FIRST 04/2020 Warum zweifeln Sie daran? Ich bin eine Anhängerin der generalisti- schen Ausbildungen. Die Komplexität beim Planen und Bauen ist heute zweifellos hö- her denn je. Aus meiner Sicht widerspricht aber eine zu strenge Disziplinfixierung den aktuellen und wahrscheinlich auch zukünf- tigen Herausforderungen. Wir müssen den jungen Leuten vor allem Methodenkompe- tenz beibringen, so dass sie handlungsfähig bleiben, auch wenn sie vor neuen, unge- wohnten Aufgaben stehen. Zweifellos braucht es solides Fachwissen, aber je län- ger, je mehr auch die Fähigkeiten, sich die- ses selbst anzueignen. Wie schätzen Sie das bestehende Weiterbil- dungsangebot ein? Das Angebot ist sehr gross und unübersicht- lich, gerade im Bereich Energiebildung. Ich denke, dass die Lücke nicht in der Vermittlung der einzelnen Aspekte von Nachhaltigkeit be- steht, sondern eher in deren projektspezifi- schen Kombinationen. Hilfreich wären gesamt- heitliche und praxisnahe Formate, die den disziplinenübergreifenden Dialog fördern und den Austausch von Erfahrungen im Umgang mit den alltäglichen Herausforderungen beim Planen und Bauen ermöglichen. Damit liessen sich Netzwerke für Qualität und Nachhaltig- keit aktivieren. Fit für die ressourcenschonende Wirtschaft Berufsleute der Hochbaubranche können sich in einer Aus- oder Weiterbildung zusätzliche Kompetenzen in den Bereichen Nachhaltigkeit, Klima und Energie aneignen: MAS in Nachhaltigem Bauen: EN Bau – eine Kooperation von fünf Schweizer Fachhochschulen – bietet eine breite Auswahl an Ausbildungsblöcken zu den Themen Energie und Nachhaltigkeit im Bauwesen. Die Lehrgänge (CAS) sind praxisorientiert und ziehen sich über drei bis vier Monate. Mit dem Abschluss des Grundlagenmoduls, vier weiteren Kompetenzmodulen aus dem Programm und einer Masterarbeit können Absolventen/-innen ihr Studium mit dem MAS in nachhaltigem Bauen abschliessen. enbau.ch Lehrgang eco-bau: Der Lehrgang vermittelt Baufachleuten, Planenden und Auftrag- gebern das nötige Grundwissen für die Planung und die Realisierung von ökologi- schen und gesunden Gebäuden. Mit dem Absolvieren aller vier Grundkurse inklusive Praxisarbeit kann man sich als «Fachpartner eco-bau» ausweisen. Vertiefungskurse ergänzen und erörtern Aspekte, die während der Planung, Ausschreibung und Reali- sierung von Bauprojekten wichtige Meilensteine bilden. eco-bau.ch Baubiologe/-in (BP): Die Ausbildung erfolgt berufsbegleitend (12 Monate). Vermit- telt werden Kenntnisse über das ökologisch und gesundheitlich orientierte Bauen, Sanieren und Betreiben von Gebäuden. Ab 2022 bietet das Bildungszentrum Bau- biologie voraussichtlich die Ausbildung zum/zur «Experten/-in Gesundes und Nachhaltiges Bauen» (HFP) an. baubio.ch SIA-Lehrgang «Klimafreundlich bauen und planen»: Experten/-innen stellen in diesem dreitägigen Kurs (März 2021) Ansätze für eine klimabewusste Planung vor, sei es beim Neu- oder Umbau von Gebäuden, bei der Gestaltung des Aussen- raums zwischen den Gebäuden oder bei der Gestaltung von Stadträumen. sia.ch/de/dienstleistungen/sia-form/detail/event/6529/ Weitere Fortbildungskurse in den Bereichen Energie, Klima, Ressourcenscho- nung, zirkuläres Bauen und Gebäudetechnik von SIA, Verein eco-bau, Minergie Schweiz, Hochschule Luzern. sia.ch, eco-bau.ch, minergie.ch, hslu.ch /technik-architektur/weiterbildung/bau/gebaeudetechnik-und-energie sourceneffizienz und Materialwahl. Ande- rerseits sind wir uns bewusst, dass in der Praxis noch Defizite bestehen und sich der SIA bemühen muss, sein Know-how noch breiter zu vermitteln. Dazu gehört sicher auch, dass wir uns vermehrt für Aus- und Weiterbildungen einsetzen, die diese In- halte im Fokus haben. Sie erwähnten, dass beim SIA das Thema Materialwahl an Bedeutung gewinnen soll. Seit Jahrzehnten dominieren energieinten- sive Werkstoffe wie Beton und Stahl. Warum setzt die Baubranche nicht vermehrt Holz ein? Weil es «neu» ist. Lange Zeit wurde Holz von Bauherren als risikobehaftet wahrgenom- men. Doch der Holzbauboom der letzten Jahre hat gezeigt, was Architekten, Ingeni- eure und Holzbauer mit diesem Werkstoff erschaffen können und ein Umdenken einge- leitet. Auch sind inzwischen die energeti- schen, umwelt- und klimaschonenden Vor- teile des Holzes breit anerkannt. Zum Um- denken beigetragen haben schliesslich auch die wirtschaftlichen Vorteile des Holzbaus wie die Geschwindigkeit des Bauens. Verfügen die Architekten und Planer über das nötige Know-how im Bereich Holzbau? Die hohe Qualität der realisierten Holzbau- ten zeigt, dass wir in der Schweiz eine sehr hohe Kompetenz für das Bauen mit Holz ha- ben. Allerdings sind das Wissen und die Er- fahrung im Bereich Holzbau bei den Planern nach wie vor nicht Allgemeingut. Wir wollen mit unserer Weiterbildung dazu beitragen, dass dieses Wissen noch stärker verbreitet und angewendet wird. Die Umsetzung der Energie-, Umwelt-, und Klimapolitik erfordert ein ganzes Bündel an neuen Berufskompetenzen. Ist Ihre Branche für diese Zukunft gerüstet? Es mangelt schon heute an qualifizierten Fach- kräften, beispielsweise im Bereich Gebäude- technik. Um hier Abhilfe zu schaffen, sind auch neue Berufsbilder wie der Gebäudehüllenplaner in Erarbeitung. Ähnliche Diskussionen werden bei der Solarbildung Schweiz geführt. Und Bau- bioswiss stellt gerade eine neue Trägerschaft für den Experten für gesundes und nachhaltiges Bauen zusammen. Aus meiner Sicht kann diese Entwicklung aber nicht der einzige Weg sein, um die Branche zukunftsfähig zu machen.