FIRST 02/2022 «Wir haben lange nach jemandem gesucht, der mit Yakisugi Erfahrung hat und sich auch traut, schwierige Bauteile wie Fenster zu be- flammen», erklärt Daniel C. Suter vom Büro 1899 Architekten. Die traditionelle japanische Methode, Holz wider standsfähiger zu ma- chen, wird in Asien seit Jahrhunderten prakti- ziert. Der Trick: Das Holz wird an der Oberflä- che angekohlt und dadurch besser geschützt. Vor Pilzbefall. Vor Insektenbefall. Vor Feuch- tigkeit. Darüber hinaus entfaltet es eine ganz spezielle Ästhetik. Architekt Daniel C. Suter und sein Büropartner Bruno Stettler waren davon so angetan, dass sie beschlossen, die Holzfassade eines geplanten Chaletanbaus mit ebendieser Methode zu schwärzen. Wochenlang suchten die Architekten nach einer Möglichkeit, den neuen Anbau optisch an das Bestandsgebäude aus dem Jahr 1937 anzugleichen. Über achtzig Jahre lang hatten Sonne, Regen und Wetterkapriolen auf den historischen Fleckenbau in Frutigen einge- wirkt und die Oberfläche verwittern und dunkler werden lassen. Um den signifikanten Unterschied zum Annex zu egalisieren und das «junge» Holz farblich altern zu lassen, wurden verschiedene Verfahren geprüft. Aber keine der gängigen Vorvergrauungs- systeme konnten die Architekten und die Bauherrschaft überzeugen. «Nachdem wir gerade angefangen hatten, auch Yakisugi als Option zu prüfen, fuhr ich an der Schreiner- werkstatt eines Bekannten, Gabriel Leuten- egger von Great Wide Mountain, vorbei. Zu- fällig war er gerade dabei, die Holzoberfläche eines Möbels anzukohlen. Das Gespräch mit ihm ermutigte mich, diese Methode weiterzu- verfolgen», erklärt Daniel C. Suter. Mit Erfolg. Der Anbau bekam seine Feuertaufe. «Wir haben lange nach jemandem gesucht, der mit Yakisugi Erfahrung hat.» Daniel C. Suter, 1899 Architekten Der Grund, warum die fünfköpfige Familie Bät- scher das Thuner Architekturbüro mit einem Um- und Anbau ihres Chalets beauftragte, ist selten: soziales Engagement. Bätschers ent- 1 Der Anbau des alten Chalets bringt eine alte japanische Holzoberflächenbehandlung ins Berner Oberland: Yakisugi. Hierbei wird das Holz angekohlt, um es widerstandsfähiger zu machen. 2 Das alte Fleckenhaus stammt aus dem Jahr 1937. Feine Verzierungen und das ausladende Satteldach bilden traditionellen Merkmale. schieden sich bewusst dafür, ihre Wohnfläche zu verkleinern, um Menschen in schwierigen Lebenssituationen temporär einen Platz in ihrem Haus anbieten zu können. Eine Woh- nung mit Familienanschluss sozusagen, in der es nicht nur darum geht, ein Dach über dem Kopf zu haben, sondern auch Gemeinschaft zu leben. So kann die unmittelbare Nähe zu Bät- schers beispielsweise für eine alleinerzie- hende Mutter oder einen alleinerziehenden Vater eine kostbare Unterstützung bei der Kinderbetreuung sein. Ein Wohn- und Lebens- konzept, das beeindruckt. Chapeau. Bereits in vierter Generation bewohnt der Steinbildhauer Manuel Bätscher den Fle- ckenbau in Frutigen, zusammen mit seiner Frau und drei kleinen Söhnen. Im Erdge- schoss befinden sich das Atelier und die Werkstatt, in den beiden Geschossen darü- ber die Wohnräume. Obwohl das alte Haus nicht unter Denkmalschutz steht, ging man beim Umbau sorgsam und respektvoll mit der bestehenden Substanz um. Doch wo nötig, musste Altes weichen. So wurde die alte Öl- heizung entfernt und das Haus an die Fern- heizung eines Holzbauers angeschlossen, der die Anlage mit Holzschnitzeln betreibt. Um im ersten Obergeschoss überhaupt eine Einliegerwohnung integrieren zu können, be- durfte es einer Umstrukturierung des Grund- risses. Die beiden Wohnungen, ein separates (Arbeits-)Zimmer sowie eine kleine Abstell- kammer werden über eine gemeinsame Diele erschlossen. Die Einliegerwohnung umfasst neben Schlafzimmer und Bad einen Wohnraum mit offener Küche und einen Zugang zur Ter- rasse. Familie Bätscher bewohnt den anderen Teil der Etage sowie das Dachgeschoss mit den Schlafzimmern. Ihr Wohnbereich erstreckt sich von der offenen Wohnküche bis in den neuen Anbau, in dem nun auch ein Schweden- ofen Platz gefunden hat. Massgefertigte Ein- bauten wie das grosse Wandregal aus Weiss- tanne sind hierbei integraler Bestandteil des Entwurfs der Architekten. Die Sitzecke am Eckfenster ist schnell zu einem beliebten Plätz- chen der Familie geworden. Mit Mehrwert: Darunter befindet sich kostbarer Stauraum. Beim Anbau, erstellt von der Brügger HTB GmbH aus Frutigen, handelt es sich um einen kon s truktiven Hybriden: Er ist weder dem 2