zur Architektur erweitern. Oftmals sind Firmenchefs aber nicht in der Lage, das Geschäftsmodell ihres Unternehmens spontan zu erklären. Gemäss Oliver Gassmann, Dozent an der Universität St. Gallen, findet der Wettbewerb jedoch zunehmend zwischen Geschäftsmodellen und nicht mehr nur zwischen Produkten und Technologien statt.


Die Wirtschaftswissenschaftler und Fachbuchautoren Alexander Osterwalder und Yves Pigneur beschreiben ein Geschäftsmodell als «[…] das Grundprinzip, nach dem eine Organisation Werte schafft, vermittelt und erfasst». Dessen Entwicklung dient in Unternehmen heute vor allem strategischen Analysen, um das eigene Geschäft vertiefter zu verstehen, zu verbessern und weiterzuentwickeln.

Das magische Dreieck

Eine weit verbreitete Methode für die Beschreibung eines Geschäftsmodells ist das Business Model Canvas von Osterwalder und Pigneur. Dessen neun Bausteine lassen sich auf einer abstrakteren Ebene zu den vier Dimensionen «Wer?-Was?-Wie?-Wert?» zusammenführen. Das magische Dreieck, wie sein Begründer Gassmann es nennt, ist einfach zu nutzen und gleichzeitig vollständig genug, um ein klares Bild der Geschäftsmodellarchitektur zu liefern. Die Arbeiten im Rahmen der Initiative Wald & Holz 4.0 beruhen auf diesem Konzept.


Geeignete Muster kombinieren

Wie kann ein Unternehmen bei der Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells vorgehen? In der realen Welt ist ein Geschäftsmodell ein komplexes System voller Wechselwirkungen und Nebeneffekte. Eine Veränderung – oder Innovation – des Geschäftsmodells ist daher ein Unterfangen, das schnell sehr herausfordernd werden kann. Laut Michael Geiss, Mitglied der Geschäftsleitung von Iconstorm, ist die Kunst der Geschäftsmodellinnovation, nicht etwas völlig Neues zu erfinden, sondern die für das eigene Unternehmen geeigneten Muster zu finden und geschickt zu kombinieren. Die regelmässige Überprüfung des Geschäftsmodells empfiehlt sich, um gegebenenfalls in kleinen Schritten agil auf Veränderungen in der Geschäftsmodellumgebung reagieren zu können. Die BFH hat im Rahmen der Initiative Wald & Holz 4.0 ein Vorgehen entwickelt, das die Unternehmen der Holzbranche in diesem Prozess unterstützt.


Ist- und Soll-Zustand

Die Beschreibung des aktuellen und eines möglichen zukünftigen Geschäftsmodells ist dabei der erste Schritt, der am besten unter Einbezug von aufgeschlossenen, in verschiedenen Funktionen tätigen Teammitgliedern erfolgt. Der online verfügbare Strategiecheck Wald & Holz 4.0 (SC-WH40), das Kernstück des erarbeiteten Vorgehens, dient hierzu als methodische Hilfe (siehe Infobox). Für den nächsten Schritt hat die BFH wesentliche Veränderungen und Trends in der Geschäftsmodellumgebung auf den Ebenen Global, Branche und Märkte identifiziert. Auf dieser Basis wurden mit Blick auf das Jahr 2030+ Hypothesen und fünf Zukunftsszenarien abgeleitet – gesamtheitliche Problemlösung, Hochspezialisierung auf Produkt beziehungsweise Produktgruppe, Fokus auf Customer Experience, auf Low Budget und auf Nischenmarkt. In diesem zweiten Schritt geht es darum, die Relevanz dieser Trends, Hypothesen und Zukunftsszenarien für das eigene Unternehmen zu beurteilen und gegebenenfalls im Anschluss die angestrebte Ausrichtung im SC-WH40 zu bereinigen. Zuletzt lassen sich die Differenzen zwischen dem erfassten Ist- und dem Soll-Zustand ermitteln und gegebenenfalls kleine, verdaubare Schritte für Änderungen des Geschäftsmodells ableiten, priorisieren und umsetzen. Bei der Umsetzung sind klar definierte Ziele, eine realistische Roadmap, der Miteinbezug von Kader und Belegschaft und schliesslich ein gutes Monitoring der Aktivitäten wichtig.


Was zu beachten ist

Bei strategischen Überlegungen und entsprechenden Umsetzungsmassnahmen in Unternehmen ist im Kontext der digitalen Transformation wichtig zu verstehen, dass sie nicht zwingend radikale Disruption bedeutet, bei der das Neue das Alte wegfegt. Manchmal kann das notwendig sein, doch häufiger bedeutet sie, das zentrale Wertangebot und dessen Generierung durch den Einsatz digitaler Tools schrittweise zu verbessern – zum Beispiel das Befriedigen bisher nicht erfüllbarer Kundenbedürfnisse durch neue Produkte und Services, das Gestalten digitaler Kundeninteraktionen oder eine Effizienzsteigerung entlang der Wertschöpfungskette. Mittlerweile zeigt sich, dass Kombinationen von bestehendem Fachwissen beziehungsweise der eigenen Kernkompetenzen mit Innovationen, die sich aus digitalen Technologien ergeben, langfristig erfolgreicher sind als radikale Neuerungen. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu verstehen, dass nicht die neuen Technologien Auslöser für Geschäftsmodellinnovationen oder eine digitale Transformation des Unternehmens sind, sondern immer die kundenzentrierte Lösung. Michael Geiss sagt dazu: «Wer im eigenen Unternehmen Prozesse und Denkweisen etabliert, die die zukünftigen Kundenbedürfnisse in den Mittelpunkt stellen, erhöht die Wahrscheinlichkeit, zu den Führern der eigenen Branche zu gehören oder zumindest für die mögliche Disruption des eigenen Business durch einen Dritten gewappnet zu sein».

Mit dem Thema «Neue Kundenbedürfnisse» wird sich der siebte Beitrag in der Ausgabe «Wir Holzbauer» 7/20 befassen. 

Dieses Projekt wurde realisiert mit Unterstützung des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) im Rahmen des Aktionsplans Holz.

Strategie-Check Wald & Holz 4.0

Der im Rahmen der Initiative Wald & Holz 4.0 an der BFH entwickelte Strategiecheck Wald & Holz 4.0 (SC-WH40) richtet sich spezifisch an die Holzbranche, indem er ihre strukturellen Eigenheiten und ihr Umfeld berücksichtigt. Den vier Bausteinen eines Geschäftsmodells folgend, behandelt der SC-WH40 die Bereiche «Voraussetzungen», «Sortiment», «Leistungserbringung», «Optimierung», «Vernetzung» sowie «Marketing und Kundenbedürfnisse». Er ermöglicht den Teilnehmenden, sowohl eine Standortbestimmung vorzunehmen (Ist-Zustand) als auch eine mögliche zukünftige Ausrichtung ihres Unternehmens zu erfassen (Soll-Zustand). Nach Abschluss des Checks erhalten sie per Mail einen Report zugestellt. Dieser beinhaltet für jeden der genannten Bereiche eine grafische Darstellung der Ist- und Soll-Einschätzung. Aus den entstehenden Gaps lässt sich der Handlungsbedarf ableiten. Der Zugang zum Online-Tool und weitere Hilfsmittel, wie «Veränderungen und Trends» sowie «Hypothesen und Zukunftsszenarien», stehen auf der Website kostenlos in deutscher und französischer Sprache zur Verfügung. wh40.ch/thema-zukuenftige-geschaeftsmodelle